Dienstag, 31. Juli 2018

Auf der Suche nach den Windkreuzen

Um denen, die davon wissen, gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen:Das Windkreuz ist ein Begriff aus der Architektur. Es diente früher zur Stabilisierung des Giebels, wurde gerne in der Fachwerk-Technik verwendet, aber letztlich durch festere Werkstoffe überflüssig. Aber um das geht es hier nicht.

Um bei der aktuellen Hitze nicht den ganzen Tag im gar nicht mehr so kühlen Haus verbringen zu müssen, nehme ich einen Stuhl und gehe auf die Suche nach Windkreuzen, also Punkten, an denen je nach Richtung mehrere Brisen aufeinander treffen. Bald habe ich für die gesamte Windrose im Borgo Stellen gefunden, an denen zumindest laue Lüftchen einander begegnen oder sich kreuzen. Da ist es dann wie unterm Ventilator.

Dort stelle ich dann meinen Stuhl auf und versinke in einem meditativen Zustand. Für Touristen sieht das natürlich komisch aus, und nachts mache ich ihnen vermutlich angst. Aber die Contadini haben sich längst an meine Spleenigkeit gewöhnt.
Der "Nachtwächter"

Vor allem dort, wo die engen Gassen länger überbaut und schattig sind, hat der Wind-Catcher bei den Quergassen den meisten Erfolg. Am liebsten sitze ich natürlich auf dem Stern der Piazza, wenn der Schlagschatten unseres Hauses ihn um die Mittagszeit erreicht...
Hinter dem Torbogen an der Burg kommt ein Windkreuz der Extraklasse

Sonntag, 29. Juli 2018

Wandel-Klima

Willy Brandt
Als der "SPD-Kärrner" Herbert Wehner unter anderen dem Kanzler Willy Brandt den Dolch in den Rücken jagte, benutzte er einen als Diskriminierung gedachten Satz:
"Der Herr Bundeskanzler badet gerne lau."
Herbert Wehner

Die SPD, wie sie die beiden vertraten, existiert ja leider so nicht mehr. Der Klima-Wandel in der Bundes-Politik braucht keine Volkspartei mehr. Eher wird nach harten Kerlen mit noch härteren Sprüchen verlangt. Da braucht es Lauwarm-Duscher nicht mehr. Oder doch?

In der Süddeutschen vom Wochenende hat es Star-Autor Werner Bartens immerhin mit seiner Theorie "Cool bleiben!" auf die Titelseite gebracht. Nach der hätte also Willy Brandt in der hitzigen Politik von damals mit lauem Baden alles richtig gemacht.

Werner Bartens
Wir Nord-Menschen seien nämlich durch Klima-Anlagen, Eisschränke und auch weiter unangepasstes Leben nicht mehr in der Lage Temperaturen auszuhalten, für die wir bei lauwarmen Leben durchaus prädestiniert seien. Statt eiskalten Drinks und heiß Duschen empfehlen Bartens und seine Quellen das lauwarme Leben für Temperaturen über 30 Grad.

Hier auf der Burg war es den gesamten Juli kühler als beispielsweise in München.
Die Schwägerin schrieb, für Wärme müsse man wohl nicht länger nach Italien. Wie recht sie damit hatte, bestärkten Münchner, die gerade angekommen waren:

Angesichts von 24 Grad am Abend jauchzten sie auf und lobten unser erfrischen atmungsaktives Klima. Da gönnen wir uns im Wandel-Klima doch gleich mal unsere vierte lauwarme Dusche...

Freitag, 27. Juli 2018

Stich um Stich

Spielkarten und ich, das ist leider keine Erfolgsstory. Irgendwann habe ich deshalb auch aufgehört, mit meiner Frau zu karteln. Und als dann meine Kinder den Durchblick hatten, spielten sie mich auch bald an die Wand. Was genau Karten gegen mich haben, fand ich leider nie heraus.

Ich tröstete mich mit dem Spruch "Pech im  Spiel, Glück in der Liebe".

Aber dass es tief in mir weiter brodelte, merke ich in den letzten Jahren, in denen eine klammheimliche Freude in mir aufstieg. Nämlich, wenn hier die Pappadaci, Mücken, Oliven-Fliegen und  neuerdings auch Jagdspinnen in der feuchten Luft ihren Blutdurst stillen.

