Donnerstag, 1. September 2022

Wer zu früh stirbt, verpasst so einiges




















Gorbatchows Tod hat so einiges an Erinnerungen in mir geweckt, denn nicht nur die Welt war Ende der 1980er an einem kaum glaublichen Wendepunkt angelangt. Kurz vor meinem 40. Geburtstag musste auch ich mich für ein neues Lebenskonzept als Unternehmer entscheiden: Die Verantwortung für ein Dutzend eigene Mitarbeiter übernehmen, Büroräume anmieten und eine halbwegs erfüllbare längerfristige Geschäftsplanung auf die Beine stellen.

Bei Perestrojka und Glasnost war ich zwar auf dem Laufenden, aber ich konnte mir den Cowboy-Präsidenten einfach nicht als Weltenretter vorstellen. Aber dann überrollten mich die Ereignisse aus allen Himmelsrichtungen.

Das Porträt meines Vaters habe ich ein Dreivierteljahr vor seinem Tod mit Öl auf Leinwand gemalt. Ich muss da einem geheimen, inneren Antrieb gefolgt sein, denn ich habe mich beim Malen äußerst selten an so schwierige Dinge heran gewagt. 
An seinem Krankenbett im darauf folgenden Herbst hatten wir ein denkwürdiges Gespräch, das vom Mittag bis in die Nacht dauerte. Nie zuvor in unserem gemeinsamen Leben waren wir einander so nahe gewesen. Vielleicht wollte ich deshalb so eine Art Halo-Effekt an ihm sehen, der versprach, dass er sich noch einmal völlig erholt. Er starb im Januar 1988. Heute wäre der 125. Tag seiner Geburt.
Der "Gorbi" vermutlich fälschlicher Weise zugeschriebene Sinnspruch vom zu spät Kommen, welches vom Leben bestraft wird, erfuhr beim Regierungsdirektor Werner Deutelmoser leider eine tragische Umkehr.
Ich hätte ihm, dem leidenschaftlichen Berliner, gegönnt den Fall der Mauer, die Wiedervereinigung (an die er nicht mehr glaubte) sowie den neuerlich Hauptstadt-Status seine Geburtsstadt noch mit zu erleben. Aber so ist Geschichte; vielleicht mitunter aber auch ganz gut so...

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