Montag, 31. August 2020

Es droht erneut ein heißer Herbst

Unsere Piazza liegt nun fast den ganzen Tag im Schatten, und auch von den Temperaturen her hat der Herbst hier früher begonnen als sonst. Doch meine herbstliche Depression rührt allein vom vergangenen Wochenende in Berlin her.

Der Blick auf diese Vorkommnisse von einem Land aus, das auch wieder vom Neofaschismus bedroht ist, lässt mich zusätzlich frösteln, obwohl ich ja ansonsten mit Kälte gut umgehen kann.

Für all die Vollidioten, die mir der Reichs-Kriegs-Flagge unter dem Gebrüll "wir sind das Volk" den Reichstag stürmen wollten und sich dazu noch stolz in schwarzen T-Shirts samt Runen-Beschriftung gebrüstet haben:

Ach, da wurde sie ja auch schon wieder gezeigt:
Die Kriegsflagge des untergegangenen Kaiser-Reiches;
 Nur in Jahr nach Ende des ersten Weltenbrandes
- 1919 beim Kapp-Putsch


Welche Geschichtsklitterung lässt euch glauben, dass ein Kaiser oder eine erneute Nazi-Diktatur eure verirrten Träume von einem besseren Leben realisieren könnten? Außer den Altbürgern der untergegangenen DDR hat doch kaum ein "Reichsbürger" noch Unterdrückung erlebt. Dass ihr mit dem Blödsinn demonstrieren dürft, verdankt ihr allein der geschützten Meinungsfreiheit in unserer Demokratie. 1919 wärt ihr doch noch von links oder rechts einfach über den Haufen geballert worden. Wollt ihr das tatsächlich wieder. Und wisst ihr überhaupt noch etwas vom "Heißen Herbst" des von der Stasi unterstützten Terrors im Jahre 1977?

Lest diese Zeittafel - ihr Fehlgeleiteten! Dann erkennt ihr vielleicht endlich, dass manche "Deutschen Reiche" auch ein extrem kurzes Verfallsdatum hatten.
Das sogenannte "Tausendjährige", das euch wohl zu früh geendet hat, währte gerade mal 12 Jahre...

Und jetzt rechnet nach - wenn ihr das überhaupt könnt: Die Bundesrepublik Deutschland, die ihr so anzweifelt, besteht nun seit 71 Jahren. Noch nie hatte eine Deutsche Staatsform ohne kriegerische Auseinandersetzungen derart langen, friedlichen Bestand. Denkt nach, ehe ihr Verschwörungs-Theoretikern und Populisten auf den Leim geht!


Zeittafel: Deutsche Geschichte (konventionell/traditionell…)

742-814Karl der Große [=Charlemagne]: "Römischer und römisch-deutscher Kaiser" bringt das "fränkische Reich" zu seiner größten Ausdehnung; 800 wird er in Rom zum "römischen Kaiser" gekrönt.
843Teilung des Fränkischen Reiches entlang des Rheins, in Ostfranken und Westfranken. Aus Westfranken wird Frankreich; aus Ostfranken wird das "Heilige römische Reich deutscher Nation".
962-1806"Heiliges römisches Reich deutscher Nation". Otto I wird 962 zum ersten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches; Franz II gibt 1806 den Titel auf, der völlig bedeutungslos geworden ist.
1096-1270Die Kreuzzüge, in denen das Heilige römische Reich eine große Rolle spielte.
1122Wormser Konkordat: ein Kompromiss zwischen dem deutschen Kaiser und dem Papst darüber, wie Bischöfe eingesetzt werden.
1152-1190Friedrich I Barbarossa: deutscher Kaiser, viele Konflikte mit den Päpsten; ertrank 1190 beim dritten Kreuzzug in Kleinasien.
1212-1250
 