Wie einst beim Kartenspielen kassiert die "Fürsorglichste" nun Stich um Stich, obwohl sie sich mit allen erdenklichen Kampfstoffen einsprüht. Ich würde ja in mich hinein grinsen, aber leider besteht sie auch mitten in der Nacht darauf, mir das zustande Kommen jedes einzelnen Stiches zu dokumentieren. Dann drückt sie mir die Salbe in die Hand, und ich muss jeden Hubbel sorgsam betupfen. Also bin ich wieder der Verlierer..

Gestern waren wir bei unserer mittlerweile hoch geschätzten Schweizerin zum Geburtstag eingeladen. Alle - außer mir, der das Zeug grundsätzlich nicht riechen kann - sprühten sich immer wieder ein, wurden aber dennoch gestochen. Ich spürte die Tierchen zwar, aber aus irgendeinem Grund drehten sie dann ab und taten sich dann bei den anderen gütlich.


Vermutlich pulsiert in mir das böse Blut der Schadenfreude.

Mittwoch, 25. Juli 2018

Verwandlungen

"Le Troisème Age" ist der französische Wert-Begriff für Menschen, die nach dem Arbeitsleben noch einmal Schwung in ihr Leben bringen wollen. Mittlerweile ist das "dritte Alter" in Frankreich zu einer echten Bewegung geworden. Reisen, Sport-Treffs, Kultur-Kurse sowie Wellness-Angebote werden unter diesem Label angeboten.

Als ich selbst noch nicht in diese Altersklasse gehörte, begegnete ich Reisegruppen aus rüstigen Rentnern weltweit, vor allem aber in den französischen Übersee-Departements. Kennzeichen: laut, fröhlich und auch trinkfest.

So unternehmungslustig, dass Soziologen nach dem Trisième Age den Begriff Quattrième Age für Leute verwenden die richtig alt und durch Krankheiten auch weniger unternehmungslustig sind.

Altersgrenzen verwischen immer mehr. Manche, die nicht aufhören wollen zu arbeiten, verdingen sich in der Entwicklungshilfe und bei uns aktuell in der Betreuung von Flüchtlingen.

Hier auf der Burg gibt es dem Alter nach Alte, die sich neu erfunden haben. Ganz oben an der Spitze der
Mäzen vieler Errungenschaften, der längst pensionierte Lehrer vom Poly-Technikum, der täglich in die Bibliothek geht, die er dem Borgo auch noch hinterlassen will. Er ist 94 und lässt sich nur an nicht so guten Tagen von recht kurvigen, jungen Betreuerinnen begleiten.

Unsere beiden Musik-Professoren bilden zusammen mit meiner Frau ein Team, dass unsere Piazza so schön macht, dass in der Ferien-Zeit immer wieder Touristen unter den Bögen und an unserer Fontana Pause machen.

Ich bin ein wenig neidisch auf die 70 und 80jährigen Deutschen, die immer noch Jahr für Jahr ihre  Häuser hier aufsuchen, aber fast täglich - selbst bei der aktuellen Brut-Hitze - unterwegs sind.

Mir bleibt leider nur noch das Schreiben, aber die damit verbundene Hoffnung, dass meine Nachkommen, wenn sie das Haus denn mal übernehmen, in der Lektüre einiges wieder erkennen.

Auch, dass es noch möglich ist, sich mit sechzig Hals über Kopf zu verlieben und in einem "neuen Leben" Erfüllung zu finden. Sich mit einer Liebe neu zu erfinden, erprobt gerade unsere hochgewachsene Schweizerin, die sich bei Renovierungsarbeiten in ihrem Haus verliebt hat.  Er ist ein Muskelpaket mit einer langen Legende, die ihm quasi Kenntnisse in allen Handfertigkeiten beschert hat. Zum Teil hat er auch bei der Rekonstruktion von  Häusern im Borgo Hand angelegt.
Jetzt ist er auf der Bio-Bauern-Schiene unterwegs, und will mit seiner neuen Liebe eine Azienda Agricola betreiben. Tagtäglich geht  die ehemalige CEO nun in Latzhosen und Männer-Hemden in die Campagna und kommt abends erschöpft aber glücklich mit ihrem neuen Fix-Stern Händchen haltend über die Piazza.

Eine persönliche Neu-Erfindung, die wir mit vollem Herzen unterstützen. Ein Wochen-Abo für Gemüse haben wir schon abgeschlossen Wenn auch noch Öl, Eier und Hühner dazu kommen, ist es dann schon beinahe so wie in alten Zeiten....

