Dienstag, 9. Juli 2013

Verhaltensforschung

Leute, die die Welt noch bereist haben, ehe der chemische Generalangriff auf alle Insekten (einschließlich der lieben Bienchen) gestartet wurde, waren häufig überzeugt davon, dass die Küchenschabe dereinst die Weltherrschaft antreten würde. La Cucaraca, the Cocrache - oder wie sie sonst noch besungen wurde, war weltweit vernetzt und den jeweiligen Umweltbedingungen sogar größenmäßig angepasst.

Auf einer Tropeninsel war ich mal dem Überfall Hunderter malaiischer Riesen-Schaben ausgesetzt, die offenbar nur spielen wollten. Allerdings verstand ich gar keinen Spaß und richtete mit meinen Sandalen ein Gemetzel unter ihnen an. Kritschelkrutschel die ganze Nacht. An Schlaf war da nicht zu denken. Im Morgengrauen waren alle Leichen verschwunden. Verspeist von ihren Artgenossen. Nur ein paar der überdimensionierten Flügeldeckel lagen ordentlich  aufgeschichtet im Bad...

Meine generelle Einstellung zu Schaben hat sich zwar seither nicht wesentlich geändert, aber ihre Weltherrschaft fürchte ich nicht mehr, seit ich die Ameisen hier auf der Burg beobachte.

Erinnert sich noch jemand, dass die Chinesen unter Mao wegen ihrer blauen Einheitsanzüge vom Westen damals politisch unkorrekt die „Blauen Ameisen“ genannt wurden? Heute, assimiliert vom Turbo-Kapitalismus, sind sie so mannigfaltig modisch gestylt unterwegs, dass sie bald auch in dieser Disziplin tonangebend sein werden. Das bringt mich zu der Überzeugung, dass die Ameise in ihren vielen Erscheinungsformen als Vorbereitung auf die Weltherrschaft die Chinesen nur als Probanden benutzt hat...

Die Frage, die sich mir alle Jahre wieder um diese Zeit hier auf der Burg stellt: Können wir im Umkehrschluss nicht von den Ameisen lernen, um ihrem Herrschaftsanspruch zu begegnen?

Hier ein paar Denkanstöße:

In erster Linie gibt es hier im Gemäuer drei Typen von Ameisen. Winzig kleine Rote, mittelgroße Braune und große Schwarze.

Die Roten sind straff in Brigaden organisiert. Sie meiden öffentliche Straßen sind aber bei Bedarf so viele, dass sie Schulter auf Schulter stehend innen in der Dachrinne die gut 14 Meter Höhe zu unserer Terrasse überwinden. Einmal hatte ich den Rest einer Packung Krokant-Kekse dort oben in unserem sich anschließenden Wohnzimmer liegen lassen. Am nächsten Morgen sah ich, wie die kleinen Roten die Kekse Krümel um Krümel in die Gasse hinunter trugen. Natürlich sorgte ich mit fürchterlich stinkendem Ameisengift für einen Massenmord. Aber als ich wenig später die Leichen wegfegen wollte, waren sie allesamt verschwunden; von den wenigen Überlebenden eingesammelt und abtransportiert. Vielleicht sollte unser Umweltminister die roten Ameisen mit der Suche und anschließenden Bestückung des Endlagers für den anstehenden Atommüll betrauen.

Die mittelgroßen Braunen sind sture Befehlsempfänger, die ihre jeweilige Aufgabe erfüllen – gleichgültig wie sinnvoll sie ist. Unsere Piazza ist im ligurischen Stil mit einzementierten Kieseln bestückt, die anschließend mit Mustern eingefärbt werden. Die braunen Späher kommen gar nicht auf die Idee über diese Steine zu klettern, obwohl sie es könnten. Stattdessen laufen sie durch das Zement-Labyrinth und nehmen weite Umwege in Kauf, um beispielsweise in Ost-West-Richtung ihre Route abzuchecken. Genauso ist ihr Straßenbau zu Nahrungsquellen. Nach dem Motto eine wird schon durchkommen, krabbeln sie auch gut sichtbar für alle Feinde die Wände hoch. Bei diesen braunen Heerscharen fragt man sich – wie blöd sind die denn noch? Offenbar lernen sie nicht dazu.


Die großen Schwarzen sind zwar nicht wesentlich schlauer, aber lässiger. Sie klettern schon mal auf so einen Piazza-Kiesel und verschaffen sich dort einen Überblick, den sie begegnenden Artgenossen aufs Hinterteil trommelnd weitergeben. Sie nehmen auch gerne Ideen ihrer kleineren Artgenossen auf, die nach langer, emsiger Suche dann zuschauen müssen wie das Stückchen herunter gefallene Salami oder der Brocken Obst von den Großen weg gemopst wird...

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