Friedrich II: Enkel von Friedrich Barbarossa. Nach seinem Tod verloren die deutschen Kaiser endgültig den Machtkampf mit den Päpsten, und das Kaiserreich zerfiel [=fell apart]/zersplitterte [=split into fragments] zunehmend in kleinere Königreiche und weltliche und geistliche Fürstentümer.
1226-1283Der deutsche Orden (ein geistlicher Ritterorden [=religious order of knights]) erobert Preußen. Bis zu seiner Niederlage 1410 gegen Polen-Litauen dehnte der deutsche Orden das deutsche Reich weiter nach Osten aus.
1500-1558Karl V: der letzte mächtige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches; kämpfte gegen Luther und die Reformation. Für ihn war Deutschland nur ein Nebenland seines burgundisch/spanischen Weltreichs.
1517Martin Luthers (1483-1546) 95 Thesen gegen den Ablass [=indulgences sold (often corruptly) by the church to shorten sinners' time in Purgatory].
1534Luther beendet seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche.
1555Der Augsburger Religionsfriede: Karl V. verliert den Kampf gegen den Protestantismus, und muss den deutschen Fürsten erlauben, für ihre Gebiete zwischen Protestantismus und Katholizismus zu entscheiden. Die meisten Deutschen wählen den Protestantismus, zum Teil als Reaktion auf die Ausnutzung [=exploitation] der Deutschen durch die römische Kirche.
1618-1648Der Dreißigjährige Krieg. Der Krieg begann als Glaubenskrieg und endete als Machtkampf zwischen den katholischen Habsburger Kaisern (die Spanien, Österreich, Böhmen, große Teile von Italien und die südlichen Niederlande kontrollierten, und mit Hilfe der katholischen deutschen Fürsten um ihre traditionelle Macht in Deutschland kämpften) und den protestantischen Franzosen und Schweden (mit Hilfe der protestantischen deutschen Fürsten). Resultate des Krieges:
  • Religionsfreiheit
  • Zerstörung und Verarmung der deutschen Länder
  • Frankreich wird das mächtigste Land in Europa
  • Das Heilige Römische Reich wird eine bedeutungslose Formalität
1683-1714In den Kriegen gegen die Türken und im spanischen Erbfolgekrieg wird Österreich zur europäischen Großmacht.
1756-1763Der Siebenjährige Krieg. Preußen unter Friedrich dem Großen (1712-1786) wird zur europäischen Großmacht, und gewinnt ab jetzt zunehmend den Kampf gegen Österreich um Macht und Einfluss in Deutschland.
1772-1795Die drei Teilungen Polens. Preußen, Österreich und Russland teilen Polen unter sich auf.
1789Die französische Revolution, gegen die Preußen und Österreich energisch kämpfen. 
18152. Pariser Frieden nach der Niederlage Napoleons. Mit dem Kampf gegen die französische Revolution und dann gegen Napoleon endet das Heilige Römische Reich offiziell, und zugleich beginnt das Ende der deutschen Kleinstaaten. Es gibt nun einen losen [=loose] "Deutschen Bund" mit einem Bundestag in Frankfurt (dessen Präsident von Österreich bestimmt wurde), der aber wenig Macht hat. Preußen und Österreich unterdrücken erfolgreich die sich formenden demokratischen Bestrebungen.
1848 Märzrevolution. In Österreich wird der Konservative Minister Graf Metternich entlassen, und im deutschen Bund wird eine liberale Nationalversammlung [=national assembly] demokratisch gewählt, aber Österreich und Preußen verhindern die Reformen
1861Wilhelm I wird König von Preußen, und ernennt 1862 Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten.
1866Bismarck erklärt den Deutschen Bund für erloschen [=extinguished, expired] und Preußen gewinnt den daraus resultierenden Krieg mit Österreich in der Schlacht bei Königgrätz, und damit die effektive Kontrolle über die deutschen Länder im neuen "Norddeutschen Bund".
1870-1Deutsch-Französischer Krieg. Dabei passiert folgendes:
  • 10.12.1870: der Norddeutsche Bund wird zum "Deutschen Reich"
  • 18.1.1871: Wilhelm I wird zum deutschen Kaiser proklamiert
  • Im Frankfurter Frieden geht Elsass-Lothringen an das Deutsche Reich
  • Das deutsche Reich ist offiziell eine konstitutionale Monarchie mit einem demokratisch gewählten Parlament, aber die Macht haben der Kaiser und der von ihm ernannte Reichskanzler
1875Gründung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) aus dem Zusammenschluss der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein.
1878Bismarcks "Sozialistengesetz" verbietet (nach zwei Attentatsversuchen [=attempted assassinations] gegen Kaiser Wilhelm) alle sozialistischen und kommunistischen Vereine, aber nicht die SPD. Das Gesetz wurde bis 1890 verlängert, ohne zu verhindern, dass die SPD immer mächtiger wurde.
1883/1889Bismarck begründet die Sozialversicherung. Das erleichtert aber kaum die Spannung zwischen seiner konservativen Regierung und der Arbeiterklasse.
1888Dreikaiserjahr: Wilhelm I und sein Nachfolger Friedrich III sterben im gleichen Jahr. Der 29 Jahre alte Wilhelm II wird Kaiser.
1890Wilhelm II entlässt Bismarck und beginnt seine imperialistische Politik
1904, 1907England, Frankreich und Russland formen eine "Entente" gegen den "Dreibund" von Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien.
1914-1918Erster Weltkrieg, ausgelöst von der Ermordung des österreichisch-ungarischen Erzherzogs Franz Ferdinand in Sarajevo. Im Vertrag von Versailles verliert Deutschland seine Kolonien, sowie Elsass-Lothringen an Frankreich und Posen und den "polnischen Korridor" an Polen; Deutschland muss erhebliche Reparationen zahlen, und das Rheinland demilitarisieren. (Immer noch ein großzügigerer [=more generous] Friedensvertrag als der Frieden von Brest-Litovsk, den Deutschland im März 1918 mit Russland geschlossen hatte. Russland sollte viel Land an Deutschland abgeben, die Unabhängikeit Polens, Georgiens und der Ukraine anerkennen, und erhebliche Reparationen an Deutschland zahlen.)
9.11.1918Die Novemberrevolution setzt Kaiser Wilhelm ab, ohne nennenswerten Widerstand des Militärs, das erkannt hatte, dass der Krieg verloren war, und wusste, dass die Entente nur mit einer demokratischen Regierung verhandeln [=negotiate] wollte. Am 11.11.1918 endet der Krieg. Den Machtkampf zwischen gemäßigten [=moderate] und linksradikalen Kräften gewinnen relativ leicht die gemäßigten Kräfte, durch die Unterstützung des Militärs.
15.1.1919Soldaten des Freikorps (Berliner Truppen, die aus ehemaligen Frontsoldaten bestehen) entführen die Führer der Ende 1918 gegründeten KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, und ermorden sie brutal. Sie werden dafür später vor Gericht freigesprochen. Diese Morde und die Ereignisse der Novemberrevolution begründen das verhängnisvolle Misstrauen der radikalen und gemäßigten Linken zueinander in der Weimarer Republik.
1919-1933Die Weimarer Republik: Deutschlands erste demokratische Verfassung.
1919-1923"Die Krisenjahre": Inflation, Putschversuche [=attempted coups]. Auch Hitler versucht 1923 einen Putsch, bleibt aber nur acht Monate im Gefängnis, wo er Mein Kampf schreibt.
1922-1929"Die goldenen zwanziger Jahre": es geht der Weimarer Republik relativ gut.
1930-1933Weltwirtschaftskrise. Arbeitslosigkeit und politisches Chaos in Deutschland.
30.1.1933Adolf Hitler wird auf demokratischem Weg Reichskanzler. Seine Partei, die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ==> der Name "Nazi") ist die größte Partei im Parlament, hat aber nur 33% der Sitze. Die Verfassung wird aufgehoben [=the constitution is suspended], und die Nazis begründen ihre totalitäre Macht.
1933Gründung der ersten Konzentrationslager z.B. in Dachau: erst für politische Gegner (Kommunisten, Sozialisten), und ab 1935 immer mehr für Juden, Zigeuner [=gypsies] und Homosexuelle. 1937 Buchenwald, nach 1939 Bergen-Belsen, Auschwitz, Maidanek, Theresienstadt. Im März 1944 gab es 20 Konzentrationslager.
15.9.1935Mit den "Nürnberger Gesetzen" beginnen die Nazis offiziell ihr antisemitisches Programm. Die Juden verlieren die bürgerliche Gleichberechtigung; "Mischehen" von Juden und Nicht-Juden werden verboten. Jedes Jahr werden diese Gesetze extremer.
1936Olympische Spiele in Berlin. Jesse Owens gewinnt entgegen Hitlers rassistischen Theorien 4 Goldmedallien.
März 1938"Anschluß" von Österreich an Hitlers Deutschland.
9./10.11.1938Reichskristallnacht: organisierte Pogrome gegen jüdische Synagogen, Geschäfte und Familien in ganz Deutschland. 
1939-19452. Weltkrieg. Beginnt am 1.9.1939 mit Hitlers Angriff auf Polen.
ab 1941Die "Endlösung der Judenfrage": 6 Millionen Juden werden systematisch in Konzentrationslagern und Vernichtungslagern getötet. Offiziell wird das geheim gehalten, aber alle Deutschen können sich denken, was passiert.
1942-3Die "Weiße Rose": Widerstandsbewegung von Studenten an der Universität München.
1944Mißlungenes Attentat auf Hitler von Graf Stauffenberg. Etwa 4000 Verschwörer werden getötet.
30.4.1945Selbstmord von Hitler (und Eva Braun).
8.5.1945Bedingungslose [=unconditional] Kapitulation Deutschlands; Ende des Dritten Reiches. Teilung Deutschlands und Österreichs (und Berlins und Wiens) in vier Besatzungszonen.
1945-6Nürnberger Prozesse gegen 24 Nazi-Kriegsverbrecher; es gibt einige Todesurteile.
1948-1949Berliner Luftbrücke: Die sowjetische Blockade Berlins aus Protest gegen den Marshall-Plan beginnt am 18.6.1948. Die Luftbrücke wird 4 Tage später beschlossen und endet am 30.9.1949, nach dem Ende der Blockade am 12.5.1949.
1949Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR): effektive Teilung Deutschlands.
1949-1963Konrad Adenauer (CDU) ist der erste deutsche Bundeskanzler, ursprünglich mit nur einer Stimmer Mehrheit im Bundestag. Unter seiner Regierung beginnt mit Hilfe des Marshall-Plans das "Wirtschaftswunder". 
1951Die BRD ist mit Frankreich, Italien und den Beneluxländern Gründungsmitglied der Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl), der ersten Institution auf dem Weg zur EU. 1957 gründen diese sechs Länder die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und EURATOM. 1967 werden diese drei Institutionen zur Europäischen Gemeinschaft fusioniert, aus der 1993 die Europäische Union wird.
17.6.1953Volksaufstand in der DDR gegen erhöhte Arbeitsnormen bei weniger Lohn. Sowjetische Truppen schlagen den Aufstand nieder. 
1955Die BRD tritt der NATO bei.
12-13.8.1961Die DDR beginnt den Bau der Berliner Mauer.
22.1.1963Adenauer und de Gaulle unterzeichnen in Paris den Vertrag über deutsch-französische Zusammenarbeit.
26.6.1963Kennedys berühmte Rede vor dem Rathaus Schöneberg in Berlin ("Ich bin ein Berliner"). 
1970Die "Ostverträge". In Verträgen mit der UdSSR und Polen erkennt die BRD die neuen Grenzen von 1945 offiziell an. Bundeskanzler Willy Brandt erhält dafür 1971 den Friedensnobelpreis, aber in der BRD sind die Verträge kontrovers. 
1971-1989Erich Honecker ist Staats- und Parteichef der DDR und der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)
21.12.1972Der "Grundlagenvertrag" regelt die Beziehungen zwischen BRD und DDR.
1974-1982Bundeskanzler Helmut Schmidt
1974-1992Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher
1981-1989"Friedensgebete" von oppositionellen Gruppen in der DDR, an denen auch Nichtchristen teilnehmen. Die Friedensgebete beginnen 1981, werden 1985 wiederbelebt, und beginnen ab März 1988 zu gelegentlichen Demonstrationen gegen die SED-Regierung zu führen.
1982-1998Bundeskanzler Helmut Kohl
1985-1991Michail Gorbatschow Staatschef der Sovietunion
4.9.1989Nach einem "Friedensgebet" in der Nikolaikirche in Leipzig finden sich 1.000 Menschen zur ersten "Montagsdemo" in Leipzig zusammen, die danach jeden Montag stattfinden. Trotz brutaler Polizeiaktionen sind es am 25.9. schon 8.000 Menschen, am 9. Oktober sind es 70.000, unter dem Motto "Wir sind das Volk", und die Polizei tut michts mehr dagegen. Nach dem Fall der Mauer wird aus diesem Motto das Motto der Wiedervereinigung: "Wir sind ein Volk". Am 16. Oktober sind es 120.000 Demonstranten, am 23. Oktober 300.000. Honecker tritt zurück. Am 4. November sind es zwischen 500.000 und 1.000.000 Demonstranten. 
11.9.1989Ungarn öffnet seine Grenzen nach Österreich. Tausende von DDR-Bürgern fliehen auf diesem Weg in den Westen.
30.9.1989Mehr als 3.000 DDR-Bürger, die in die BRD-Botschaften in Warschau und Prag geflüchtet waren, dürfen in die BRD ausreisen. Die Fahrt des geschlossenen Zuges durch die DDR wird zu einem großen Ereignis.
18.10.1989SED-Chef Erich Honecker tritt zurück
9.11.1989Öffnung der Berliner Mauer durch ein Missverständnis in der DDR Bürokratie. Neue Grenzübergänge werden geschaffen; innerhalb von vier Tagen besuchen ca. 4 Mio. DDR-Bürger nur mit ihrem Personalausweis West-Berlin bzw. die Bundesrepublik. Jeder bekommt die bei einem Westbesuch traditionellen DM 100 "Begrüßungsgeld", und viele machen damit einen Einkaufsbummel. Nur 20.000 von ihnen wollen dauerhaft in die BRD übersiedeln.
8.2.1990Offizielle Auflösung der Stasi (Ministerium für Staatssicherheit, die "Geheimpolizei" der DDR)
18.3.1990Erste freie Wahlen in der DDR. Lothar de Maizière (CDU) wird Ministerpräsident.
1.7.1990Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von BRD und DDR => Die DM ersetzt die DDR-Mark.
3.10.1990Die DDR tritt der BRD bei. Es gibt nun 16 Bundesländer: 5 "neue" und 11 "alte". Neue Hauptstadt ist Berlin.
1991-1993Ausländerfeindliche Gewalt nimmt immer mehr zu. Besonders brutale Vorfälle ereignen sich in Hoyerswerda (1991), Rostock, Solingen und Mölln (1992). Es gibt aber auch Demonstrationen gegen rechte Gewalt: bis zu 450.000 Menschen formen in verschiedenen Städten Lichterketten.
1998Helmut Kohl verliert die Wahl gegen Gerhard Schröder. Hauptgrund ist die anhaltende Rekordarbeitslosigkeit von über 4 Millionen Menschen--eine Quote von etwa 10% in den alten, und etwa 20% in den neuen Bundesländern.

