Freitag, 30. September 2022

Ein Mord im Morgengrauen?

War am schwersten und erst zuletzt
 zu identifizieren: die ligurische
Berggrasmücke
Quelle: ebird.net
Während ich noch von den globalen Dramen nachts so erschüttert war, dass ich nicht richtig schlafen konnte, musste ich im Dunklen auf den nahen Dächern gegenüber einen Überfall mit anhören, bei dem es um Leben und Tod ging.

Da meine Frau ja die geräumige Vogel-Badeanstalt auf unserer Dachterrasse gleich zu Beginn der Hitze- und Dürreperiode eröffnet hatte, ging es unseren gefiederten Nachbarn ziemlich gut. Diszipliniert warteten die diversen Arten samt ihres frisch flügge gewordenen Nachwuchses, bis jeder an der Reihe war.
Wir hatten so die Muße, in Ruhe zu beobachten, wer uns denn alles ohne Scheu besuchen kam: 
Die ersten war die Bergstelzen-Familie, die zu jeder Tageszeit mit ihrem Nachwuchs herumhüpfte. Wesentlich Scheuer, weil extrem ängstlich um ihren kugeligen Küken besorgt, flatterten die Blaumerlen heran. Meisen und Finken waren uns  ja in den letzten Jahren immer vertrauter geworden, seitdem hier nicht mehr blindwütig auf sie geballert wird.
Erst als alle nach den starken Regenfällen vor vierzehn Tagen nicht mehr so egelmäßig kamen. oder schon fortgezogen waren, fiel uns dieser auf unserer Terrasse eher einzelgängerische Piepmatz auf.

Die Fachzeitschrift für Vogelbeobachter "Der Falke" - das las ich im Internet - feierte diese ligurische Variante der Weißbartgrasmücke 2016 noch als Neuzugang, weil das Verbreitungsgebiet eher weit westlich von hier in Südfrankreich verortet wurde. Ich konnte sie wohl nicht gleich bestimmen, weil sie laut Experten hier in unterschiedlichem Federkleid auftritt. Offenbar hat la "Silvia di Montagna" auch am Hals nicht immer die weißen Federstreifen, die sie auch als Weißbartgrasmücke kennzeichnen.
Unsere Besucherin war mit ihrem eher schüchternen, grauen Federkleid - nachdem ich auch die Vogelstimmen verglichen habe - also das Grasmücken-Weibchen. Das dazu gehörige Männchen hat sich bei Helligkeit allerdings nicht sehen lassen.
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/FVYVSQUYKGM2SW3PCJZTKRG53UHMC7C7

Aber wieso beide überhaupt noch da waren, wo sie doch schon seit August auf Zug in die Sahelzone sein sollten? Und dann auch noch deutlich hörbar im September Nachwuchs betreuend?
Gut, wir hatten hier ja mehr als drei Monate quasi auch Sahelzone. Vielleicht haben sich die über Schwanz nur zwölf Zentimeter langen Tierchen gedacht: Wieso denn nach Afrika, wenn es hier genau so heiß ist?

"La Gazza azzurra liguria" ist sehr
viel hübscher als ihre nordischen
Artgenossen, die hier jetzt in der
langsam in der Überzahl sein dürften
Quelle: liguriabirding.net
Der Klimawandel oder einfach bessere Lebensbedingungen, haben neben den Berggrasmücken aber auch die schwarzweiße nordische Elster hier in den Bergen stark zuwandern lassen. Sehr zum Leidwesen der angestammten 
"Gazza azzurra liguria", der hier einst wegen ihrer prachtvolleren Federn besonders als Schmuck für Jägerhüte nachgestellt wurde...
Da ich ja nur Ohrenzeuge war, wage ich es kaum die megaschlaue Elster in diesem Fall unter Mordverdacht zu stellen. Unsere Altvorderen haben den "Galgenvogel" ja sowieso schon immer als diebisch unter Generalverdacht gestellt. Als Angehörige der Gattung Rabenvogel gelingt es ihr immer noch nicht, allein über die ihr eigene, außergewöhnliche Intelligenz definiert zu werden. Forscher stellen diese mittlerweile auf eine Stufe mit der menschlichen.
Im Flug bestechend schön
und erschreckend intelligent
Quelle: nelcoure.org

Aber leider kann sie ihr wie böses Lachen klingendes Keckern im Beute-Rausch nicht abstellen.https://de.wikipedia.org/wiki/Elster Das hat mich bei offenem Fenster noch bei totaler Dunkelheit aus meiner Dämmerung gerissen, denn gleichzeitig erscholl ein vielstimmiges Piepsen aus dem Nest ganz in meiner Nähe. Sehen konnte ich nichts aber die folgenden Geräusche waren eindeutig. Die Grasmücken-Eltern versuchten zwar noch durch wechselnde Warnrufe aus unterschiedlichen Richtungen, die Elster abzulenken, aber der Frühstückshunger der Räuberin war zu zielgerichtet. Die dann nach dem letzten triumphierenden Keckern einsetzende Stille war gruselig.

Ausgerechnet wir Menschen sollten jedoch gerade jetzt nicht aus Mitleid die natürliche Tierwelt in Gut und Böse unterteilen...

Gioachino Rossini
1792 - 1868
Quelle: wikipedia

Die diebische Elster -

La Gazza ladra

Bienvenido a la nueva eraA un mundo sin dolorSin amor, ni imaginaciónDonde la lluvia sacia a un bosqueQue no puedes verSi no navegas por la redLa hermana luna se dejó de peinarPues no encontraba el reflejo en su espejo, el marAlza la vista hasta donde te alcance la razónPodrás ver que el sol se marchóMontado en una nubeDe carbono y gas letalFueron en busca de una florPues el hermano solSe cansó de alumbrarAlimentado por un disco duro y una terminalOh, en satania estásTus pensamientos programados están
Oh, aprieta el botónNavega en mi mundo"deseos.com"Constrúyete un paraísoUn amante virtualMándale orgasmos por e-mailDiséñate un beso tiernoO un gesto de amorAbre un archivo y grábaloCompra un programa especial para llorarDonde, en las lágrimas, puedas elegir variedadOh, en satania estásTus pensamientos programados estánOh, aprieta el botónNavega en mi mundo"deseos.com"La voz de tu amo soy, linkada a tu corazónTe concedo futuro, a cambio de tu libertad
Quelle: LyricFind
La gazza ladra ist eine Opera semiseria in zwei Akten von Gioachino Rossini mit einem Libretto von Giovanni Gherardini. Die Uraufführung erfolgte am 31. Mai 1817 im Teatro alla Scala in Mailand. 

Mittwoch, 28. September 2022

Ein Dolchstoß. der eher nicht zur Legende taugt

 Wie sich Giorgia Meloni, die künftige Ministerpräsidentin Italiens, in den ersten 100 Tagen ihrer Regentschaft verhalten wird, zwingt auch sogenannte Insider zu Mutmaßungen. Bleibt sie bei ihren neofaschistischen Attitüden, wie sie sie im Wahlkampf gepflegt hat, wird das Traumziel einer "Europäischen Einheit" einmal mehr infrage gestellt.