Sonntag, 22. Juli 2018

Großartige Gewitter










Es war so zu erwarten: Eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen um die 30 Grad. Das lässt die Oliven-Bauern und Gemüse-Gärtner mit zwiespältigen Gefühlen zu den Wolken-Bergen hinauf schauen. Einerseits freuen sie sich über die Gratis-Bewässerung, andererseits kann keiner voraussehen, ob sich in den hohen Türmen nicht auch Hagel bildet. Wir haben das einmal hier erlebt, dass ein etwa 300 Meter breiter Streifen vom Impero unten bis hinauf  zur Burg die ganzen noch jungen Früchte von den Zweigen gefegt hat. Die Landleute hätten wohl kein Verständnis dafür, dass ich die Entladung immer regelrecht herbei sehne.


Eine Minute später
Das ist so seit der Volksschule, in der ich sehr zu leiden hatte, weil ich aus Hamburg kommend, nicht nur über den "spitzen Stein" stolperte, sondern auch extrem schnell sprach. Dafür musste man im Bayern der 1950er sogar nachsitzen. Aber zum Abschluss war mein Missingsch doch zu etwas nutze.
Unserem Direx war es eingefallen, die Abschluss-Klasse im Chor den Nis Randers von Otto Ernst dar zu bieten, und da war mein hanseatischer Tonfall für zwei Solo-Sätze geradezu prädestiniert.

Ich hatte furchtbares Lampenfieber und ging in den Schulgarten, um mich ab zu regen. Die Schwüle stand und ich schwitzte aus allen Poren. Dann brach ein für münchner Verhältnisse unheimlich starkes Gewitter los. Ich erreichte die Aula gerade noch trockenen Haars, sah aber trotzdem pitschnass aus
.

In wenigen Minuten war etwas in mir vor gegangen: Ich war entspannt und erleichtert. Bei meinen beiden Einsätzen trat ich selbstsicher vor und donnerte "Da hängt noch ein Mann im Mast. Wir müssen ihn holen!", im für den Norden typisch. nasalen Ton. Und beim zweiten meiner Solo-Einsätze " Sag Mutter, s'ist Uwe!" brandete der Applaus los.

Gestern kamen auch mindestens "drei Wetter zusammen". Meine Frau und ich saßen oben in unserem nur durch Kerzenschein erhelltem Wohnzimmer und genossen diese Gala-Vorstellung der Natur. In der Nacht schlief ich sanft und ruhig wie ein Baby. Entspannt durch ein großartiges Gewitter.

Freitag, 20. Juli 2018

Gegen den Strom

Gut kann ich mich noch erinnern, wie in Deutschland der Energie-Markt liberalisiert wurde. Da gab es auf einmal gelben Strom oder einen, der vorgab eine Art Sauerstoff zu sein. Aus der Steckdose kam aber immer nur eine Versorgung mit Elektrizität. Die Lockvogel-Angebote ließen uns kalt, denn wir wussten, dass jeder Markt sich kurz über lang einpreisen würde. So änderte sich in Deutschland für uns nichts.

Mit beinahe einem Jahrzehnt Verspätung fiel auch in Italien das Monopol. Nur gab es hier eine Zwangsscheidung auf italienisch, denn es hüpften auch Anbieter mit unsauberen Methoden auf die nun freie Versorgung mit Strom. Bis der staatliche Konzern ENEL sich gegen Abwerbung sichern und entsprechend für den freien Markt aufstellen konnte, waren Legionen von Callcenter-Leuten damit beschäftigt, Verbraucher in eine Falle zu locken. Was vor allem für jene galt, die des Italienischen - in Maschinengewehr-Tempo  herunter gerattert - nicht mächtig waren. Zwar ist Telefon-Marketing in ganz Europa untersagt, aber wenn es ein Adressen-Leak mit Steuernummern gibt, ist man zunächst machtlos gegen die Fangfragen. Ein Si oder Confirmo an der falschen stelle, und schon wurde das als Einverständnis für einen neuen Vertrag gewertet. Da konnte einer am Ende des Gespräches noch so dringlich beteuern, dass man nichts von all dem verstanden hätte.
Einmal brüllte ich verzweifelt in den Hörer: "M'interesso un cazzo!"

Es half nichts. Plötzlich bekamen wir Rechnungen von Firmen, die sich Greennet oder Iren nannten und als erstes nach neuem Recht die Fernsehgebühr in Rechnung stellten.