Quelle: https://www.lsa.umich.edu/german/hmr/konversation/zeittafel.html
 

Freitag, 28. August 2020

L - Die Lautlose

Wieder einmal kanibalisiere ich einen Film-Titel für meine Überschrift:
"L - Der Lautlose" (The Liquidator) ist ein Film aus dem Jahr 1965. Ein Killer-Klamauk mit Rod Taylor, Trevor Howard und Jill St. John in den Hauptrollen. Der spielt bezeichnender Weise an der Cote d'Azur .

- "L - Die Lautlose" jedoch steht für die schleichende Angst, die mich befällt, wenn ich mir die täglichen Corona-Fallzahlen jenseits der nur eine halbe Autostunde entfernten Grenze zu Frankreich anschaue. Liegt das wirklich nur an der Urlaubszeit und vermehrten Tests, dass die Küste dort einschließlich Marseille als Risiko-Zone eingestuft wurde? Oder rollt von dort - wie wohl auch in Deutschland - die zweite Pandemie-Welle heran?

Noch sind die Fallzahlen hier wie in ganz Italien niedriger. Aber den Einheimischen um uns herum sitzt die Angst vor einem totalen Lockdown noch immer tief in der Seele. Die zehn Wochen dauernde, absolute Quarantäne wurde ja gerade erst vor nun etwas mehr als zwei Monaten aufgehoben. Ministerpräsident Giuseppe Conte hat zwar vor ein paar Tagen noch eine zweite, so drastische Maßnahme ausgeschlossen. Aber das muss er ja auch, denn Italien geriete bei einer erneuten derartigen Belastung von Wirtschaft und Gesellschaft in einen Zustand, aus dem es nicht mehr zu retten oder gar noch zu regieren wäre...

La paura della seconda onda corona wäre im Borgo wegen der gegebenen Isolation und der derzeit noch vorbildlichen Disziplin eventuell ganz gut zu verkraften. Hier oben gab es zwar auch eine alte Dame, die mit Corona starb, doch sogar die betagte Seelensammlerin mit ihrer ungeliebten Schwester haben die Infektion gemeinsam im Altersheim überlebt.

Bereits jetzt, da noch einige Teilzeit-Residenten hier sind, legt sich diese  nur vom Glockenklang unterbrochene nächtliche Stille schwer aufs Gemüt. Ein regelmäßiges Schlaf-Loch wie das, welches sich meiner immer so zwischen drei und vier Uhr bemächtigt, führt jetzt mit Grübeleien von Hundertsten ins Tausendste. Und im Ohr habe ich dabei nur das unregelmäßige Pochen.meines Herzens.

Ich muss dann auf die Terrasse, und in aller Stille den Nachthimmel betrachten, damit ich wieder ge"Erdet" bin:
















Was wird, steht aber auch nicht in den Sternen. Entlang unserer möglichen Rückreise-Routen steigen die Fallzahlen eben. Wir haben unser erstes, potenzielles "Flucht-Datum" nach dem Ende der bayerischen Schulferien ins Auge gefasst. Aber eigentlich wollen wir doch lieber erst am 31. Oktober zurück. 

Was, wenn Italien zwar offen bleibt, aber Frankreich und die Schweiz dicht machen? Und bleiben die Österreicher bei den verschärften Test-Maßnahmen? Söders vorgepreschten Zwangstests scheinen ja wohl vom Tisch zu sein. Aber wären wir im Ernstfall überhaupt in der Lage, bei verschärften Quarantäne-Auflagen auf der Burg zu überwintern? Im Prinzip ja; aber mit einigen Risiken für unsere Gesundheit. Ohne den Nachschub an den speziellen Medikamenten sowie den Verzicht auf die Quartals-Routine bei unseren Ärzten gerieten wir wohl noch weiter hinein in die Risiko-Gruppe. Da wird mir auch ganz schwummrig, wenn ich an die Krankenhaus-Situation hier denke.

Im Gegensatz zu München, wo wir an den heißen Frühlingstagen heuer keine passende Kleidung mehr hatten, wären wir hier gut ausgestattet. Ein wenig aus der Mode zwar, aber immerhin auch winterfest und warm. Der Kamin oben im Wohnzimmer, den wir in den letzten Jahre nicht mehr benutzt haben, müsste zur Reduzierung der Heizkosten wieder in Betrieb genommen und Holz eingekauft werden. Der mannshohe Kühlschrank reicht für mindesten vierzehn Tage, und das nachbarschaftliche Einkaufen, wenn wirklich mal was fehlt, funktioniert ja sogar aktuell in der noch immer anhaltenden Hitze.

Bliebe nur eine Sache, die am schwersten zu verkraften wäre. Die Familie haben wir in den vergangenen acht Monaten nur einmal leibhaftig gesehen. Das Video-Conferencing ersetzt eben nicht annähernd, dabei zu sein, wie unser Enkel heranwächst. Allein diese Vorstellung zerreißt mir das Herz.

Der Vierjährige hat sich an die Homeoffice-Tage seiner Mutter schon derart gewöhnt,
dass, das  bereits in sein künstlerisches Frühwerk einfließt.
Als seine Mutter fragte, war er denn da gezeichnet habe,
hielt er sich den Zeigefinger vor den Mund und sagte:
"Psssst! Bin im Meeting!"

Mittwoch, 26. August 2020

Summ, summ, summ...

Wir haben neue Nachbarn. Zunächst dachte ich, das heftige Sirren durch das ich geweckt wurde, stamme von einer der lästigen Drohnen, die in diesem Sommer bei den jungen Leute hier oben so in Mode gekommen sind. Die Kleinen, mit denen sie hoffen, nackte Sonnenanbeterinnen auf ihren Terrassen auszuspähen, sind ja abgesehen vom Voyeurismus noch harmlos. Aber dann war da eine große Profi-Drohne unterwegs, die so hinter meinem Kopf stehen blieb, dass ich sie zunächst für einen schon so erlebten Hornissen-Schwarm hielt. Was der Typ, der das Ding von einem parkenden, weißen Lieferwagen am Parkplatz steuerte, ausspähen wollte, blieb allerdings rätselhaft.

Die, die im Kamin des Nachbarhauses direkt gegenüber meiner Schreibstube eingezogen sind, haben allerdings nur Arbeit im Sinn. Da das Wildbienen-Volk noch nicht so lange in dem still gelegten Kamin haust, ist es vermutlich spät dran seinen "Beton-Stock" nicht nur winterfest zu machen, sondern auch die junge Bienenkönigin für ihren Hochzeitsflug noch fit zu machen. Ende August wird die Zeit nämlich knapp. Ihr bleibt etwa eine Woche nachdem sie geschlüpft ist, um sich von den herum lungernden männlichen Bienen, den Drohnen also, in der Luft begatten zu lassen. Danach hat sie Schwerstarbeit zu verrichten, um alle ihre noch nicht geschlüpften Schwestern  zu töten.