Die Wölfin, die Mussolini immerfort als einen Politiker preist, der gut für Italien war, wird wohl kaum mit Kreide gurgeln, um die scheckerstarrte Führungsriege der EU zu beruhigen. Der Berlusconi-Schützling mit der eigenen Partei-Gründung wird die Konfrontation mit Europa bis an die Schmerzgrenze ausreizen. Sie wird die bald drei Billionen Euro Staatsverschuldung die Italien mit all den gescheiterten Regierungen der letzten Jahre angehäuft hat, als Erpressungspotenzial einsetzen. Und zwar mit der Begründung, dass sie ja in der Opposition war und vor allem deshalb gewählt wurde, weil Italien einen Kurswechsel wünscht, um wieder ein europäischer Wirtschaftsfaktor von einstigem Rang zu werden

Werden die Fascho-Schwestern dafür sorgen, dass
dem  demokratisch gewachsenen  Europa das Lachen vergeht?
Montage: euronews


Die 45jährige gelernte Journalistin ist ein hochintellektuelles, mehrsprachiges Kraftpaket. dass sich nicht viel von der neun Jahre älteren Marie Le Pen abgucken musste. Sie ist nämlich eigentlich schon mindestens gleichlang im Politgeschäft und hat sogar schon - im Gegensatz zur der französischen Faschistin -   unter Berlusconi  ein Ministerinnen-Amt bekleidet. Der Vergleich mit dem Mussolini-Hitler-Duo - mit ähnlichem Timing - drängte sich mir schon bei Berichten von den ersten gemeinsamen Auftritten dieser Powerfrauen auf. Mussolini war ja anfangs von ganz links auch Journalist. Man geht den Parolen der beiden Blondinen so leicht auf dem Leim, weil sie in der typischen, temperamentvollen Diktion ihrer "Landsmänninen" rüberkommen: in einer oft gar nicht uncharmanten Mischung aus Marktfrau und Grande Dame,  

Marie Le Pen hat sich ja bereits vor einiger Zeit spektakulär ihres Vaters an der Parteispitze entledigt. So leicht wird es Meloni mit ihren "Fratelli d'Italia" nicht haben, Berlusconi  und seine "Forza" los zu werden, Denn der 85jährige Medienmogul, Multimillionär und Europa-Abgeordnete will  noch den 81jährigen Sergio Mattarella als Italiens Präsident beerben. Zudem ist er essentiell für die Bildung der kommenden Regierung, bei der viele gespannt sein dürften, ob der Name Mussolini im Kabinett vertreten ist...

Sollte es deshalb alsbald in der angestrebten Koalition knirschen? Zumal ja der ehemalige Vize-Ministerpräsident und Innenminister Matteo Salvini mit seiner Lega derart abgestürzt ist, dass für ihn sein früheres Amt als Innenminister logischerweise wohl nicht wieder in Reichweite wäre. Meloni wird mit ihrer Europapolitik nicht in eine Ungarn-Rolle geraten wollen, aber darf auch nicht ihr Gesicht verlieren.

Scheiterte sie wie die letzten Regierungen Italiens vorzeitig , wäre sie allerdings kreativ genug. daraus den verräterischen Dolchstoß von Verbündeten zu zaubern. Dann wäre es an den letzten aufrechten Europäern, daraus nur keine Legende erwachsen zu lassen.

Sonntag, 25. September 2022

Der Hypothesen-Hype

Diese Szene aus dem Film "Am Anfang war das Feuer"
verdeutlicht sie ein wenig: Die Ur-Hypothese, dass der Mensch
durch Zwirbeln eines Hartholz-Stabes auf weicherem
Holz Glut zum Entfachen eines Feuers
- auch während seiner Wanderschaft - erzeugen könne

 Einmal angenommen.
So beginnen die meisten Hypothesen. Hypothesen sind Annahmen, die auf einem Fundament an Basis-Wissen aufbauen sollten, um mögliche Vorgänge und Geschehnisse ins Kalkül zu ziehen. Ohne die Vorstellung, dass aus dem, was derart angedacht wurde, ein zählbares Resultat entstehen könnte, wäre die Menschheit nicht dort, wo sie heute dank ihres Hyperwissens ums Überleben kämpft...

Jedoch taugen Hypothesen nur so lange, wie sie das Ergebnis nicht eines besseren belehrt. In der Wissenschaft geht ohne Hypothesen, die möglichst alsbald zu beweisen sind, gar nichts.  Die meisten kennen das noch von den Beweisen aus dem Mathematik-Unterricht. Am Ende von denen - so sie denn richtig herbei geführt wurden - musste stehen: quod erat demonstrandum - was zu beweisen war.

quelle: commonweb,unifr,ch

Nun erleben wir gerade eine Zeit in der gelogen wird, dass sich die Waffenarsenale, Gasspeicher und Öltanks aber auch die Haushaltspläne von Regierungen explosiv aufblähen. Dass passiert, wenn sich massenhaft Hypothesen nicht so entwickeln, wie sie erdacht wurden. Heute haben Hypothesen durch die nicht mehr zu bändigende Meinungs-Vielfalt in den Medien eine Halbwertzeit, die eine Phase des Beweisens kaum noch ermöglicht. Das beschleunigt allerdings auch  das Vergessen ohne Gewissensbisse.

Hypothetisch war beispielsweise der "Wandel durch Handel" mit Russland und China richtig angedacht. Praktisch halfen wir der wirtschaftlichen Entwicklung von Schurken-Staaten.

Die Hypothese, dass unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird, führte nach zwei Jahrzehnten Blutopfer und nicht zu rechtfertigendem Finanz-Aufwand historisch einmal mehr zu dem Beweis, dass die Völker am Hindukusch nicht unter eine Fuchtel zu bekommen sind.

Die Hypothese, dass die NATO ein Schutzschirm gegen die Gefahr eines neuerlichen Weltkrieges ist, wird von perfiden taktierenden und schamlos lügenden russischen Apparatschiks jeden Tag mehr in Beweisnot gebracht.

Die Hypothese, dass ein geeintes Europa mit mehr gewagter Demokratie resistent gegen politische Spaltpilze sei, beruht leider auf falschen Hoffnungen. So lange Autokraten Denkfehler in der "Konstruktion" der EU zum Füllen der eigenen Taschen nutzten, wird die Gemeinschaft durch Korruption konterkariert.

Die Hypothese, das Gespenst des Faschismus sei durch gesicherte historische Daten und Fakten ein für alle Mal zu bannen, war von Wunschdenken geprägt. Sie hat nicht das primitive Denken schweigender Mehrheiten mit einkalkuliert. Jetzt breitet sich der egoistische Nationalismus wieder munter in ganz Europa aus. Der Brexit war nur der Anfang. Das  mit russischem Geld unterstützte Wahlergebnis in Italien könnte bereits den Zerfall der EU einleiten. Vor allem wenn Frankreich alsbald mit Rechtsruck nachzieht.