Schon einmal hatten wir eine Stromsperre, die hier einen endlosen Nerven-Krieg auslöste. Deshalb warteten wir, wer mahnen würde und ließen uns von unserer Deutsch-Italienischen Freundin beraten.
Das Schwimmen gegen den Strom dauert nur schon 24 Monate. Jetzt endlich ist ENEL auf den "neuen Markt" eingestellt und begrüßt uns - Achtung! - nach beinahe zwei Jahrzehnten als neue Kunden.

Mittwoch, 18. Juli 2018

Wie ich mir, so du dir

Was die Weltmacht ohne Welt macht:


Ein Spitzen-Gespräch zweier Narzisten. Quasi ein Puppenspiel






"Ich kann deine rotblonde Schiebe-Frisur bald nicht mehr sehen."

"... Und ich deine Hühnerbrust, du Poser!"

"Mein Gott, wie ich dich hasse!"

"Du sagst Gott zu mir? Da liegst du absolut richtig. Götter hassen nicht, sie strafen."

"Boa eyh! Ich würde dir am liebsten eine reinhauen."

"Nur zu. Was wird so ein kleiner Russky schon für 'nen Punch haben."

Boinnggg!

"Aua! Tat gar nicht weh, aber hier nimm den! American fist!"

Boinnggg! Boinnggg!

"Du Scheiß-Ami hast zweimal zugeschlagen. Na warte!"

"Du wolltest es ja so. Außerdem hast du ja angefangen."

Boinngg! Boinnggg! Boinnnggg! Boinnnggg! Boinnggg! Boinnggg!

Wer in aller Welt angefangen hat, war nicht mehr wichtig, Die Welt war nicht mehr da.
Nur noch ein kleiner dampfender Scheißhaufen in der unendlichen Galaxis

Montag, 16. Juli 2018

Klein Adlerauge

Die "Fürsorglichste von allen" ist ein paar Monate älter als ich. Das bedeutet, dass ihr bereits Dinge widerfahren, die bei mir noch nicht auf der Schadensliste stehen. So hat sie sich auch längst neue Linsen in ihre immer noch himmelblauen Augen operieren lassen, was ich Jahr für Jahr auf die lange Bank schiebe.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sie im Nahbereich ein Sehvermögen, dass mir zeimlich auf die Nerven geht. Vor allem beim Essen. Da sitzt sie mir gegenüber und lässt urplötzlich den Faden der Unterhaltung schießen, um mit starrem Blick auf den Punkt zu sagen:
"Du hast das was!"

Manchmal handelt es sich um ein winziges Krümelchen, aber leider sehr oft auch um einen akuten Fall meiner wachsenden Kleckeritis, die mir meine Mutter vererbt hat. Meine Mutter schneiderte sich viel selbst. Dazu gehörten viele Blusen mit Schal-Kragen quasi in Lätzchen-Form. Wenn sie mal kleckerte, dann band sie einfach den Kragen andersherum.

So etwas Schickes habe ich leider nicht. Ich mag aber auch nicht wie ein Pate mit in den Kragen gesteckter Ganzkörper-Serviette in den hiesigen Restaurants herum sitzen. Die Leute könnten ja auf gänzlich falsche Gedanken kommen...

So ertrage ich "Klein Adlerauge" grimmig, auch wenn sie Korrekturen an meinem bekleckerten Erscheinungsbild auch vor Gästen und Freunden verlangt.

Gelegentlich wünsche ich mir egoistisch, sie hätte auf die Linsen verzichtet. Denn ich sehe sie immer noch faltenlos und rosig in ewiger Jugend.

Schlecht Sehen ist manchmal eventuell besser als schlecht Hören. Unser Freund von gegenüber hatte  wohl gestern dem Gespräch beim alljährlichen Essen in Cosio di Arroscia nicht konzentriert gefolgt.
Die Festa delle Erbe ist ja berühmt dafür, das man allerlei botanische Raritäten kaufen kann.

"Linsen? Wo habt ihr die gesehen? Linsen sind ja mein Leibgericht!"

Schon war mein verkleckertes Hemd aus dem Fokus.

Freitag, 13. Juli 2018

Postkarten?

Wer schreibt eigentlich noch Postkarten, wenn er Selfies mit prominentem Hintergrund von seiner Reise an die daheim Gebliebenen in Sekundenschnelle an alle verschicken kann?