Es ist übrigens ein Ammenmärchen, dass alle Drohnen für ihre luftige Sex-Akrobatik sofort mit dem Tode bestraft werden. Viele, aber längst nicht alle, bleiben mit ihrem Sex-Organ bei der Toberei in ihrer Königin hängen. 

https://www.focus.de/wissen/videos/aussergewoehnliches-naturschauspiel-seltene-bilder-der-sexflug-einer-bienenkoenigin_vid_41334.html

Diese ist nicht nur Sex süchtig, sondern "hamstert" die Spermien regelrecht, weil sie diesen Vorrat für den Rest ihres Lebens zum Eier Legen benötigt. Bis zu vierzig Tage leben viele Drohen nach dem Luft-Akt noch in sozialer Isolation weiter. Versuchten sie, in den Stock zurück zu kommen, würden sie von den Wächter-Bienen gekillt...

Bei unseren Nachbarn ist das vermutlich schon alles passee, denn die dicken Alt-Bienen schwärmen schon fleißig für den Winter-Vorrat an Pollen aus. Die kleineren Jung-Bienen sieht man nicht, denn die arbeiten vermutlich schon daran, den Stock abzudichten, Vorrats-Waben anzulegen und ihre Königin mit Gelée Royale, dem Weiselfuttersaft, zu hätscheln. Die Alt-Bienen, die sich abgeschwänzelt haben, um alle Kolleginnen mit Infos zu versorgen, wo es noch Blühten gibt, haben dann im Spätherbst ihre Schuldigkeit getan und werden "ausgesondert". Die Jung-Bienen kuscheln sich später im Stock gegen die Kälte als eine Art Heizung in Trauben zusammen und erzeugen dabei eine Temperatur von bis zu 13 Grad im Stock.

Dieses "Alle für Eine" kommt dem humanistisch und demokratisch eingestimmten Empfinden von uns Menschen vielleicht seltsam vor. Aber es sichert nicht nur wegen der zu stark eingesetzten Pestizide das immer schwerere Überleben der Bienenvölker, sondern wegen der bienenfleißigen Bestäubung auch unser aller Fortbestand. Als Modell für unsere Regierungen - wie im Moment hie und da angestrebt - sollte es aber nicht dienen...

Die Königinnen können nur bei schönem Wetter zu ihrem Hochzeitsflug aufbrechen, während den dicken Alt-Bienen beim Arbeiten auch Regen nichts ausmacht...

Sonntag, 23. August 2020

Nom de Plume oder Nom de Guerre?

Nachdem seine genialen Väter nun beide tot sind, überlege ich, ob mein Spitzname Obelix überhaupt noch statthaft ist. Aber vielleicht ehre ich ja die Begnadeten auch, indem ich ihn nicht ablege.

Albert Uderzo 1927 - 2020 Cartoons
René Gosciny 1926 - 1977 Text
Quelle: Wikipedia
Bleibt allerdings, die Erkenntnis, dass das eher ein Nom de Guerre war als ein Nom de Plume. Letzterer wäre er ja dann gewesen, wenn ich ihn als Pseudonym oder Tarnung für die Veröffentlichung meiner Posts verwendet hätte. Wäre ja auch eher nicht originell gewesen.
Der französische Ski-Weltmeister und Konstrukteur des ersten Olympiasieger-Skis aus Metall (Jean Vuarnet 1960 Abfahrt Squaw V)alley) Émile Allais verpasste mir ihn 1971, weil er überrascht war, dass einer mit meiner Figur so gut Ski fahren konnte. Da war ich dann doch eine wenig beleidigt (ich bin nicht dick, sondern stark!), weil es da ja bereits den Deutschen Beni Obermüller und den Österreicher Gerhard Nenning als Sieg-Läufer gegeben hatte.  Beide galten nach den damaligen athletischen Maßstäben als "gwampert" oder übergewichtig.. Bei Tomba "La Bomba" und dem Südtiroler Michael (Much) Meier waren die Kilos später kein Thema mehr, und Abfahrts-Olympia-Sieger und -Weltmeister Patrick Ortlieb war auch nicht gerade ein Hänfling...

Aber zurück zur Gegenwart. Jetzt habe ich tatsächlich eine ähnliche Figur wie der gezeichneten Gallier.  Ich bevorzuge es allerdings, den Gürtel unterm Bauch zu tragen. Mein Heißhunger auf Wildschwein könnte hier rund um die Burg allerdings nur theoretisch befriedigt werden. Wir begegnen den Schwarzkitteln zwar allenthalben, denn ihr Schutzgebiet liegt direkt in Sichtweite. Die Holde Schweizerin und ihr Lebensgefährte finden ihren Horto immer wieder von ihnen durchwühlt vor. Lecker Wildschwein-Braten ist aber dennoch Illusion. Die einheimischen Jäger lassen den Fremden meist nur zerhackte Knochen. Die besten Stücke essen sie selbst - die Egoisten!

Gäbe es da nicht die vom ersten Post an die treue Leserin, La Foletta Buona, dann bekäme ich überhaupt nie ein Wildschwein zu Gesicht. Sie versorgt mich nämlich von überall her mit Obelix-Memorabilien und "Wegzehr". Schon allein deshalb muss ich wohl ihr und dem Obelix verbunden bleiben...


Freitag, 21. August 2020

Kontemplation statt Zeitreisen

Was hat sich da H.G. Wells nur ausgedacht, dass seine Idee von einer Mechanik für Zeitreisen 1895 so ein literarischer Erfolg wurde. Ein Bestseller, der sogar die Titel vom Zeitgenossen Jules Verne übertrumpfte. Dass der umgebaute DeLorean DMC-12- Sportwagen in der "Zurück in die Zukunft"-Film-Reihe noch erfolgreicher aus dem Raum-Zeit-Kontinuum düste, ist allerdings auf die geradezu explodierten cinematographischen Möglichkeiten zurück zu führen. Letztlich  löste das "Warpen" der StarTreker beim Jonglieren mit der unmöglich zu überbietenden Lichtgeschwindigkeit die Tickets für grenzenlose Science-Fiction-Zeitreisen. Mein Stream-Anbieter Netflix liegt da in der Produktion von Scifi-Serien bei bald 50 Prozent. Was mich irgendwie kalt lässt, weil ich schon bei normalen Spielfilmen um die Jahrtausendwende schallend lachen muss, weil sich technologisch in der Realität seither so viel verändert hat. Die Zukunft ist einfach nicht zu berechnen. Erst  recht nicht in diesen Corona-Tagen!

Ich sehe vielmehr mit Sorge, was die Welt mittlerweile so alles im Drang nach Fortschritt verliert... Auch im Privaten lassen ja die unverbesserlichen "Welten-Reisenden" trotz der akuten Bedrohung für Gesundheit und Leben nicht von ihrer neugierigen, fast süchtigen Rastlosigkeit ab.

Freunde, die mich noch so als Traveler aus meiner aktiven Zeit kennen, stellen bei Besuchen außerhalb der Saison hier oben immer die gleiche Frage: "Wie hältst du diese Langeweile aus, und wieso verlässt du diese Einsamkeit nicht öfter?"

Die Frage beruht gleich auf mehreren Missverständnissen. Ich war früher nicht agil, sondern ein schlimmer, ungeduldiger Hektiker. Vieles hätte ich sinnvoller und besser machen können, wenn mich nicht die Ungeduld derart getrieben hätte. Die Verschwendung von Kraft kam mir deshalb nicht in den Sinn, weil ich wohl viel zu viel davon hatte, um sie vernünftig einzuteilen. Damit muss jetzt im Alter natürlich Schluss sein! Ich akzeptieren das.

Vielleicht helfen meine heutigen Gedanken ja ähnlich Getriebenen:
Obwohl einem mit den Jahren auch Defizite im Lebenslauf bewusster werden, muss man nicht versuchen, alles Verpasste auf der Ziel-Geraden noch aufzuholen. Das verkürzt nur den Atem.
Vor einer Weile schrieb ich hier, dass Glück immer nur eine Momentaufnahme ist, die sich nur schwer verlängern und schon gar nicht unter Druck wiederholen lässt. Aber erfahrungsgemäß ist die gesunde Psyche ohnehin darauf angelegt, die schönsten Momente des Lebens intensiver zu speichern als die weniger schönen oder gar die tragischen. Darauf sollte man bauen können, wenn einen die Sinnfrage unvermittelt anspringt und schlimmsten Falles in eine Depression treibt.

Anlass für meine Betrachtung ist, dass kürzlich eine Nachbarin und Freundin auf meiner Bank vor dem Haus saß, die immer eine unverwüstliche Heiterkeit ausstrahlt. Ich war ganz überrascht , als sie mir von in letzter Zeit häufiger auftretenden Seelen-Tiefs berichtete. Sie ist  eine von diesen Alters-Rastlosen, die möglichst viel in ihre Tage hier hineinpackt. Sie hat sicher von Ligurien in all ihren Jahren auf der Burg viel mehr gesehen als wir "Burgsassen" - meine Frau und ich.