Auch die Hypothese, die Nationen der Welt ließen sich im Frieden vereinen, wird mehr denn je ad absurdum geführt. Da muss man zum Beweis nur die Sitzungen des UN-Sicherheitsrates verfolgen

Von der hypothetischen Annahme ganz zu schweigen, die Weltreligionen, die ja theoretische dem Guten im Menschen verpflichtet sein sollten, könnten endlich mal wirklich humanistische Impulse für einen Heilungsprozess geben...

Der aktuelle Hypothesen-Hype macht es jedem schwer, den individuellen Wert eines Denk-Anstoßes zu ermitteln. Uns stehen ja oft verlässliche,  neutrale Quellen gar nicht mehr zur Verfügung. Deshalb  können  wir auch nicht ergründen, ob und wer eigentlich hinter den Kulissen bestimmte Hypothesen im Interesse eigener Wertschöpfung auf den Weg bringt.

Mein Heilmittel gegen durch Hypothesen verursachte Ängste: Selber welche ganz ohne Kopf-Bremse für sich aufstellen!

Meine Hypothese zum Krieg der Russen gegen die Ukraine: Er dauert so lange, wie Putin am Leben ist.
Da er jünger ist als ich, werde ich wohl nicht mehr erleben, ob ich richtig lag,

Meine Hypothese zum Wasserstoff als künftige Energie-Quelle: Es wird so lange an einer lukrativen Herstellung herumgedoktort, bis uns die maroden Kernkraftwerke um die Ohren fliegen. Auch das muss ich nicht mehr unbedingt erleben...

Quod esset demonstrandum
Was zu beweisen wäre

Es gibt ja nicht nur das beängstigend marode Cattonom in Europa
Quelle: pixabay


Freitag, 23. September 2022

Blüten zur Belohnung

Zugegeben: Der Vervielfältigungstrieb meiner einst arglos geretteten Ur-Yukka hat viele Freunde, Nachbarn und auch meine Frau sprichwörtlich auf die Palme gebracht. Dabei ist die Yucca - wie sie botanisch richtig buchstabiert wird - eigentlich gar keine Palme, sondern gehört zur Familien der Spargelgewächse. Dass sie gerne als Palmenlilie bezeichnet wird, ist vermutlich ein Gärtner-Gag.

Wer eine Yucca verschenkt, sollte immer mit Argwohn bedacht werden, weil sich die Fortpflanzungswütige gelegentlich zum Danaer-Geschenk entwickelt. Ich muss meinem mitleidigen Herzen jedoch die alleinige Schuld geben. Ein Freund und Nachbar wollte seine Yucca vor bald einem Jahrzehnt zum Sperrmüll transportieren, weil sie ihm erheblich über den Kopf gewachsen war. Als er sie aus der Haustür trug, brach sie ihm auch noch ab.

So wurde ich zum Agenten der weltweit wuchernden "fünften Kolonne" dieses "Monster-Spargels" nur weil ich die schöne Krone retten wollte. Ich steckte sie in einem gar nicht mal so großen Pflanzkübel, den ich wegen der Stürme am Boden mit Bauschutt beschwerte. Drauf kam eine schon mehrfach verwendete Erde aus Töpfen verwelkter Pflanzen. Der Rest ist Geschichte, die ich ja auch in diesem Blogg schon ein paarmal erzählt habe. Jetzt gibt es aber tatsächlich eine Belohnung für meine jahrelange beschneidende Agenten-Tätigkeit, aus der ich gelernt habe, wie man mit unheimlich wenig Anspruch ein prachtvolles Leben generieren kann.

Die Ur-Yukka und ihr erster großer Trieb blühen nach all der "Hingabe" gerade zum ersten Mal, und das verspricht, dass sie dies ab jetzt mindestens einmal pro Jahr tun, um all ihre Kritiker durch ihren betörenden, an Jasmin erinnernden Duft zu besänftigen...

Fotos: Claus Deutelmoser





































Mittwoch, 21. September 2022

Benzin-Bredouille

AltersgenossInnen erinnern sich vielleicht noch verschwommen and die Zeit, als für die ungetrübte Reiselust nach Italien die sogenannten "Coupons" erworben werden mussten. Wenn ich mich recht besinne, war die Benzinpreis-Differenz wegen der in Italien mit dem Sprit erhobenen KFZ-Steuer so hoch, dass man diesen Ausgleich nicht nur zum Wohle des Tourismus erschaffen hatte.

Quelle: toonpool.com

O tempora o mores! Dass ich nochmal erleben darf, dass das Standard-Benzin in Italien derart viel billiger ist als in Deutschland. Das kann ja nicht allein am Ukraine-Krieg liegen. Hier gestern im Tal lag der Preis für die Sorte E5 bei 1,69 Euro pro Liter, während er gleichzeitig in Deutschland immer noch um die Zwei-Euro-Marke herum dümpelt. Haben die Italiener günstigere "Quellen"? Oder liegt es daran, dass in ein paar Tagen die vorgezogene Wahl stattfindet, bei der nur ein Wunder Italien vor einer neuerlich faschistischen Regierung bewahren kann? Dabei haben die Italiener in der EU doch angeblich immer noch den höchsten Steuer-Anteil  auf den Liter zu berappen.

Es gibt die These, dass sich auch die Höhe der jeweiligen Inflation im Land auf den Benzinpreis niederschlägt. Aber die wäre ja laut "Statista" mit 9.1 Prozent Ende August auch nur geringfügig höher gewesen als die Deutsche mit 8,8.

Nun gut. Vielleicht liegt es ja an der Zahl der See-Häfen und den kürzeren Routen zu den Lieferanten in Arabien. Italien hat 13 See-Häfen am Mittelmeer beziehungsweise an der Adria. Deutschland hat nur zehn, aber mit einer weitaus höheren Umschlags-Kapazität und zudem bedienen die nicht nur ein Meer, sondern neben Ost- und Nordsee eben auch noch den gesamten Nordatlantik.

Götterdämmerung an der Zapfsäule:
Eine Rückkehr zu Preisen von vor der Pandemie wie auf diesem Bild
schließt das Kassandra-Kartell auch ohne Grundlage schon mal aus.
Bald gehen ja auch nachts die Lichter auf unseren Aitobahnen aus?

Quelle: mdr das erste

Allerdings wirkt die von den Medien in Deutschland ausgelöste Verknappungs-Panik nicht so drastisch auf die Gelassenheit der gerne und leidenschaftlich  protestierenden Mitmenschen hier. Da sind die Themen - wie die Statistik beweist - eher ideologisch und dem Anlass bedingt als dem eigenen Wohlergehen. 

Wenn die Inflation allerdings auf die Restaurant-Rechnung schlägt, wird eben vermutlich mehr zuhause gekocht. Die Untergrenze für ein normales Essen zu zweit ist auf über 60 Euro gestiegen. Am deutlichsten ist die Teuerung bei den Preisen für ein typisches 14gängiges ligurisches All-inclusive-Essen nachzuvollziehen: Unsere Lieblings-Trattoria "Maria" in Vessalico hat den Menü-Preis von 35 Euro pro Person im vergangenen Jahr in diesem auf 45 Euro erhöht und berechnet nun zusätzliche Flaschen Wein und Schnäpse... Auch das "Val Prino" in Prela nahe Dolcedo hat den Menüpreis von 28 Euro auf 35 Euro angehoben und bietet auch nicht mehr alles inklusive.