Die "Fürsorglichste" und ihre beiden Schwestern tun es noch. Alle drei sind ein wenig oldfashioned, was sich unter anderem darin äußert, dass sie auf Smart-Phones und Computer verzichten. Auf der Suche nach geeigneten Antwort-Karten tut sich meine Frau von Jahr zu Jahr schwerer. Vor annähernd  zwei Jahrzehnten gab es wenigstens noch historische Aufnahmen unserer Doppel-Stadt, die man verschicken konnte.

Einer meiner ehemaligen Partner, ein großartiger Maler und Grafiker, hatte von jeher Ideen eigene Karten zu komponieren, auf denen er geheime Botschaften und witzige Mikro-Zeichnungen zu selbst aufgenommenen Schnappschüssen verband. Sie hängen immer noch hinter einer Schrank-Klappe in der Küche und überraschen vor allem diejenigen, die sich in unserem Haus noch nicht so gut auskennen.

Gestern nun passierte etwas revolutionäres. Unser Lieblings-Metzger daheim hatte meine Frau darum gebeten, doch mal eine Karte aus Italien zu schicken. Als ich zu ihr bemerkte, dass ihm das wohl keinen richtigen Eindruck von hier oben vermittele, bot ich ihr an, stattdessen einige Fotos von hier oben an seinen Computer zu schicken.

Wie ich mein normales Mail-Programm öffnen will, wird es von einer Werbe-Webseite blockiert, die durch nichts zu entfernen ist. Die Umwege, mit denen ich die Bilder dann dennoch verschickt habe, erspare ich meinen Lesern, die sich vermutlich über mein Unvermögen totlachen. Was ein Drama wäre, denn so viele habe ich ja nicht...

Jedenfalls muss ich dem aktuellen Werbevideo eine Lotterie recht geben:
Im Netz geht so einiges!

Mittwoch, 11. Juli 2018

Vom geheimen Leben der Mauersegler

Ist schon leicht zu verwechseln: Rondoni sind die Mauersegler und Rondini die Schwalben. Auch in der Luft sind sie nur für geübte Ornithologen auseinander zu halten. Am ehesten noch durch den sprichwörtlichen Schwalbenschwanz. Flugstil und Jagdmethode sind ähnlich. Allerdings sind Mauersegler um einiges schneller. Dafür bauen sich die Schwalben mit ihrem speziellen Speichel kunstvolle Nester mit schicken Einflug-Löchern, während die des Gehens unkundigen Mauersegler sich Lücken im Gestein oder eben Mauern suchen müssen.

An der Piazza haben wir keine Mühe, die beiden zu den Seglern gehörenden Arten auseinander zu halten. Die Burgmauer gegenüber ist alleine die Wohnanlage für die Mauersegler. Sie werden zwar immer weniger, aber noch können wir die nachfolgenden Generationen flügge werden sehen.

Gerade jetzt haben die unter der Obhut älterer Vögel stehenden, jungen Segler ihre Trainingstage für die Wanderung. Eigentlich sind sie ja Zugvögel, aber immer mehr werden durch den Klimawandel zu Standvögeln.

Die Rituale der Erziehung bleiben jedoch die selben. Mitunter sind es ein Dutzend, die gleichzeitig enge Kurven in der Piazza fliegen und dann auf ein geheimes Kommando Schein-Anflüge auf ihre Nester erproben. Manchmal gibt es dann um ein Loch heftiges Gerempel, aber es kommt nie zu den folgeschweren Abstürzen, bei denen sie dann auf dem Boden eher hilflos herum kreuchen.

Als ich neulich beim Frühstück vom hervorragend strukturierten Leben der Segler schwärmte, und wie einzigartig schnell sie ihre "Kinderstube" überwinden, meinte meine Frau scherzhaft:
Schwalbennester gereinigt und
für den Konsum ala
Suppe bereit.
"Die haben ja auch keine Ablenkung durch Fernsehen und Computer und müssen sich später keine Arbeit suchen. Herum Rasen, das können sie. Von bestimmten Schwalben machen ja die Chinesen ihre berühmte Schwalbennester-Suppe. Das ist wenigstens ein Nutzen."

Natürlich war das nicht ihr Ernst, aber ein Hinweis, dass ihr mein aus dem Internet zusammen getragenes Wissen über Mauersegler langsam auf den Zeiger geht...