Was viele nicht verstehen können: Wir sitzen an unserer Piazza auch in einer Art Zeitmaschine. Obwohl unsere vom absoluten Nichtstun strukturierten Tagesabläufe höchstens mal durch das hinunter Fahren zum Einkaufen unterbrochen werden, verfliegt sie Zeit doch auf merkwürdig zügige Art. Wir sind wegen Corona in diesem Jahr ja zwei Monate später "angekommen", aber waren in stiller Übereinkunft wohl darauf programmiert, so viel wie möglich von dieser einzigartigen Situation in uns aufzunehmen, damit wir die zwei Monate sinnlichen Verlustes wieder aufholen.

Jetzt sind die Mauer-Segler schon einige Tage fort, und es ist nur noch die Schwalbe in ihrem alljährlich bezogenen Nest bei Signora Adas Gassen-Überbauung da. Ein paar Tage lang beobachtet sie vielleicht noch die Flugmanöver ihrer letzten Brut. Dann zieht sie wie der Großteil der Urlauber und Teilzeit-Residenten weiter in heimische Gefilde. Der Herbst streckt seine längeren Schatten bereits aus, und bei uns festigt sich - wie all die Jahre zuvor - das Gefühl schon so länger als gefühlt hier zu sein. Dabei können wir die zurückliegenden Halbjahre,  kaum noch von diesem Aufenthalt unterscheiden. Doch dieser wird uns nicht nur wegen der Pandemie in besonderer Erinnerung bleiben...

Viel intensiver erinnern wir uns aber beim Tisch-Gespräch oder einem Gläschen Wein auf der Piazza an Geschehnisse aus der Zeit als wir das Haus hier noch nicht hatten. Die Erinnerungen fliegen uns gewissermaßen in einer Art geistiger Zeitreise an.

Bei kontemplativen Nachtsitzungen allein auf  der Piazza bin ich mir gewiss, dass ich hier und jetzt erst im Leben angekommen bin. Dass dieser der beste Ort von allen ist, die ich zur Verinnerlichung abspeichern durfte, obwohl ich auch immer noch unmittelbar jeden anderen "hochladen" kann. Denn die hektischsten Reporter-Tage hätte ich nie und nimmer überlebt, wäre es nicht mein Privileg gewesen, in den verflossenen Szenen, meinen Moment der Ruhe zu finden. Was interessiert mich da eine Zukunft, die ich bald nicht mehr erlebe? Was Einstein und Hawking eventuell zu meinem Desinteresse an einer fiktiven Zukunft und meinen Zeitreisen gesagt hätten, ist mir schnuppe. Die Frage ist: Konnten die überhaupt außerhalb ihrer wissenschaftlichen Arbeit kontemplieren?

Unabhängig vom Hinduismus, dem Buddhismus, dem Christentum,
dem Islam oder anderen Weltreligionen ist Kontemplation frei von Zeit und Raum.
Auch ohne festen Glauben ist allein schon in der Natur
die Verinnerlichung des Seins und die Besinnung auf sich  möglich...
Alle Fotos: Claus Deutelmoser

Mittwoch, 19. August 2020

Das Milliarden-Dilemma

Nein, nein! Keine Bange! Es geht diesmal ausnahmsweise nicht um Corona, und wie viele Milliarden benötigt werden, um die Krise zu bewältigen...Heute geht's um etwas ganz Persönliches: 

Nämlich meine kleinen, grauen Zellen, die an heißen Tagen zunehmend verrückt spielen, wenn sie denn überhaupt noch ausreichend vorhanden wären. Gerade habe ich nämlich gelesen - und das muss ich unbedingt in Ziffern nieder schreiben - dass täglich in unseren Körpern zwischen 50 000 000 000 und 70 000 000 000 Zellen absterben. Aber die gut Nachricht: Sie werden automatisch durch neue Zellen ersetzt. Zumindest so lange wir jung und knusprig sind und nicht zuviel rauchen, keine Drogen konsumieren und wenig Alkohol trinken...

Ich habe täglich größere Zweifel, dass der Zell-Austausch speziell in meinem Gehirn überhaupt noch klappt. Ein Signal wir dann vermutlich sein, dass ich meine eigenen Posts nicht mehr kapiere. Beim Schreiben schon wird mir bewusst, dass meine linke Gehirn-Hälfte bereits von der rechten, die ja angeblich für meine linke Hand zuständig ist, vom Tempo her dominiert wird. Denn ich werde der Buchstaben-Verdreher beim Korrektur lesen kaum noch Herr.

Aber noch peinlicher sind die Wort-Verwechsler beim Sprechen, wenn die Temperaturen die 30-Grad-Marke überschreiten. Bei der Hitze flüchte ich mich im kühlen Haus gerne in fällige Arbeiten gegen das Verschlampen. Allerdings habe ich es nicht so mit Haushaltsgeräten, und unsere Elena, die gelegentlich zum Putzen kommt, zerlegt den Staubsauger zum Reinigen jedesmal derart gründlich, dass ich mich ohne weibliche Hilfe nicht traue, ihn selbst zusammen zu setzen...

Also sprach ich vor eine paar Tagen zur "Fürsorglichsten aller Ehefrauen":
"Spatz! Wenn Du mir den Hubschrauber zusammen setzt, sauge ich den ganzen ersten Stock!"
Sie daraufhin:
"Nee lass mal - du Überflieger! Du wirbelst mir immer zuviel Staub auf!"

Der zerlegte Staubsauger seht immer noch unangetastet an der Treppe zum zweiten Stock...

Himmlisches Staubsaugen:
Der Hubischrapp, da bist du platt, saugt alles ab,
was keinen Halt mehr hat
CD-Gimp-Collage

Montag, 17. August 2020

Krieg und Kampf im Corona-Krampf

Lieber würde ich ja über die Idylle hier schreiben und die Heiterkeit schildern, die unser Dorf am vergangenen Ferragosto-Wochenende mit all seinen Gästen durchflutet hat. Aber die Gegenwart in der Außenwelt, für die ja Fernsehen und Internet auch in den mittelalterlichen Gemäuern sorgen, verdeutlicht, dass Castello eben nicht mit "La Montagna Magica" zu vergleichen ist. So lautet der Titel von Thomas Manns Roman "Zauberberg" in seiner italienischen Übersetzung. Ich wünschte, ich könnte das Buch noch einmal in der Sprache meines Gastlandes lesen. Die Erinnerung an die Original-Fassung löst eher beklemmende Vergleiche in mir aus: Ist das, was wir Privilegierten hier oben genießen dürfen eine Parallele zu dem 1924 erschienenen Menetekel vom Ausbruch des Weltenbrandes?

Für meine Blog-Chronik sind die Schlagzeilen der vergangenen Woche jedoch essentiell:

Die WHO meldet so viele Corona-Neuinfektionen wie noch nie seit dem Ausbruch der Pandemie.
Die Ferien-Saison 2020 ist noch nicht vorüber, da befinden sich bereits viele Länder einschließlich Deutschland mitten in der zweiten Infektions-Welle. Reisewarnung werden angedroht oder bereits ausgesprochen.

Bei Edgar Wallace konnte die Ambulanz der "Fellowship of the Frog" auch nicht mehr helfen
Quellen: dieharke.de und amazon

Zwischen Boris Johnson, dessen Missmanagement  die Insel mitten im Brexit sorglos dem folgenschwersten Corona-Dilemma ausgesetzt hat und Emanuel Macrons ebenfalls schwer getroffener "Grande Nation" ist ein Tourismus-Krieg mit egoistische Quarantäne-Taktik ausgebrochen.
In Belarus wurde gewählt, aber das Volk glaubt nicht an den Wahlsieg des Autokraten Lukaschenko. Zu viele Ungereimtheiten treiben die Massen seit Tagen derart lautstark auf die Straßen. Es gibt Tote und Massenverhaftungen. Die Bitte an Putin, zu helfen, erinnert an die Situation in der Ukraine.
Der Präsident der auch wirtschaftlich am stärksten von Corona betroffenen Supermacht USA jedoch betreibt jetzt schon Wahlmanipulation, indem er die Briefwahl verteufelt und behindert, sie aber selbst schon in Florida beantragt hat.
Das weltweite Getümmel nützt der türkische Diktator Erdogan, um seine Großmacht-Phantasien auszuleben. Er mischt sich im Libyen-Konflikt mit Waffenlieferungen ein, und lässt provokativ von Kriegsschiffen begleitet vor der Küste von EU-Ländern nach Gas-Vorkommen forschen. Woraufhin Macron zur Unterstützung der Griechischen Flotte, einen Marine-Verband in die kritische Region entsendet.
Die NATO ist einmal mehr auf dem Prüfstand.
Im ohnehin schon schwer erschütterten Libanon kommt es (wohl aus Fahrlässigkeit) zu einer gewaltigen Explosion von Chemikalien. Donald Trump bezeichnet sie schon Augenblicke später als terroristischen Anschlag, weil ihm das angeblich "seine Generäle" so angedeutet hätten.