Was das denn bei einer Firmierung als "Agriturismo", der ja den Großteil des Angebotenen aus eigenen Ressourcen bestreiten sollte, mit dem Benzin-Preis zu tun hätte?

Hätte, hätte Lieferkette vielleicht? Oder aber man erwarb - die Deutschen nachahmend, die das hier klaglos hinnehmen - vorab schon mal eine Krisengewinnler-Mentalität auf Kosten der "German Angst".

So wie das Kassandra-Kartell jammert,
müssten auch die Container-Schiffe
bald per Ruderboot entladen werden

Quelle: d.velop.de


Montag, 19. September 2022

Deo für den Oktopus

Aquarell: Claus Deutelmoser
Dieser Hummer ist eine "Hummage" an meine Frau. Wie wir als ganz junges Paar unsere großen Rundreisen im Süden Europas unternahmen, konnte sie mit Fisch und Meeresfrüchten noch überhaupt nichts anfangen. Es oblag also mir, sie ganz behutsam an die zum teil optisch irritierenden Lebewesen aus dem Meer heranzuführen. Das ist mir insofern gut gelungen, dass sie heute mit wenigen Ausnahmen  alles leidenschaftlich verspeist, was uns die geschundenen Gewässer noch zu bieten haben.

Am vergangenen Freitag servierte sie uns den von mir gar nicht mal so geschätzten ligurischen Casareccia-Klassiker "Polpo con Patate". In einer Perfektion, wie ich ihn zuvor noch nie gegessen hatte. Das heißt wohl, dass sie sich jetzt auch als Köchin von solchen Gerichten dem Olymp nähert.

Irgend etwas hat sie gegenüber ihrer bislang recht ordentlichen Variante noch einmal verbessert. Mir jedenfalls ist es noch nie gelungen, den Kraken so geschmeidig weich zu bekommen, obwohl ich es aus Verzweiflung schon einmal mit Tipps aus der Japanischen Internet-Serie "Cooking with Dog" https://www.youtube.com/watch?v=hUfc_3OErYw versucht hatte. Und noch etwas fiel (nicht) auf: Obwohl wir wegen des Sturms alle Fenster schließen mussten, roch es im Haus kaum.

Bei acht "Achselhöhlen"
hätte der Oktopus
einen ganz schönen Bedarf
an einem Deo, das
ihn nicht im Stich ließe
Quelle: crustanova.com

Deshalb witzelte ich, als wir uns an den Tisch setzten. ob sie vielleicht ein Deo für Oktopoden entwickelt habe. Molusken müffeln einfach. Egal ob frisch oder aufgetaut aus dem Tiefkühl-Regal. Wir haben den Purismus für Frische bei denen längst aufgegeben, seit wir die Tiere portionsgerecht (ca.800 g) und geputzt gefroren kaufen. Das setzt uns auch beim Zeitpunkt seiner Zubereitung nicht unter Zugzwang.

Meine Frau hat also mit großer Muße diesmal alle klassischen Zutaten als Hauptgericht  für zwei Personen separat gekocht und schließlich in einer großen flachen Pfanne mit unserem Olivenöl bei kleiner Hitze zusammengeführt:

500 g junge Kartoffeln geschält und gewürfelt in Salzwasser knackig gegart

Den Polpo 45 Minuten mit ein paar Kräutern auf keinen Fall kochen, sondern unterm Siedepunkt bei geschlossenem Deckel simmen lassen, abgießen und dann gleich noch im lauwarmen Zustand würfeln -  dann Deckel wieder drauf. Das minimiert tatsächlich die Geruchsentwicklung

300 g Bohnen  garen, bis sie beim Biss-Test noch leicht quietschen, abgießen und nötigenfalls halbieren

Diese Vorgänge kann man gut zwischendurch vorweg machen, so dass die eigentliche Zubereitung letztlich kaum fünf Minuten dauert:

Alle Würfel und Schnippel dann flach im Olivenöl verteilen. eine Handvoll gehackte Petersilie hinzu geben und mit Salz und frisch gehacktem Peperoncino abschmecken. Das Öl muss so temperiert und bemessen sein, dass das Gericht glasig aber nicht matschig wird und es darf keinesfalls den Siedepunkt oder gar Brathitze erreichen.

Leider waren wir so hungrig, dass unsere Teller
leer waren, bevor ich an ein Foto denken konnte...
Diese insalata von  ilpomodororosso.blogspot
sieht in etwa so aus wie die von meiner Frau.
 Aber ob sie so genial geschmeckt hat?

Ein weiteren Schuss Öl kann ja jeder nach Gusto noch am Tisch drüber geben, da das Gericht auch tiepido  - also lauwarm entzückt. Für meine Frau gehören in jedem Fall vor dem Genuss  ein paar Spritzer Zitrone drüber. Ich bevorzuge hingegen den unverfälschten Geschmack der einzelnen Zutaten. Die Omas hier indes rühren traditionell gerne noch in der Pfanne  zusätzlich ein zwei Esslöffel Pesto genovese unter.

Freitag, 16. September 2022

Inquisition als Wegbereiter für den Faschismus

Am 16. September 1498 starb in Avila Tomás de Torquemada im Alter von 78 Jahren. Der Dominikaner, der von  Isabella und Ferdinand von Kastilien  mit Segen von Papst Sixtus IV. zum ersten Großinquisitor auf der Iberischen Halbinsel wurde, gilt als Chefideologe dieses dunkelsten Kapitels der Kirchengeschichte.
Allerdings gab es da in Deutschland schon seit 1348  Johan Schadland als offiziell von Papst Clemens VI ernannten Großinquisitor. Torquemadas "Instrucciones"  wirken in der Folge aber als "Gesetze der Inquisition" im ganzen "Herrschaftsbereich" der da noch nicht reformierten Kirche. Der Reformator Martin Luther - es wurde ja auch höchste Zeit - erblickte ja erst 1483 das Licht der Welt und bleibt wohl der prominenteste "Überlebende" eines kirchlichen Ketzerverfahrens.

Historiker - je nachdem wie religiös sie beeinflusst sind - tun sich oft schwer mit der Gewichtung  inquisitionärer Einflüsse auf die Entwicklung politischer Strömungen. Inquisitoren werden heute nicht umsonst  als Personen betrachtet, "die im öffentlichen Auftrag Andersdenkende in böser Absicht oder Verblendung verfolgen und dabei von Grausamkeit und Machtmissbrauch geleitet werden" (Will ein Beitrag im Wikipedia wissen), Der heutige Klerus mag zwar interpretieren, Torquemada habe die Willkür der Verurteilungen  mit seinen "Instrucciones" eingeschränkt. Es bleibt aber doch unter seiner Verantwortung die Horror-Bilanz von annährend 15.000 Verteufelten, die direkt oder zumindest - wenn man ihrer nicht habhaft wurde -symbolisch auf dem Scheiterhaufen endeten.

