Mittwoch, 25. Juli 2018

Verwandlungen

"Le Troisème Age" ist der französische Wert-Begriff für Menschen, die nach dem Arbeitsleben noch einmal Schwung in ihr Leben bringen wollen. Mittlerweile ist das "dritte Alter" in Frankreich zu einer echten Bewegung geworden. Reisen, Sport-Treffs, Kultur-Kurse sowie Wellness-Angebote werden unter diesem Label angeboten.

Als ich selbst noch nicht in diese Altersklasse gehörte, begegnete ich Reisegruppen aus rüstigen Rentnern weltweit, vor allem aber in den französischen Übersee-Departements. Kennzeichen: laut, fröhlich und auch trinkfest.

So unternehmungslustig, dass Soziologen nach dem Trisième Age den Begriff Quattrième Age für Leute verwenden die richtig alt und durch Krankheiten auch weniger unternehmungslustig sind.

Altersgrenzen verwischen immer mehr. Manche, die nicht aufhören wollen zu arbeiten, verdingen sich in der Entwicklungshilfe und bei uns aktuell in der Betreuung von Flüchtlingen.

Hier auf der Burg gibt es dem Alter nach Alte, die sich neu erfunden haben. Ganz oben an der Spitze der
Mäzen vieler Errungenschaften, der längst pensionierte Lehrer vom Poly-Technikum, der täglich in die Bibliothek geht, die er dem Borgo auch noch hinterlassen will. Er ist 94 und lässt sich nur an nicht so guten Tagen von recht kurvigen, jungen Betreuerinnen begleiten.

Unsere beiden Musik-Professoren bilden zusammen mit meiner Frau ein Team, dass unsere Piazza so schön macht, dass in der Ferien-Zeit immer wieder Touristen unter den Bögen und an unserer Fontana Pause machen.

Ich bin ein wenig neidisch auf die 70 und 80jährigen Deutschen, die immer noch Jahr für Jahr ihre  Häuser hier aufsuchen, aber fast täglich - selbst bei der aktuellen Brut-Hitze - unterwegs sind.

Mir bleibt leider nur noch das Schreiben, aber die damit verbundene Hoffnung, dass meine Nachkommen, wenn sie das Haus denn mal übernehmen, in der Lektüre einiges wieder erkennen.

Auch, dass es noch möglich ist, sich mit sechzig Hals über Kopf zu verlieben und in einem "neuen Leben" Erfüllung zu finden. Sich mit einer Liebe neu zu erfinden, erprobt gerade unsere hochgewachsene Schweizerin, die sich bei Renovierungsarbeiten in ihrem Haus verliebt hat.  Er ist ein Muskelpaket mit einer langen Legende, die ihm quasi Kenntnisse in allen Handfertigkeiten beschert hat. Zum Teil hat er auch bei der Rekonstruktion von  Häusern im Borgo Hand angelegt.
Jetzt ist er auf der Bio-Bauern-Schiene unterwegs, und will mit seiner neuen Liebe eine Azienda Agricola betreiben. Tagtäglich geht  die ehemalige CEO nun in Latzhosen und Männer-Hemden in die Campagna und kommt abends erschöpft aber glücklich mit ihrem neuen Fix-Stern Händchen haltend über die Piazza.

Eine persönliche Neu-Erfindung, die wir mit vollem Herzen unterstützen. Ein Wochen-Abo für Gemüse haben wir schon abgeschlossen Wenn auch noch Öl, Eier und Hühner dazu kommen, ist es dann schon beinahe so wie in alten Zeiten....

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