"Was weißt denn du  schon?", griff ich ihren Ton auf.
"Natürlich haben die Fernsehen. Und zwar klitzekleine in Drei-D, die sie auf dem Zug in Ruhepausen ehe sie in der Luft einschlafen einschalten, um Nachrichten über die Mücken-Lage im Ankunftsort zu empfangen. Den Computer haben sie im Kopf, und bei entsprechenden Vielflieger-Meilen-Boni können sie sich auch kleine Hängematten für ihre Nester bestellen..."
Das Kilo Schwalben-Nester
 kann leicht 1000 Euro
kosten. Man muss nur  ans
Heilsame glauben.
(Quelle; Wikipedia)

Vergaß ich zu erwähnen, dass es hier recht heiß und feucht ist?


Montag, 9. Juli 2018

Wer früher trinkt, bleibt länger trocken

Die Überschrift ist kein Leitsatz für anonyme Alkoholiker, sondern eine Methode, die ich auf den Fahrten über die Sinai-Halbinsel von Beduinen gelernt und auf der Karawane im Negev später praktisch anwenden konnte.
Kufya auf dem Kopf
allein reicht nicht. In der
Wüste braucht man
die Tricks der
Einheimischen, um
an Wasser zu kommen.
Siehe auch der
Burgschreiber

Allerdings ist das Wüstenklima meist extrem trocken, und lässt einen die Temperaturen eher ohne Schweiß ertragen, wenn man leicht und in mehreren Schichten gekleidet ist. Beduinen trinken das kalte Wasser aus den tiefen Brunnen vor Sonnenaufgang, dann trinken sie noch eine ihrer Reise-Kannen voll Pfefferminz-Tee, und das war es  mit der Flüssigkeits-Aufnahme bis Sonnenuntergang.
Die Beduinen sind wie ihre Tiere Meister im Verbrauch des
kostbaren Wassers. Dabei sitzen sie buchstäblich
auf einer der größten Süßwasser-Kavernen
der Welt, was ihnen in einer gerechten Welt
vermutlich mehr einbrächte als das Öl

Bei feuchtheißen tropischen Temperaturen hilft das allerdings gar nichts. Im Matogrosso wäre ich bei einem kurzen Landgang vom Boot aus beinahe unter dem Laubdach ertrunken. Nach der Fahrtbrise auf dem Amazonas stand die Luft, und ich hatte nach zwei Minuten keinen trockene Faden mehr am Leib. Das blieb so bis zur Rückkehr in die Zivilisation.

Ganz schlimm ist es, wenn in so einem Klima formelle Veranstaltungen besucht werden müssen. Ich bin ein erbärmlicher Schwitzer seit der Kindheit, deshalb habe ich schon einen triefenden Bammel vor solchen Events. Im Süden von Sri Lanka war ich bei einer Einweihung dabei, die vom damaligen Präsidenten Junius Richard Jayevardene vorgenommen wurde. Es wurde um formelle Kleidung gebeten, die ich nicht dabei hatte. Also ließ ich mir in ein paar Stunden einen sogenannte Parliament-Suit anfertigen.
Da stand ich nun neben ein paar Offiziellen von der Deutschen Botschaft in Colombo, und der dünne Baumwoll-Kattun verschaffte meinem Körper quasi eine durchsichtige Hülle. War das peinlich!
Der Mato Grosso wird oft nicht zu unrecht
als "Grüne Hölle" bezeichnet. Wer seinen Wasserhaushalt
nicht regelmäßig ausgleichen kann, droht trotz des vielen
Wassers zu dehydrieren (Fotos: Claus Deutelmoser)


Um die Atmosphäre zu entspannen, raunte ich fragend unseren Diplomaten zu, ob denn das Auswärtige Amt in diesen Breiten ein absolutes Schwitz-Verbot erlassen hätte. Denn die Jungs im dunklen Anzug mit Hemd und Krawatte vergossen keinen Tropfen.
Sie waren dann auch schnell verschwunden.  Nicht ohne mir zur Beruhigung ihren Trick zu verraten:
Sie hatten in ihrem Dienst-Benz eine große Kühlbox für ihre Kleidung...

Seit drei Tagen haben wird nun auf der Burg ein Klima, wie ich es hier selten erlebt habe. Die Sonne erwärmt die Luft auf über 30 Grad im Schatten. Dann wird entweder das Tal im Nebelschleier versteckt oder es entlädt sich ein Gewitter. Dagegen helfen keine Tricks. Mir läuft selbst in meinem Arbeitszimmer der Schweiß derart in Strömen runter, dass ich um einen Kurzschluss beim Schreiben fürchten muss.

Klitschnass warte ich auf die Wohltat eines kühlenden Abends, der zumindest die Nacht erträglich macht. Ein Tipp für Dauerschwitzer wie ich einer bin: Ungeniert einfach laufen lassen. Denn wenn einem das Schwitzen Stress bereitet, hört es erst recht nicht auf

Freitag, 6. Juli 2018

Borgo di Belle

Seit immer mehr Männer sterben, denke ich hier oben an Fellini und seine "Stadt der Frauen" mit dem überragenden Marcello Mastroianni in der Hauptrolle. Natürlich gibt es hier auch noch junge Männer, die die Fahne ihres Geschlechts hochhalten, aber sie sind ja tagsüber selten hier.

Mir kommt es so vor, als seien die vedove nicht allein übrig geblieben, weil sie jünger waren als ihre Männer, sondern weil sie mehr innere  und physische Stärken haben. Das führt zu einer Art Matriarchat, was aber nicht unangenehm ist. Im Erscheinungsbild sind sie sich ähnlich, auch wenn sie weitgehend auf den Sexappeal verzichten, dem der Lüstling Fellini den donne maturate ein Denkmal setzte. (Die Marktfrauen im Film Amacord zu Beispiel).

Die beherrschenden Frauen gehen hier immer noch täglich, um sich um ihr Gemüse zu kümmern, in ihre Faschen, die keinesfalls alle in unmittelbarer Nähe liegen. Unsere Bürgermeister-Witwe, die gerade erst ihre Krücken los geworden ist, fährt nun wieder in ihren Obst- und Gemüse-Garten, Giordana, die ihren Falco erst im letzten Winter verloren hat, geht beinahe täglich zu den Wasserfällen. Sie ist über 80 und wirkt drahtig wie braun gebrannt gut 20 Jahre jünger.

Ich beneide sie sehr um ihre Fitness. Ich könnte das nicht mehr, obwohl ich ja ein Jahrzehnt jünger bin. Die "Fürsoglichste" auch nicht, aber da sie an ihrem Küchen-Tisch mit offener Tüt zur Piazza hin eine Art Ruhe-Pol in dieser Stille ist, kommen die Ladys gern auf ein Schwätzchen vorbei. Da sie Italienisch besser versteht als spricht, prasseln wahre Wort-Ergüsse über sie hinweg.

Es ist für mich immer wieder verblüffend, dass die Gespräche dann genauso lang werden, wie die mit ihren Schwestern daheim.

Heute war kurz nach dem Aufstehen die kleine Gesangs-Lehrerin von Gegenüber zu einem deutschen Kaffee und einem Dauer-Plausch bei ihr. Als ich das Geschnatter hörte, bin ich gleich zurück ins Bett. Marina, die eine sagenhaft jazzige Alt-Stimm beim Singen performt, dramatisiert beim Reden einige Oktaven höher.

Ich finde das toll, dass die Damen sie so einbeziehen, und noch toller ist es, nachher den ganzen Dorf-Klatsch zu späten Frühstück dargereicht zu bekommen...

Mittwoch, 4. Juli 2018

Keinen Bock !!!

Als ehemaliger Fußball-Schreiber und Co-Autor mehrerer Bücher über dessen Historie, gestehe ich, dass ich bislang nicht ein Spiel der aktuellen WM gesehen habe, und mir vermutlich höchstens das Endspiel gebe.

Das ist mein winziger Protest gegen den korruptesten Sport auf Erden, der zudem auch noch zum Glanz eines Regimes dient, das sich langsam wieder Richtung Stalinismus bewegt. Der Putinismus ist vielleicht weniger blutig, dafür aber noch perfider. Er nutzt den schönen Schein von sportlichen Großveranstaltungen und sonnt sich in Erfolgen, die meist mittels Doping erzielt werden.

Aber seit bekannt wurde, dass auch das sogenannte "Sommermärchen" von Lichtgestalten wie Beckenbauer gekauft wurde, ist es müssig auf andere zu zeigen. Der Sport generell in seinem Größenwahn spiegelt nur den moralischen Zustand der Welt wieder. Die Armen werden eines Tages die Reichen fressen. Dessen bin ich mir sicher. - Im Sport wie in der Gesellschaft.