Damit man sie auch ohne Maske erkennen kann:
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml mit mahnendem Fingerzeig in der Defensive .
siehe auch "Steine aus dem Glashaus" vom 22. 9.2018
Quelle: Staatskanzlei

Der vollmundige Corona-Krisen-Alleswisser Marcus Söder scheitert kläglich trotz seiner weißblauen Rauten-Maske. Mit seinem vorgepreschten Massentest an Bayerns Grenzen  kann seine völlig versagende Gesundheits-Bürokratie nicht mithalten.
Auch in Rest-Deutschland stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen fast eine Woche lang auf über 1000.

P.S.
Leider werden heute kaum noch wortgewaltige Prophezeiungen  geschrieben oder gar gedruckt. Ich verspreche aber, dass - ich anders als der seherische Mijnheer van Peeperkorn vom Zauberberg - meine Sätze noch so lange zu Ende bringe, wie ich das halbwegs kann oder man mich lässt.


Freitag, 14. August 2020

Philosophie und Pandemie

Bevor wir vor lauter Angst vor der Pandemie aufs Leben vergessen, sollten wir Philosophie im reinsten Sinne ihrer Bedeutung betreiben: Jeder von uns kann über den Sinn seines Lebens und seine Stellung als Individuum in dieser Welt nachdenken und zu persönlichen Ergebnissen kommen. Dazu bedarf es weder überragender Intelligenz noch geschwollener, kaum zu verstehender Redewendungen. Wieso also suchen wir so gierig nach Rat, bei Leuten, die uns das Leben neu erklären sollen. 

Die neuen Philosophen, denen wir nachhecheln, entsprechen nicht mehr dem Bild der antiken Denker, von denen wir Grundsätzliches in der Schule hätten lernen können. Die neuen Philosophen sind aalglatte Marketing-Strategen, die von ihren Agenten zu permanenten Auftritten in den Medien vermittelt werden, wo sie dann auf diversen Kanälen immer wieder ihre Mantra runterbeten, damit sich ihre Bücher besser verkaufen. Aber gewähren sie uns tatsächlich Lebenshilfe oder formulieren sie den hilflosen Umgang mit Konflikten und alltäglichen Herausforderungen nur geschmeidiger?

Wer ist wann ein Philosoph, wenn uns schon von Kindesbeinen geraten wird, besser zu schweigen, weil wir uns sonst blamieren? Si tacuisses philosphus mansissis! So wird gezielt die freie Entfaltung von eigenen Gedanken zu Gunsten philosophischer Hypes unterdrückt. Wer bestimmt denn überhaupt, wer Philosoph ist und wer einer werden könnte? Der akademische Grad in einem der weltweit schwammigsten Studienfächer?... Wie um meine Frage zu beantworten, war gestern zu lesen, dass der Plagiator, WireCard-Drahtzieher und frühere Verteidigungsminister Freiherr von und zu G. nun tatsächlich einen echten Doktor-Titel erworben hat: An einer britischen Universität und zwar in - Philosophie !?

Wo wären denn die großen Vordenker aktuell, um uns die größte Angst vor der Gegenwart zu nehmen, der diese Generationen nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ausgesetzt ist? Es ist ja nicht nur die Pandemie, die gerade auf die zweite vermutlich viel wuchtigere Welle im kommenden Herbst und Winter zu rollt.

Claus Deutelmoser: "Tröstender Tod"
Kreide und Gouache auf Mal-Karton.
Da glaubte ich noch, dass der Tod
auch etwas Tröstliches hätte haben können

Ich bin ganz bewusst häufig ein Ich-Schreiber. Nicht, weil ich meine Meinung für unfehlbar hielte, sondern um meinen Leserinnen und Lesern auch zu signalisieren, was mich persönlich umtreibt. - Selbst wenn ich mich damit womöglich auch der Lächerlichkeit preisgebe. Diese Blogs und Posts dienen ja vorrangig mir als eine Art Tagebuch, damit ich einst nachforschen kann, wie sich meine Sichtweisen auf Dinge und Geschehen verändern. Denn das sollte oder müsste die Philosophie auch tun, wenn sie denn greifbar und nicht wohlfeil abstrakt wäre. Philosophie muss nämlich immerfort auf den Prüfstand!

Diese Woche war für mich unerträglich. Weil mir endlich machtlos klar geworden ist, dass die gut ein Dutzend Staats-Terroristen, die aktuell wichtige Länder mit ihrer Politik kontrollieren, ungeniert eigene Philosophien nicht nur entwickeln, sondern sie auch vor den Augen der restlichen Welt unangetastet durchziehen können. Hilflos, weil dem Rest der Welt gegen diese Perfidien offenbar keine Maßnahmen mehr einfallen.

Die Frage, die wir Nachkriegs-Kinder noch gewagt hatten, unseren Eltern zu stellen, wird durch die Ohnmacht der Nachfolge-Generationen Weltweit offenbar: Wieso habt ihr das nicht verhindern können? Wieso wart ihr trotz der Medienvielfalt und massenhaft zugänglicher Information derart hilflos?

Philosophen, die nun erhöhte Opferbereitschaft fordern, stehen im Verdacht falsche Propheten zu sein. Denn die Jetztzeit offenbart, dass in Strömen vergossenes Blut den Drang der Geschichte, sich zu wiederholen, noch nie aufgehalten hat. Wir haben eben nur ein Leben. Die Angst es zu verlieren aber, nutzen die Potentaten aus.

Dass Thomas Jeffersons Spruch immer noch so gerne zitiert wird, ist nicht allein Metapher, sondern in meinen Augen Beleg für einen fest verankerten, stetig wachsenden Anti-Humanismus.

"Von Zeit zu Zeit muss der Baum der Freiheit mit dem Blut der Patrioten und der Tyrannen begossen werden. Dies ist der Freiheit natürlicher Dünger."

Der Gründervater und einstige Präsident vom "Land Of The Free" erlebte nicht, wie dramatisch der "Civil War"vier Jahrzehnte nach seinem Tod, seine "philosophische" Ansicht konterkarierte...


Selbst freiwillige Blutopfer
dienen nicht der Freiheit, sondern im Laufe
der Zeit allenfalls der Macht der Anderen
Claus Deutelmoser: "Blutopfer"
Kreide und Gouache auf Mal-Karton





Mittwoch, 12. August 2020

Wieder mal das Wasser


Woran erkennen wir Burg-Geister auch ohne Kalender, dass wir in der Hitze zwischen San Lorenzo und Ferragosto fest stecken? Dem Borgo wird komplett das Wasser abgedreht. Das passiert in den letzten Jahren so pünktlich, dass man leicht an eine Wasser-Verschwörung gegen die benötigten aber dennoch ungeliebten Ferien-Residenten  denken könnte. 

Aber grau ist alle Verschwörungstheorie; Natürlich setzt die annähernde Vollbesetzung unseres geliebten Dörfchens das immer nur notdürftig geflickte Netz an Abwasser-Rohren zusätzlich unter Druck. Wenn dann noch wie in der vergangenen Woche ein überdurchschnittlich heftiges Gewitter über uns herein bricht, zerlegt es das eine oder andere marode Rohr gern einmal. Die Gasse war ja dabei wieder einmal eine Wasser-Rutsche, auf der man auch Kajak hätte fahren können. 

Seit einer Woche nun wird an dem Fallrohr entlang der großen Treppe herum gebastelt. Vorgestern gar berichtete die "Fürsorgliche" von einer hier typischen Baustellen-Situation. Soll heißen, zwei schwitzen in der Aushebung und drum herum stehen ein Dutzend Residenten und geben gezielt Ratschläge. Hat offenbar nicht viel genutzt, denn bei Temperaturen um die 30 Grad fehlte den Spätaufstehern gestern  einmal mehr das Wasser. Ungeschoren sind die frühen Strandgänger davon gekommen, aber die Alten, zu denen leider auch wir gehören, mussten wohl zwei Stündlein schmachten, wenn sie nicht in Eimern und Kannen für Reservoir gesorgt hatten. Zwei Stunden ohne Wasser - wie unbehaglich!

Das sollte dennoch wieder einmal ein Anlass gewesen sein, eine wenig über den Wert des Wassers nachzudenken. In unserer westlichen Zivilisation ist die Versorgung und Entsorgung ja eine derartige Selbstverständlichkeit, dass die kleinste Störung schon zu Hysterie-Anfällen führt. Den "Weltwassertag" am 22 März haben wir gar nicht erst wahrgenommen, weil wir uns ja wegen der Pandemie in unseren hydrotechnisch wohl versorgten Wohnungen und Häusern in Quarantäne begeben hatten. 