Mussolini und sein gelehriger
Schüler Hitler 1940 in München
Quelle: wikipedia

Die absoluten Strukturen ihrer Weisungen hat die Katholische Kirche zwar immer noch nicht aufgegeben, aber deshalb ist auch fraglich wie lange noch das Brodeln an ihrer Basis wirkungslos bleibt. Die Gläubigen laufen ihr ja schon mit stetig steigenden Zahlen von Austritten davon. Das Schlimme ist, dass ihre als Basis-Denken dienenden Strukturen zur Schaffung von Macht und dem Glauben an Führung durch nur eine einzige Person heute wieder dramatisch an Popularität gewinnen:

Gott - Papst - Inquisition

Führer - Volk - Gleichschaltung des Denkens

Natürlich wurde auch vor Torquemada immer schon  darüber nachgedacht, wie die Welt im Zaum zu halten sei. Niemand aber hat das derart weitreichend zu Pergament gebracht wie dieser gestrenge Gottesmann. Dass er dadurch als Wegbereiter faschistischen Denkens gelten könnte, wäre vermutlich schwer historisch zu belegen, Nicolo Machiavellis Denkweise hat sich zudem ja glücklicher Weise auch nicht durchgesetzt
Ich mein' ja nur!

Als Buch bei Amazon auf Lager
Die Website für Kinder und Jugendliche "helles.köpfchen,de" definiert Faschismus derart einfach und präzise, dass sie so eigentlich  auch von erwachsenen Querdenkern verstanden werden müsste.
Der Faschismus ist eine rechtsradikale politische Bewegung, die die Werte einer Demokratie ablehnt. Die Herrschaftsform des Faschismus ist die Diktatur. In faschistischen Systemen gibt es nur eine Partei, andere Parteien neben ihr sind verboten. Gegner des Faschismus werden in einer solchen Herrschaftsform verfolgt, gefoltert und eingesperrt.

Wer hat's erfunden?
Das Königreich Italien
führte das von Mussolini
den alten Römern geklaute Symbol des
unzerbrechlichen Bündels
von 1927 bis 1929
sogar im Staatswappen...


Mittwoch, 14. September 2022

Reizüberflutung


Was malen wir nur heute?
Gegen die vielfältigen Eindrücke
aus den Spielkonsolen
hat es ein Großvater mit
seinen Bild-Ideen extrem schwer
Je entwickelter das menschliche Hirn desto grenzenloser die Phantasie. Wenn der Herbst kommt und die Nächte immer länger werden, muss ich meinem reizüberfluteten Leben mit ständigen Albträumen Tribut zahlen. In ihnen herrscht jedoch nicht ein "Gott de Gemetzels". Es sind auf die Spitze getriebene Alltags-Situationen eines längst vergangenen Lebens.

Gestern ist meine Enkel eingeschult worden, und ich mache mir Sorgen, wie es ihm einmal mit seiner Vorstellungskraft ergehen wird. Er ist ja jetzt schon mit derart vielen virtuellen Reizen belastet, wie sie frühere Generationen ein Leben lang in Realität nicht zu verarbeiten hatten.

In den Augen meines Schwiegersohnes bringe ich mich als Opa nicht genug ein. Aber wie soll das gehen, wenn die Dinge, die noch bei meinen Kindern zu deren Unterhaltung gut funktionierten, meinen einzigen Enkel im Handumdrehen langweilen? Ich komme einfach nicht an gegen die Flut von Phantasie-Spielzeugen und all der Spannung, die ihm die vielfältigen Erlebnisse in seinen Computer-Konsolen anbieten. Die haben ja längst dem Fernsehen den Rang abgelaufen.
Das hat auch gar nichts damit zu tun, dass er ein Einzelkind ist, denn vor einigen Tagen war die Familie seines Spielkameraden für ein paar Nächte hier zu Besuch. Ich in deren Alter hätte diesen mittelalterlichen  Spielplatz mit seine engen Gassen, den verwunschenen Häusern und den schönen Plätzen als unbegrenzten Abenteuer-Spielplatz genutzt. Aber meine Mutter war auch nicht so ängstlich wie offenbar heute alle Mütter, deren Vorstellungswelt von horrösen Schilderungen in den Nachrichten gefüttert wird. Also saßen die beiden bei herrlichstem Wetter oft lieber dicht vor einem kleinen Multifunktions-Computer und schauten sich im Esszimmer Comics an.

Durch meine vielen Reisen war ich bestimmt kein prägender Vater, aber daheim, hatte ich zumindest bis zu deren Einschulung  in Dreisamkeit sehr intensive Momente mit meinen Kindern. Gemeinsames Malen oder spannende Geschichten von meinen Reisen waren da die Hits, und ich überprüfte regelmäßig, was davon hängen geblieben war. Prägend war da vielleicht leider oder glücklicher Weise, dass mein Sohn seinen ersten richtigen Computer schon im Alter von zehn bekam und meine Tochter in ihren musischen Begabungen sehr zeitig unterstütz wurde. 

Aber zurück zu meinem Enkel: Natürlich hat mich der Vorwurf meines Schwiegersohns betroffen gemacht. Vielleicht scheitere ich als Opa ja daran, dass ich grundsätzlich möchte, dass aus der spielerischen Zweisamkeit ein bildender Nutzen entspringt?

Mein Enkel hat wunderschönes schwarzes Haar, dass ihm beim Essen stets vor dem Mund hängt. Auch kaut er darauf herum, wenn er unter Strom steht, was beinahe im Wachzustand die Regel ist.
Es entspann sich also folgender Dialog:
"Wenn du dann  in der Schule bist, solltest du ein Stirnband tragen wie Klein Adlerauge, damit du besser gucken kannst."
"Wer ist denn Klein Adlerauge?"
Hätte ich ihm jetzt den gesamten Disney-Kosmos erklärt, wäre ich bei dem, der ganze Galaxien mit seinen Superhelden auf diversen Konsolen durchreist vermutlich sofort gescheitert.
"Das ist eine Comic-Figur, die ich gemocht habe, als ich in deinem Alter war. Ein kleiner Indianer-Junge, der viele Abenteuer in der Prärie erlebt. Soll ich dir mal zeigen, wie der aussieht?"
Auweia! Hätte ich nicht sagen müssen: Native American oder indigener Häuptlingssohn? Aber dann wäre es mit der Neugier vermutlich da auch schon wieder vorbei gewesen.
"Wollen wir ihn gemeinsam zeichnen und malen?"

Wer ist denn dieser Klein Adlerauge?
Mickymaus? Donald Duck? Tick,Trick und Trak?
Angesichts des elektronischen Daten-Universums
im Kinderzimmer kommt sich der
Blogger vor wie der debile Franz Gans bei 
seiner Oma Duck: Entsprechend sieht das
erste Gemeinschaftswerk Enkel/Opa dann auch aus
Da war er wieder - der Opa-Ehrgeiz, dem Enkel den Unterschied zwischen Zeichnen und Malen zu vermitteln. Ich stellte einen rückseitig bereits für Skizzen verwendete Mal-Karton und Wachskreide zur Verfügung. 
"Ich zeichne dir vor, wie er in etwa aussieht, und du malst dann die passenden Farben -wie du sie dir vorstellst - dazu."