Und was man plötzlich Zeit für andere Dinge hat. Denn TV-Glotzen ist für die reichlich entrichteten Gebühren auch nicht toll - bei all den Wiederholungen. ZDFneo wirbt sogar mit einem garantiert "Fußball freien" Alternativ-Programm aus ollen Kamellen...

Ich blicke deshalb lieber auf die Blütenpracht der Piazza, was nur oberflächlich betrachtet, eine kleine Perspektive ist. Vor allem nachts, wenn Geckos und Fledermäuse unterwegs sind, ist das recht spannend - auch wenn es da en detail  ebenso ums Fressen und gefressen Werden geht.

Montag, 2. Juli 2018

Das Öl des Odysseus

Als Odysseus verkleidet als Bettler zurück nach Ithaka kam, erkannte ihn der Schweinehirt Eumaios nach all den Jahren nicht und bewirtet ihn dennoch mit dem was er hatte: Brot, Öl. Salz und  Quellwasser. Die Literatur wertet das als Symbol für den Sieg der Einfachheit über Macht und Reichtum. Im 15. Gesang der Odyssee führt Homer auch Telemachos, den Sohn des Odysseus, bei Eumaios zusammen. Auch dies ist der erste literarische Trick der Weltliteratur, weil sich zwei Handlungen wie in einem Krimi vereinen.

Begriffen habe ich das aber erst später. In der Schule habe ich sowohl Ilias als auch die Odyssee als Lernstoff gehasst. Der Mann der mir  Augen und Ohren für die Schönheit der Gesänge Homers öffnete, war der ehemalige Bayrische Ministerpräsident Alfons Goppel, der absolut nicht meiner politischen "Couleur" angehörte.
Als Mitglied einer Delegation, die erst vom Bundespräsidenten empfangen wurde, sind wir anschließend von Goppel in die Vertretung Bayerns in Bonn zum  Essen eingeladen worden. Da wir mit Fahrdienst und Flieger unterwegs waren. wurde dem bayrischen Bier und Frankenweinen ordentlich zugesprochen. Anstelle einer Tischrede stand Goppel vor dem Nachtisch auf und rezitierte Homer in einem donnernden Altgriechisch. Keiner verstand ein Wort, aber alle waren ergriffen. Später referierte er im kleinen Kreis über die Symbolik der Speisung des Odysseus.

Man könnte der 16jährigen Amtszeit des stets landesväterlich auftretenden Universal-Gebildeten das Prädikat reformfreudig geben, hätte sein Nachfolger Strauß nicht vieles als sein Verdienst ausgegeben...

Wie dem auch sei, ist die Speisung des Odysseus genau für 50 Jahre in irgendeinem Winkle meines Gehirns versteckt gespeichert worden, Bis meine Tochter uns neulich tadelte, dass wir das für uns einzigartige Öl unseres Nachbarn Fulvio auch zum Kochen nähmen. Fulvio ist der Neffe der Seelen-Sammlerin, die uns sehr fehlt, seit sie ins Altersheim gekommen ist. Fulvio, der mit seinen Faschen eigentlich genug zu tun hätte, kümmert sich rührend um Haus und Hof seiner Zia. Jedesmal, wenn er heraufkommt, versorgt er auch uns. Mal sind es Kirschen, mal frische Kräuter oder Salat, und zu jedem Kanister Öl, die unserer Familie ihm abkauft, gibt es gratis Einmach-Gläser voller herrlicher Oliven. Den Preis verrate ich lieber nicht. Aber dem Schlaumeier, der in der Süddeutschen Zeitung vergangene Woche behaupte hat, es gäbe kein gutes Öl für 10 Euro den Liter, wünsche ich weiter, dass er den raffinierten Stoff der Luxus-Anbieter nehmen muss.

Aber zurück zu meinem Töchterlein, dessen Gourmet-Ausildung bereits im Kleinkind-Alter begann:
"So musst du das Essen, damit du weißt, was du verschwendest!"

Sie machte einen großen Klecks unseres Öls auf einen Teller, tauchte das einzigartige Brot vom Angelo del Pane ein und reichte mir das Teil wie eine Oblate beim heiligen Abendmal. Schlagartig kam mir Goppel und seine Rezitation des 15 Gesanges wieder ins Bewusstsein.

Seither gönne ich mir eigentlich täglich nachmittags zum Drink ein paar Scheiben mit dem goldenen Elixier.