Aber währenddessen hatten zusätzlich zur Angst vor Corona 2,1 Milliarden Menschen auf dieser Erde  keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Da wird dann schon der tägliche Tanklaster bejubelt - auch wenn für das kostbare Nass womöglich gelöhnt werden muss wie in manchen Regionen Afrikas. Klar, wir zahlen ja hier auch fürs Wasser. Aber während unsereiner das kostbare Trinkwasser auch gedankenlos im Klo herunter spült, haben 4,1 Milliarden noch nicht einmal Zugang zu sanitären Anlagen die diese Bezeichnung verdienten..


Während im Hinterland von Algarve - wie hier in Loulé - das Wasser oft knapp wird,
werden die zahlreichen Golfplätze von Quinta del Lago üppig bewässert.
Eine Situation, die auch die Bauern der Costa Smeralda auf Sardinien ärgert.
Foto: Claus Deutelmoser
 
Quellen: Quinta Golf (links) Pevero Golf-Resort




Montag, 10. August 2020

Ellenbogen-Check

Der Einsatz von Ellenbogen im Job oder auf dem Spielfeld war ja bislang nicht nur geächtet, sondern führt noch immer zu Strafminuten oder Feldverweisen. Wie konnte man auch ahnen, dass in Corona-Zeiten der Ellbogen-Check zu einer Art Kult-Begrüßung mutierte...


Quelle: freepiks.de


Unser Männerbund hier oben hat daraus ein extrem überzogenes Ritual gemacht: Marcello ist Mitte 50, Cesario Anfang 60 und ich schon in den 70ern. Aber wir sind bei der Begrüßung albern wie Fünftklässler: Schon im Abstand von fünf Metern nehmen wir Positionen ein, die an die Kampfstellung von Samurai erinnern. Dann stapfen wir los. Aber anstatt die Ellenbogen mit Karate-Wucht aufeinander krachen zu lassen, tupfen wir uns nur wie Primanerinnen. Dazu muss Mann aber wissen, dass wir uns vor Corona umarmt haben, dass die Brustkörbe krachten. Irgendwie muss ich bei unseren Zusammentreffeen immer an den Song von Adriano Celentano "Il ragazzo della via gluck" denken. Der ist von der Hintergründigkeit seines Textes weit mehr als ein simpler Gassenhauer: 

.https://www.youtube.com/watch?v=_sYDfESbJAY

Jeder von uns Dreien hat die Gentrifizierung seines Geburtsortes überstanden und hier oben seine Heimat (auf Zeit?) gefunden, in der er nicht hinein gehört und in der er auch nie akzeptiert werden wird. Das ist unter uns ein Dauerthema. 

Cesario der Kalabrese, der als Einmann-Bau-Unternehmen mit zusammen gestellten Mannschaften an der "Autostrada dei Fiori" gebaut hat und handwerklich quasi alles kann. Marcello, der Mann meiner besten Freundin, der Steuerberater aus gutem Hause toskanischen Ursprungs. Er hat das fabelhafte Dach-Appartement mit Rundum-Blick auf dem Stammsitz der Grafen Gandolfi erworben aber will es so bald sich der Markt erholt, wegen der Nachbarschaft wieder loswerden . Das jedenfalls würde mich Methusalem sehr, sehr traurig machen. Siehe Text des Liedes:

https://www.google.com/search?sxsrf=ALeKk00QLabSVFS3g9g39ch62R0s1gAjQw:1596965044970&q=il+ragazzo+della+via+gluck+testo&sa=X&ved=2ahUKEwjMgOWx5o3rAhVEKewKHfERCCMQ1QIoAHoECBcQAQ&biw=1600&bih=1057

Wenn wir drei mit unseren Frauen zusammen kulinarische Abende verbringen, dann geht jedenfalls die Post ab. Auch die "Mädels" haben sich unser Ellenbogen-Ritual quasi als Stimmungs-Starter  abgeschaut.

Wenn wir Deutsch reden, steht es vier zu zwei, weil Marcllos Frau - wie berichtet - in Deutschland aufgewachsen ist, und die holde Schweizerin ja wegen ihrer italienischen Wurzeln auch mühelos zwischen den Sprachen hin und her switchen kann. Das beschämt meine Frau und mich, weil wir nur wenig von dem, was wir sagen oder erzählen wollen, ohne nachträgliche Übersetzungshilfe richtig rüber bringen können. Immerhin ist somit immer für Heiterkeit gesorgt, selbst beim ernsten Diskutieren über die Pandemie und ihre möglichen weiteren Folgen...

Aber zurück zum Ellenbogen-Check: Wieso müssen wir Europäer uns so dämlich bei der Begrüßung anstellen, wenn uns viele asiatischen Länder doch so elegant vormachen, wie man sich auch ohne Körper-Kontakt ehrerbietig begrüßen kann. Es muss ja nicht gleich das heiligmäßige Namaste sein. Hände an die Hosen- oder Rock-Naht und eine leichte Verbeugung wie in Korea und Japan tun es da doch auch...

 Willem-Alexander,  König der Niederlande, kürzlich bei seiner Asien-Reise
Quelle: t.online.de

Freitag, 7. August 2020

Verkehrte Welt

Milena, die kleine Burgfrau mit der mächtigen Stimme und ich haben uns eine Art der Konversation angeeignet, die im ganzen Borgo zu hören ist. Sie von oben herab - aber nie herablassend - ich unten auf der Bank, die ihr Mann der Piazza gespendet hat, auch nicht unterwürfig. Wann immer ich um zehn Uhr mit meinem Frühstücks-Kaffee dort sitze, öffnet sich unter den Zinnen eines der hohen Fenster. Dann beginnt ein Dialog über Philosophisches, bei dem sie mich wegen meiner schlechten Italienisch-Kenntnisse sacht - als brächte sie mir das Schwimmen bei - in immer tiefgründigere Themen zieht. Soviel ich weiß, übersetzt sie sich meine Posts am Computer. Sie praktiziert Zen mit Klangschalen und so, weiß aber auch, dass ich Agnostiker bin. Wenn ich mit dem Kaffee fertig bin und aufstehe, faltet sie gerne ihre Hände zum Namaste, was unsere Unterhaltungen ein wenig segnet.

Irgendwie sind wir vor ein paar Tagen auf Sprichwörter gekommen, die es sowohl im  Deutschen als auch im Italienischen gibt.
LA GOCCIA SCAVA LA PIETRA - Steter Tropfen höhlt den Stein
AMOR VECCHIO FA NON RUGGINE - Alte Liebe rostet nicht
Und so weiter! Ich habe erst später nachgeguckt, dass es über hundert entsprechende Redensarten gibt, die zudem meist schon einen lateinischen Ursprung haben.

Dann war ich mal wieder bei  meinen rudimentären Bibel-Kenntnissen, um anzuführen, dass ich die meisten Sprüche für verkehrt - spagliato - halte, und ich sie deshalb gerne sinnverkehrt verdrehe.

Mein Acryl-Gemälde "Immer saubere Hände" 
entstand unter dem Eindruck,
dass die Kírchen bei der Aufarbeitung
der weltweiten Missbrauchs-Fälle
gar nicht demütig zur Aufklärung beitragen


Lukas 23:24 führte ich an, weil ich den einmal für unsere "Seelensammlerin" auswendige gelernt hatte. Trotz ihres untadeligen und frommen Lebens schmachtet sie nun quasi als "Zwangs-Eingewiesene" in einem schrecklichen Altersheim mitten in der Stadt, obwohl sie sehr wohl Geld für eine vermutlich günstigere Pflege in ihrem Haus hier oben hätte. Zu ihrer geliebten Santa Anna Kirche, zu der sie die Schlüssel hätte, wären es nur 100 Meter leicht bergauf... Aber:

Padre pardonna loro perché non sanno cosa stanno facendo.

Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Jesu angeblicher Freispruch für den Christenmenschen ist eher Fakenews - von irdischen Kolporteuren übermittelt. Denn natürlich war die allwissende Dreifaltigkeit da schon gewahr, dass der Mensch bei vollstem Bewusstsein erbärmlich böse Dinge tut, die im alten Testament  wenigstens noch unmittelbar göttlich bestraft wurden. 
 Aber weiter mit dem Schlaumeiern: Nicht einzelne Tropfen höhlen den Stein, sondern der Wasserfluss, der auch sprengt, wenn er gefriert. Wenn Tropfen stetig tropfen, entstehen oben Stalaktiten und unten Stalagmiten - also im Prinzip ergeben einzelne Tropfen  mehr Stein. Gut zu sehen in der Nachbar-Provinz Savona am Beispiel der Grotte di Toirano.
Quelle: toiranogrotto.it

Und Alte Liebe rostet eben nur deshalb oft nicht, weil Greisinnen und Greise einfach zu schwach sind, sich noch arg zu verändern. Sind sie es aber nicht - siehe Ecclestone und Trump. Dann weil diese Alt-Machos so oft geheiratet haben, bis die erste Frau letztlich vergessen war... Und versucht doch mal - trotz Viagra - jenseits der 70 die "Chinesische Schlittenfahrt" oder die altgriechische "Schubkarre". Da merkt ihr dann schon, was Rost ist!