Es war spannend, welche Farben er auswählte, und als er schnell begriffen hatte, dass man die richtig zugeordnet und mit einer anderen auch noch mit dem Finger zu einer anderen mischen und verschmieren kann, war er Feuer und Flamme. Allerdings erlosch beides schnell, als er merkte, dass so ein flächiges Bild eine gewisse Weile viel Aufmerksamkeit bindet. Als hätte eigentlich er mir einen Teil seiner kostbaren Zeit geopfert, fragte er seine Mutter ungeduldig:

"Mami darf ich jetzt wieder Computer spielen?"

Immerhin entstand so ein erstes gemeinsames Enkel-Opa-Werk, das vor allem beim Opa die Hoffnung weckt, dass dem - sobald der Enkel Geduld und Beharrungsvermögen aus der Schule mitbringt -weitere folgen könnten...
Sein Erstlingswerk unter Opa-Beteiligung lehnt jetzt am Spiegel im Gästezimmer.

Das sagt die übrigens die Wissenschaft zum Begriff  Reizüberflutung:
Das ist in umgangssprachlichem Gebrauch eine Metapher für einen angenommenen Zustand des Körpers, in dem dieser durch die Sinne so viele Reize gleichzeitig aufnimmt, dass sie nicht mehr verarbeitet werden können und beim Betroffenen zu einer psychischen Überforderung führen.



Montag, 12. September 2022

Die Angst vorm Hund

Es ist in ihren Genen: Mias Artgenossen  - die Beaucerons  -
sind verlässliche Hüter und  Beschützer. Da muss
sich auch das im Vergleich winzige Lämmchen
nicht davor fürchten,, einmal als "schwarzes Schaf"
in seiner Herde zu bestehen
Quelle: Easy Dogs Hundeschulen
Meine vierbeinige Freundin Mia ist, seit wir hier sind, zu einer stattlichen Hündin herangewachsen. Der Lebensgefährte meiner Schweizer Freundin ist ein durchtrainierter Mann, der sein Leben lang hart körperlich gearbeitet hat. Wenn er von seinem Garten-Paradies wieder auf die Burg und über die Piazza kommt, hat er sich die lange Hundeleine schon vorsorglich um die Schulter geschlungen. Mia zerrt ihn nämlich unerbittlich zu unserer immer offenen Haustür, weil sie weiß, dass da stets eine Scheibe Salami oder ein anderes Leckerli auf sie wartet. Trotz ihrer beachtlichen Größe ist Mia ein liebenswertes Tier, was sich vor allem bei kleineren Rüden herausstellte, als sie zum ersten Mal läufig war. Mit den Zwergen auf Freiers Pfoten tobte sie den üblichen Reigen, ohne dass es zu Verletzungen kam. Dennoch haben viele Dorfbewohner und vor allem die Touristen oft Angst, wenn sie mal ohne Leine ausgebüchst ist.

Wurde auch nicht eifersüchtig,
als mein Vater aus der
Zweisamkeit ein Trio
machte: Flak, der erste Terrier
in der Familien
Wie die Angst vor Spinnen und Schlangen scheint dass Misstrauen oder der ängstliche Respekt vor Hunden in vielen Menschen tief genetisch verankert zu sein, seit Wolf und Homo Sapiens erstmals aufeinander trafen. Es ist eine Ur-Angst gewissermaßen. Sie ist aber heute mit Geduld und Wandel durch behutsame Annäherung durchaus zu überwinden:

Meine Mutter zum Beispiel hatte als Teenager trotz ihrer mächtigen Körperlichkeit eine schier unüberwindliche Angst  - selbst vor den kleinsten Hunden. Mein Großvater kaufte ihr dennoch einen Airedale-Terrier. Die erste Begegnung der beiden ist immer noch Familien-Legende, obwohl alle Beteiligten längst gestorben sind. Der noch junge Welpe wartete geduldig schwanzwedelnd vor einem Sofa, auf  das meine Mutter gesprungen war und nicht mehr herunter wollte. Sein Hundeleben lang waren die beiden kurze Zeit später  unzertrennlich - selbst als mein Vater ins Leben meiner Mutter trat.

Als unser Papageno - zufällig auch ein Airedale - eher unverhofft in unser Leben stürmte, kam es zwischen ihm und meinem Sohn - beide noch mit Milchzähnen ausgestattet - zu erbitterten und mitunter schmerzhaften Kämpfen um die Rangfolge im Familien-Rudel. "Der Hund muss weg!" schrie er immer wieder. Am Ende seines Hundelebens war es mein Sohn, der Papageno zärtlich durch dessen letzte Stunden half. Auch unsere Haushaltshilfe, die wegen des Hundes schon ihren jahrelangen Job kündigen wollte, wurde durch den fürsorglichen Charme des Rabauken von ihrer beinahe panischen Hundeangst befreit.

Nachdem die Rangfolge im Rudel abgeklärt war
wurde Papageno ein wachsamer und duldsamer Reisebegleiter.
Hier beim "Gassigehen" auf Elba

Wieso ich das alles schreibe? Vielleicht hätten alle, die  bei Wladimir Wladimirowitch  Putin antichambriert haben, einmal besser darüber nachdenken müssen. was das für ein Mensch ist, als er unsere bekanntermaßen unter Hundeangst leidende Bundeskanzlerin bei einem Staatsbesuch beiläufig mit seinem nicht angeleinten, bedrohlich großen Hund konfrontierte. Wer sich einen Hund allein dafür hält, damit andere Angst vor ihm haben oder sein Herrchen nur so respektieren, kann charakterlich nicht wirklich einwandfrei sein...
Nicht umsonst ist ja immer wieder ein Hunde-Führerschein im Gespräch,

Quelle: Deutschlandfunk Kultur



Freitag, 9. September 2022

Das Kassandra-Kartell

Sind wir alle mittlerweile so  informationsdürstend, dass diese Sucht zum allgemeinen Masochismus führt? Der Drang nach Information scheint ein künstlich gesteigerter Bedarf zu sein, der gerade in diesem Jahr - wie ich finde - überproportional und willkürlich bedient wird.

Wenn die Nachrichten-Produzenten aber nicht genug wissen, muss jemand für sie Mutmaßungen anstellen, die sobald sie in den Medien geäußert worden sind, von anderen "Mutmaßern" ins Gegenteil verkehrt werden. Längst rangiert der Grundsatz "Sex sells" an zweiter Stelle hinter der Angst, die täglich lukrativ aufs neue geschürt wird. Diese Angst steigert die Einschaltquoten und Auflagen, und dabei bleibt nicht nur der Wert der Informationen auf der Strecke, sondern nicht selten auch die Wahrheit. Schon Halbwahrheiten sind ja gefährlich.

Quelle: Einfluss

Wenn wochenlang auf Basis nicht abgesicherter Statistiken für den kommenden Winter nicht nur in punkto Heizen und Ernährung schlimmste Horror-Szenarien erzeugt werden, muss sich niemand wundern, dass bereits im Sommer die Energie-Preise "vorsorglich" steigen und Lebensmittel bereits teurer werden, bevor sie geerntet sind. Ja und dann die unterbrochenen und verlangsamten Lieferketten: Hier in Italien sind die Regale der Supermärkte genauso überreichlich gefüllt wie in Deutschland. Wenn sie lückenhaft befüllt oder gar gänzlich leer wären, könnte ich verstehen, wieso die Preise schon für Ware gestiegen ist, die bereits unter besseren Bedingungen produziert worden war...

In Krisenzeiten ist die freie Marktwirtschaft, auf die wir so stolz sind, ein böser Fluch, weil jeder staatliche Eingriff  um sie angemessen zu regulieren  von lautem Protest begleitet wird. Wieso muss die Regierung zu Schutzschirmen, Deckelungen und Gießkannen-Subventionen gezwungen werden, wenn das Verursacher-Prinzip doch so offensichtlich ist.

Denn die Marktlage wird wie von jeher von einer Gruppe Krisengewinnler gesteuert, die sich des - wie ich es nenne - "Kassandra-Kartells" bedient. Um auf diversen Wegen noch mehr Gewinn zu erzielen? Während das Gros der Steuerzahler dann die Wassersuppe auslöffeln muss. um doch am Ende die Zeche der Absahner allein zu bezahlen.

Sie ahnte alles. konnte aber
eigenen Schicksals-Schläge
nicht abwenden: Von Ajax vergewaltigt

und von Klytaimnestra erdolcht,
  endete Kassandra als tragische Heldin
quelle: Nationalmuseum Athen
Ich will nicht tiefer in die Griechische Mythologie der Antike eindringen, aber doch soviel zur Erläuterung meines Begriffes:
Die Priamos-Tochter Kassandra wurde ob ihrer Schönheit vom Gott Apoll mit der Gabe der Weissagung beschenkt, aber - als sie ihm nicht zu Willen war - umgehend derart verflucht, dass fortan niemand mehr ihre Prophezeiungen glaubte.

Zurück in die Gegenwart:
Seit Monaten geben die führenden Institute der Wirtschaftsforschung auf Basis ungesicherter Daten in einer Situation, die es seit sieben Jahrzehnten nicht mehr gab, Prognosen ab. Denen muss die Ampel mit aus ihrer Sicht gesicherten Fakten umgehend widersprechen. So wird sich gegenseitig tagtäglich hoch geschaukelt, ohne dass dieser Antagonismus zu etwas anderem führte, als die Angst der Menschen in diesem, unseren Europa noch zu vergrößern. Derart nämlich, dass sie wieder zunehmend hörig werden für faschistische Parolen.

Da die oft noch jungen Analysten, ähnliche Zustände wie jetzt allenfalls historisch verkürzt in den Geschichtsbüchern nachlesen konnten, ahnen sie nicht, was sie mit dem Beharren auf ihren Weissagungen anrichten könnten. Und selbst noch einigermaßen verlässliche Medien hätten bei einem Umschwung  - angezettelt in den sozialen Medien -  dem dann nichts mehr entgegen zu setzen. 
Wieso also noch Prognosen, wenn sie am Ergebnis doch nichts ändern? Kassandra sagte den Untergang Trojas zwar voraus, aber es überlebte dennoch nicht. Mal sehen, was sie Helden der Wirtschafts-Weissagung so um Weihnachten befürchten werden...

Eigentlich geht es doch immer nur um Geld.
aber mittlerweile beanspruchen die sogenannten
Wirtschaftsweisen einen Einfluss, der weit
über ihre Kompetenzen hinausreicht

Quelle wiwo.de


Mittwoch, 7. September 2022

Als die Frauenbewegung erstmals ihren Kopf verlor

Aubrey Beardsley's
Jugendstil-Plakat zu
Lysistrata

Quelle: wikipedia









Nach meinem Baerbock-Post vom vergangenen Montag ist dieser Beitrag zum heutigen Datum nur logische Konsequenz. Zwar beschäftigte sich schon Aristophanes um 411 vor Christus in seiner Komödie "Lysistrata" damit, was passieren könnte, wenn Frauen sich durch Verweigerung von Sex gegen Krieg und der damit verbundenen Geldverschwendung erheben könnten. Aber sie war eben doch aus dem Blickwinkel des Mannes geschrieben worden. Wie im übrigen auch die Französische Revolution - trotz ihrer Symbol-Frau Marianne - in ihren Manifesten reine Männersache war.
Quelle: pinterest

Das stieß der am 7. September 1748 als "Bastardtochter" des Landedelmanns Jaques Lefranc de Pompignon in Montauban geborenen Marie Gouze  in den postrevolutionären, von der Guillotine blutig geprägten Tagen derart sauer auf, dass sie 1791 ihre Kampfschrift "Die Rechte der Frau" veröffentlichte.
Da hatte sie - der Zeit entsprechend - schon ein typischen Frauen-Dasein hinter sich: Mit 17 zwangsverheiratet, bald verwitwet und erst in dritter Ehe 1768 nach Paris gelangt, war sie quasi noch Analphabetin und sie sprach Aquitanisch, den rauen nordfranzösischen Dialekt. Mit einem kaum vorstellbaren Willen und unbändigem Fleiß erfand sich die Aufklärerin in einer Qualität neu, die sie befähigte bereits 1784 unter dem neuen Namen "Olympe de Gouges" ihr erstes Theaterstück auf die Bühne zu bringen.

Olympe de Gouges auf
einem Pastell von
Alexander Kucharski

Ihre erste Version von  der "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" könnte auch heute noch als Grundsatzpapier der Frauenbefreiung gelten. Das passte dem Robespierre-Terror natürlich gar nicht, zumal die Streitbare und Unbeugsame ihn auch öffentlich an den Pranger stellte. Zwei Jahre nach ihrer "Déclaration" wird sie verhaftet, und um sie zu brechen, durch verschiedene Kerker der jungen Republik geschleift. Am 3, November 1793 starb sie unter dem Fallbeil.

Tuschzeichnung von Lavis de:Matteis
von 1793
Alle Zeitdokumente
aus wikipedia
In der Urteilsbegründung spielten natürlich andere konterrevolutionäre Ansichten wie ihr Girondismus und die Treue zur Monarchie eine vorrangige Rolle. Aber ihr Einsatz für die Rechte der Frauen wurde so zudem als eine unerwünschte Einmischung in die "den Männern vorbehaltene Politik" gebrandmarkt.

Robespierre starb übrigens im Jahr darauf bei einer Schau-Hinrichtung - ganz sicher nicht "einträchtig" -auf  der "Place de la Concorde".

Als Frauenrechtlerin geriet Olympe de Gouges in den beiden folgenden Jahrhunderten durch ein verstärktes Interesse an Suffragetten und weiblichen Politikerinnen bei verbesserter Nachrichtenlage vor allen Dingen in Frankreich und England beinahe in Vergessenheit.
Dass Rosa Luxemburg ein vergleichbares Schicksal erlitt, brachte sie zumindest bei HistorikerInnen der Gegenwart wieder auf den Schirm.

Übrigens gab es bis in die 1990er auch im BGB Deutschlands immer noch Passagen, die Frauen eindeutig benachteiligten...

Rosa Luxemburg
Quelle: LEMO


Montag, 5. September 2022

Schneewittchen, Hexe, Weltpolitikerin

Im gendergerechten Heute traut sich das ja kaum einer noch zu sagen: Sie ist nicht nur die schönste Außenministerin der Neuzeit, sondern wird vermutlich als Weltpolitikerin von Rang in die Geschichte eingehen. Das hätten Macho-Politiker, die sie während ihres Aufstiegs bei den Grünen gar als "Schneewittchen" verunglimpften, sich vermutlich genauso wenig vorstellen können wie sie selbst. 

Keiner ihrer historisch wichtigen. männlichen Vorgänger in diesem Amt hatte jedoch eine derartige Feuertaufe zu bestehen wie Annalena Baerbock. Nobelpreisträger Gustav Stresemann musste hinter dem untergegangenen Kaiserreich aufräumen sowie Deutschland mit Frankreich versöhnen, was ihm der liberale Aristide Briand bei gegenseitiger Sympathie auch leicht machte. Außenamts-Weltrekordler Hans-Dietrich Genscher fiel die Wiedervereinigung quasi von "Gorbis" Gnaden in den Schoß. 

Keinen Monat im Amt mutierte die neue Deutsche Außenministerin zur Weltbotschafterin der "Zeitenwende" und musste sich von den bisweilen sympathisch naiven Grundsätzen grüner Politik genauso wie Amtskollegen aus eigenen Reihen empfindlich schnell verabschieden. Aber ihr gelang die Überraschung.

Traut sich was: Obwohl ihre  diesbezüglichen Kenntnisse
im eigenen Land angezweifelt werden,
hält Baerbock ihre Reden vor den UN
in Englisch, und die Welt versteht sie...
Quelle: zeit.online
Die auch mutig in fremden Sprachen, die sie nicht perfekt beherrscht, referierende Politikerin kann harte Kante in Klartext geben. Jedenfalls ist sie nicht Schneewittchen bei den sieben Zwergen, sondern eine respektierte Kollegin in den Ministerrunden der G7, weil sie sich traut. Nie zuvor waren die Aktionen des Deutschen Außenministeriums so nah am Auslösen eines atomaren Angriffs. Dass die Grünen in Umfragen auf dem Weg zur stärksten Partei der Bundesrepublik sind, verdanken sie nicht zuletzt des agilen Auftretens ihrer ehemaligen Partei-Chefin.

Dagegen muss doch etwas unternommen werden: schön, eloquent, mutig und auch im Ausland anerkannt? Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Im 15. Jahrhundert wäre das auch ohne Inquisition genügend Grund gewesen, auf dem Scheiterhaufen zu enden. Heute versuchen Gegner die Verunglimpfung viel anonymer  mit elektronischen Mätzchen im Netz: Aus dem Zusammenhang gegriffene und verkürzte Video-Zitate befruchtet von Russischen "Trollen" machen gerade die Runde, und die Opposition ist sich nicht zu blöde, sie ungeprüft als wahr zu zitieren. Das hat selbst das Springer-Schlachtschiff  "Die Welt" getan. Die laue Richtigstellung ohne Schlagzeile ist dann einfach untergegangen. So geht Infamie heute

Wohl eher Jeanne D'Arc als 
Schneewittchen: Annalena in Kampfkleidung
an der Front im Ukraine-Krieg.
Das Outfit hilft vielleicht auch gegen die immer
wieder losbrechenden Shitstorms, an denen
sich 2021 sogar noch renommierte
Magazine beteiligt haben.
Quelle: weltwoche.de

Mir stellt sich gerade jetzt - im Angesicht narrativer Lügen - die Frage: Wer hätte tatsächlich etwas davon, die aktuelle Deutsche Außenpolitik zu diskreditieren. Freunde des Vaterlandes - wie sie sich gerne selbst sehen - tun so etwas nicht. Um nicht falsch verstanden zu werden: Opposition ist für jede Demokratie eminent wichtig. Aber in "trumpscher" Manier zu versuchen, das eigene Land in der Krise mit solchen Aktionen zusätzlich zu schwächen, müsste als Kapitalverbrechen verfolgt und schneller abgeurteilt werden, als das zur Zeit beim größten Bündnispartner nach dem Sturm aufs Capitol und der Akten-Unterschlagung von Ma-a-Lago der Fall ist.

Entweder die Bundesnetzagentur erhält entsprechend erweiterte Aufgaben oder zur Absicherung unserer Demokratie bekommt das Land eine strafverfolgende Institution mit direktem Zugriff. Ansonsten: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht..."

Passender Lesestoff bei amazon


Donnerstag, 1. September 2022

Wer zu früh stirbt, verpasst so einiges




















Gorbatchows Tod hat so einiges an Erinnerungen in mir geweckt, denn nicht nur die Welt war Ende der 1980er an einem kaum glaublichen Wendepunkt angelangt. Kurz vor meinem 40. Geburtstag musste auch ich mich für ein neues Lebenskonzept als Unternehmer entscheiden: Die Verantwortung für ein Dutzend eigene Mitarbeiter übernehmen, Büroräume anmieten und eine halbwegs erfüllbare längerfristige Geschäftsplanung auf die Beine stellen.

Bei Perestrojka und Glasnost war ich zwar auf dem Laufenden, aber ich konnte mir den Cowboy-Präsidenten einfach nicht als Weltenretter vorstellen. Aber dann überrollten mich die Ereignisse aus allen Himmelsrichtungen.

Das Porträt meines Vaters habe ich ein Dreivierteljahr vor seinem Tod mit Öl auf Leinwand gemalt. Ich muss da einem geheimen, inneren Antrieb gefolgt sein, denn ich habe mich beim Malen äußerst selten an so schwierige Dinge heran gewagt. 
An seinem Krankenbett im darauf folgenden Herbst hatten wir ein denkwürdiges Gespräch, das vom Mittag bis in die Nacht dauerte. Nie zuvor in unserem gemeinsamen Leben waren wir einander so nahe gewesen. Vielleicht wollte ich deshalb so eine Art Halo-Effekt an ihm sehen, der versprach, dass er sich noch einmal völlig erholt. Er starb im Januar 1988. Heute wäre der 125. Tag seiner Geburt.
Der "Gorbi" vermutlich fälschlicher Weise zugeschriebene Sinnspruch vom zu spät Kommen, welches vom Leben bestraft wird, erfuhr beim Regierungsdirektor Werner Deutelmoser leider eine tragische Umkehr.
Ich hätte ihm, dem leidenschaftlichen Berliner, gegönnt den Fall der Mauer, die Wiedervereinigung (an die er nicht mehr glaubte) sowie den neuerlich Hauptstadt-Status seine Geburtsstadt noch mit zu erleben. Aber so ist Geschichte; vielleicht mitunter aber auch ganz gut so...