Aber Spaß beiseite. Ich liebe es einfach, Sprichwörter verkehrt zu zitieren, um der Wahrheit ein Stück näher zu kommen. Tatsächlich müsste es bei Lukas 23:24 nämlich heißen: Vater vergib denen bloß nicht, weil sie genau gewusst haben , was sie taten. 99 Prozent aller Krüge zerbrechen auch erst voll gefüllt auf dem Weg vom Brunnen zurück, weil sie irgendwo einen Haarriss haben oder den Trägern zu schwer sind.. Und tatsächlich wollen die meisten, die am Essen mäkeln, stets, das Essen heißer essen, als es gekocht wurde.

Wie leben in einer verkehrten Welt, in der bald nicht mehr viel verkehrt gemacht werden darf.

Dieses Gemälde von mir (Öl auf Leinwand) passt gut zur verkehrten Welt.
Es heißt: "The Golden Snail-Gang Rides Again"
Inspiriert durch einen meiner Lieblings-Witze. Und der geht so:
Ein Igel ruft im New Yorker Central-Park mitten in der
Nacht die Polizei, weil er von Schnecken ausgeraubt worden sei.
Als der Cop ihn dann fragt, ob er nähere Angaben zu den Tätern machen könne,
antwortet er traurig: Sorry Sir! It happened all so damn fast!"

Dennoch beherrschen uns Führer, die nach dem besten aller Sprichwörter durch Zusatzartikel in der jeweiligen Verfassung sofort entmachtet werden müssten.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht!
Cheunte mente una volta non è creduto anche se dice la verità!

Na dann N a m a s t e liebe Leserinnen und Leser!







Mittwoch, 5. August 2020

Wenn Glück einem auf den Keks geht

Am kommenden Freitag sind bei der Europa weiten Lotterie Eurojackpot 75 Millionen in der obersten Gewinnklasse einzuheimsen - wenn man Glück hat? Ich spiele auch. Mit einem Dauerschein. So um die 14 Euro pro Monat ist mir das stete Überlegen wert, was ich in meinem fortgeschrittenen  Alter mit all dem Mammon täte. Letzten Freitag habe ich 16 Euro gewonnen, was meine Aussichten Multimillionär zu werden noch weiter schmälert. Wer gewinnt schon zweimal hintereinander?

Erschwerend hinzu kommt, dass ich kein Glück im Spiel habe - noch nie hatte. Aber ich bin auch ohne dieses spezielle Glück vom Schicksal so gut bedient worden, dass ich mich oft selbst schimpfe, es nie wirklich verdient zu haben. Wenn mir solche Momente widerfuhren, genieße ich sie natürlich wie alle Menschen hoffentlich auch. Inzwischen ist mir klar, dass das Gefühl glücklich zu sein, stets tatsächlich nur eine Momentaufnahme im Hirn ist. Ein, zwei Tage später sind neue und andere Situationen zu meistern, in denen beim Versagen dann wieder die eigene Glücklosigkeit bejammert wird.

Im China-Restaurant werden zur Rechnung gerne Glücks-Kekse gereicht. Saublöder können die darin enthaltenen Zettelchen mit Sprüchen oft nicht formuliert sein, weil der Gebäck-Beipackzettel ja von den industriellen Herstellern irgendwo aus Asien in viele Sprachen der Welt übersetzt werden muss. Denn überall wird gerne chinesisch gegessen. 
Am besten hat mir der Keks in einem Restaurant in Helsinki gefallen, weil mein Finnisch durch absolutes nicht Vorhandensein glänzt. Aber aufgehoben habe ich den dann doch jahrelang in meinem Geldbeutel!, Bis es den Google-Übersetzer gab: Sinun ei tarvitse pitää kiinnionnelli suudesta, se löytää sinut aina Könnt ja mal selbst nachgoogeln, was das heißt...

Meine Patentante "dat Jerda" wie man auf Kölsch sagt, war nicht nur eine exzessive, sondern auch eine leidenschaftliche Raucherin. Für sie bedeutete es das größte Glück weiter zu rauchen, als sie mit achtzig, die letzte Operation mit nur noch Bruchteilen eines Lugenflügels überstanden hatte. Sie überlebte ihre Tochter Domenica, die nicht das "Glück" hatte, ihren Raucherkrebs mit Mitte fünfzig zu besiegen...

Natürlich denke ich auch oft nicht besonders nach, wenn ich "Glückwunsch-Karten" schreibe. Zwar wünsche ich meistens vor allem Gesundheit, aber dann rutscht mir das Wort Glück doch immer wieder raus. Was blöd ist, weil die meisten meiner überlebt habenden Bekannten und Freunde - wie ich - von der Vorsehung überreichlich bedacht worden sind.

Ich habe auch für diesen Post das Internet bemüht. Unter anderem die Seite aphorismen.de zum Thema Glück aufgerufen. Die geht einem dann aber ganz schön auf den Keks, weil sich ja so viele berufen fühlen, über das Glück zu schwadronieren. Dort empfahl man mir aber nach dem dritten Zitaaat qua Werbe-Banner einen Büstenhalter, der sich anfühlen soll, als trüge man keinen. Ja wozu brauche ich den dann? Ich wollte aber nicht darüber nachdenken müssen, ob ich Glück hatte, keine Frau zu sein.

Was braucht einer Aphorismen, wenn es Disney-Cartoons gibt?
Der geschneckelte Glückspilz Gustav Gans bemüht sich sein
gesamtes Comic-Leben schon vergebens dem Dödel Donald
die schöne Enten-Dame Daisy auszuspannen.
Das größte Glück bedeutet nämlich gar nichts, wenn man in der Liebe versagt:
Entdeckt bei Pinterest

Sonntag, 2. August 2020

Oben angekommen

Zuerst hörten wir sie nur am Meer, dann waren sie auf einmal in den Bäumen vom capo luogo. Dass sie gelegentlich schon am Parkplatz unterhalb der Burg waren, konnten wir an ihren Leichen auf der Prozessions-Treppe erkennen. Da haben Vögel wohl gedacht, sie seien eine Leckerei. Aber ohne entsprechendes Einbruchswerkzeug sind die - wie Hummer - nicht zu verspeisen. 
Nun hören wir sie, wo immer in den Gärten um uns herum hier oben auf der Burg größere Bäume stehen.

Unser Haus am Burgplatz liegt exakt so hoch über dem Meer wie das Glashaus in München, von wo aus ich ja winters schreibe. Werden also wanderlustige  Mittelmeer-Zikaden bald in den Robinien oder den Haselnuss-Bäumen nisten, die dort bis vor unsere Glasfront im vierten Stock reichen? Dann könnten sie sogar den Verkehr übertönen. Hier in der meist vorherrschenden Stille wären sie - bliebe ihre Zuwanderung ungebrochen - demnächst vom Morgengrauen bis Sonnenuntergang die beherrschend Geräusch-Kulisse. 

Gewissermaßen ist ihr kreischendes Singen oder Krächzen also auch der Kanon des Klimawandels. Da sie sich ausschließlich von Blätter-Saft ernähren, ist anzunehmen, dass sie entlang der  Strada dell'Olio zunehmend auch auf den "höheren" Geschmack des Oliven-Blattwerks gekommen sind.
Männliche Sing-Zikade mit goldenen Flügeln - von mir ein wenig "aufgehübscht"...
cd.paint-collage  August 2020



Entomologen haben die südlichen Berg-Zikaden-Arten bereits nördlich des Alpenhauptkammes vermehrt registriert. Aber die waren schon immer Höhen von über 1000 Metern gewöhnt. Bislang dachten die Insektenforscher, dass die mediterranen Arten Höhen von über 300 Meter eher meiden.

Die 400 Zikaden-Arten, die weltweit verbreitet und von denen "geräuschlose" auch in deutschen Gärten als Schädlinge zu finden sind, haben eines gemeinsam - ob wir sie hören oder nicht: Grundsätzlich geben die männlichen Tiere den Ton an, und der ist so unterschiedlich wie teilweise auch ihr Aussehen. Wer ihr Verhalten analysiert, entdeckt durchaus auch Ähnlichkeiten zu Donald Trump. Je näher ein zu begrapschendes und potenziell zu begattendes Weibchen heranrückt, desto lauter wird der "Zikado". Ob das der Holden immer gefällt, was sie zu hören bekommt, ist nach menschlichem Geschmack fraglich. Mein Ohr fragt sich bei 90 von hundert abgehörten Zikaden-Geräuschen jedenfalls, wieso die Entomologen das Gesang nennen? 
Aber hört selbst! Da haben sich tatsächlich welche gefunden, die diverse Stimmen verschiedenster Zikaden gesammelt haben: