Donnerstag, 29. August 2019

Bewegungen

Es scheint ein logischer Antagonismus zu sein: Wenn die Politiker es versäumen, dem Wähler eine annehmbare Richtung vorzugeben, sammeln sie isch in neuen Formationen. Es wäre aber fatal, dem Volk Erfolg oder Misserfolg zu zu scheiben, denn jedwede Bewegung braucht einen dauerhaften Antrieb. Der aber kommt nur selten von den Ursprüngen, sondern wird schnell und unbemerkt von Einzelnen in bestimmte Richtungen manipuliert.

Wenn die "Welle" nicht bricht, besteht eben immer die Gefahr des gewaltsamen Umsturzes, und da sei die Staatssicherheit vor...

Starke Welle schnell abgeebbt.
Die Gelbwesten. Quelle: Deutschlandfunk
Hier eine kleine Übersicht über Bewegungen der letzten Jahre: In Deutschland gab es den Einfluss der PEGIDA, in Großbritannien den Wunsch nach dem BREXIT, in Frankreich erhob sich "EN MARCHE" gegen LePen und Sarkozy, die wiederum inszenierten die GELBWESTEN  gegen diesen jungen Quereinsteiger Emmanuel Macron (wo sind die übrigens in dem heißen Sommer abgeblieben?). - Und Italien erhob sich gegen die Jahrzehnte dauernde Misswirtschaft, den korrupten parlamentarischen Apparat und den Wunsch nach transparenterer Demokratie in der Bewegung "CINQUE STELLE". - Und die wurde "politisch"ebenfalls komplett unerfahren zum Steigbügel-Halter der nationalsozialistischen "LEGA"

Überlegen wir kurz einmal, wie lange die GRÜNEN in Deutschland gebraucht haben, um nicht nur "salonfähig" zu werden, sondern sich aus der Rolle als Koalitions-Anhängsel zum 'Regierungs-Aspiranten zu entwickeln. Da blieb es auch nicht aus, sich mit dem harten und steinigen Untergrund der Real-Politik zu arrangieren.

Bei den "FÜNF STERNEN" ging es von Null auf Hundert ans Regieren. Heute muss Europa geradezu dankbar sein, dass sie es in derartiger Stärke direkt in die Parlamente Italiens geschafft haben. Und es war vielleicht gut, dass der Koalitionspartner so laut und undiplomatisch Nazi-Politik gemacht hat, dass er damit von der eigentlichen Regierungs-Schwäche der Sterne-Partei abgelenkt hat.

Könnte Europa aus italienischer Sicht
eine neue Perspektive geben:
mehr  als ein Übergangspräsident. Einer auf den man
vielleicht zählen kann? Forse conta -
im Wahrsten Sinne des Wortes!
Giuseppe Conte - parteilos
Die 180-Grad-Wende in die Koalition mit den Sozialdemokraten - so sie denn heute vollzogen wird - könnte funktionieren, wenn sich die Bewegung an die Vorsätze hält, mit denen sie vom Italienischen Volk in die Kammern gewählt wurden: Im teuersten demokratischen Zweikammer-System der Welt aufzuräumen, die Steuer- und Finanz-Politik der mit vielen Vorurteilen  belasteten EU anzupassen. Es wird weiterhin schmerzhaft sein, aber führt wenigstens nicht in eine Diktatur, die diskriminiert und Völkerverhetzung betreibt.
Europa braucht - wenn der Brexit überhaupt erfolgt - gerade dann ein Italien, das mit Hilfe von uns Nachbarn die einstige Größe als innovative und kulturell Ton angebende Industrie- und Agrar-Nation wieder erlangt.
Damit der Brexit nicht so finster wird wie bei pixabay braucht Europa ein starkes und verlässliches Italien

Mittwoch, 28. August 2019

Im Herzen schon Herbst

Vielleicht nehme ich seine Botschaften schon früher wahr als andere, aber schon als Jugendlicher voller Saft und Kraft war der August ab der Mitte gefühlt der erste Herbst-Monat. Hier oben auf der Burg ist er gerne ein Täuscher und Blender - mit seiner Farbkraft und den sich noch einmal aufheizenden Temperaturen.

Die letzten beiden Tage und die Nächte mit absurden Träumen empfanden meine Frau und ich als "schwitziger" und aufwühlender als die im heißesten Sommer. Schon vor der Diskussion um die Anzeichen des Klimawandels, der ja auf der Burg auch nicht mehr weg zu leugnen ist, fand ich den Begriff "meteorologischer Sommer" in Relation zum Kalender falsch.

Meine Frau ist ein Herbst-Mensch. Sie führt das darauf zurück, dass ihr Geburtstag im Oktober ist. Zeit meines Lebens bin ich ein Frühjahrs- und Sommer-Mensch, obwohl ich beruflich wie kaum jemand von regulären Wintern abhängig war. Ich bilde mir das gewiss nicht ein, aber so wie meine "Innere Uhr" nur selten versagt, nehme ich die Signale und Vorboten des Herbstes wahr und reagiere im Unterbewusstsein auf die dunkleren Morgen, die gleißende, tiefer stehende Nachmittags-Sonne und die merkwürdige Schwüle. Unten am Impero lassen die Platanen bereits ihre ersten braunen Blätter fallen.

Gebündelt gehen mir die Eindrücke zu Herzen, und im Hirn werden offenbar Botenstoffe auf den Weg geschickt, die mich von jeher traurig stimmen. Aber wie sagte ein berühmter Seelen-Klempner aus der Donau-Metropole: Man muss sich auf die Seelen-Zustände einfach in dem Bewusstsein einlassen und einstellen, dass sie sich bald wieder aufhellen.

Und dann kommt er ja auch wirklich: Der Herbst mit seinen prachtvollen Farben, den Feldfrüchten und den Erntedank-Ritualen, die ja auch das Leben in Bayern so einzigartig machen...

Sonntag, 25. August 2019

Albero a camme

Was haben wir Deutschen uns früher gerne in Italien über lustige, den Sinn verfremdende Übersetzungen lustig gemacht. Seit ich in Italien lebe, merke ich oft, wie die Leute hier über meine Briefe schmunzeln, die ich in Ermangelung ausreichender eigener Italienisch-Kenntnisse mit dem Google-Übersetzer zusammen geschustert habe.
Doch die Übersetzungsprogramme werden immer ausgeklügelter. Vielleicht erlebe ich das noch, dass mein Handy mir den Live-Dialog in den gängigsten Sprachen ermöglicht. In einem Film sah ich neulich jedenfalls, wie eine chinesischen Managerin mit so einem Ding eine Verhandlung im Auto führte.
Gibt's jetzt schon beim Versender:
Zwei Angebote von Amazon.
Unten das TAPEO mit angeblich 137 Sprachen

So schlecht bin ich ja eigentlich nicht in Fremdsprachen. Dennoch habe ich mich immer aufgeregt, dass ich nicht mehr kann. In meinem Beruf kam man nämlich immer wieder mit ausländischen Sprach-Genies zusammen. In Tokios damals Ende der 1970er noch mehr Nacht- als Nobel-Viertel Akasaka wurde ich beispielsweise nachts in recht angeheiterter Stimmung aus einer Gruppe Chinesischer Offizieller in grauen Mao-Anzügen wegen einer flapsigen Bemerkung in lupenreinen Deutsch mit leichter rheinischer Klangfärbung angesprochen. In der Folge erfuhr ich bei ein paar weiteren Becherchen Sake, dass der Mann, der mich angesprochen hatte, vor der Zeiten-Wende mit dem legendären "Onkel Tschou" (heutige Schreibweise Zhou Enlai) zusammen in Aachen studierte. Zhou war von 1949 bis 1976 Chinas Minister-Präsident, obwohl er ein Adliger mit Mandarin-Vorfahren war. Mein Gesprächspartner war seine rechte Hand gewesen und später noch immer in diplomatischer Mission unterwegs. Er sprach nicht nur fließend Japanisch, sondern konnte mühelos ins Französische oder in ein echtes Oxford-Englisch wechseln. Ich erwähne das, weil der Mann, dessen Namen ich leider nicht mehr parat habe, vorgab 12 Weltsprachen in gleicher Qualität akzentfrei zu sprechen. Er war mindesten so alt wie ich heute bin und hatte nicht eine Falte im Gesicht.

Wieso diese lange Einleitung? Weil ich eben heute nicht mehr in der Lage bin, ohne Karambolage in meinen nur noch rudimentär vorhandenen Sprachkenntnissen hin und her zu springen. Am schlimmsten ereilt es mich immer bei Ausflügen nach Nizza, obwohl Französisch nach dem Englischen immer meine Lieblingssprache war. Wenn ich allerdings wütend werde, funktioniert mein Französisch noch ohne italienische Sprachbrocken dazwischen. Wie neulich. Weil sie am Flughafen den "Kiss-and-Fly-Bereich" umorganisiert haben, gab es erhebliches Durcheiinander. Eine Ordnungskraft nahm alle auf, die darin nicht ordnungsgemäß parkten. Die, die richtig eingeparkt hatten, gerieten dadurch aber über das kostenlose Zeit-Limit und mussten zahlen...
Allerdings prallten meine Tiraden ohne Reaktion ab, was wohl daran lag, dass der Mann irgendwo aus dem Magreb stammte. Französisch musste er bei seiner Tätigkeit ja nicht können, er benutzte nur sein vernetztes Dienst-Handy für die Fotos der Nummernschilder, die so direkt zur Anzeige führten. Eine schöne neune Welt, in der wir leben...

Aber sie hat auch etwas Gutes. Denn seit ich über unser Piazza-Konzert gepostet habe, sind die italienischen Nachbarn mit Computer oder Smartphone immer wieder gerne Empfänger der "Briefe von der Burg".

Ob sie alles so verstehen, wie ich es gemeint habe, sei aber dahin gestellt. Denn der Blog-Translater kann zwar gerade formulierte Texte ziemlich gut übertragen, aber scheitert meist an meinen ironischen Redewendungen oder von hinten durch die Brust in den Kopf gedachten Überschriften.

Die Nockenwelle, die ich in meinem Rezept für die Gnocchi zur "Nockenwellness" verfriemelt habe, konnte die Übersetzung nicht überleben, weil das Teil vom Auto-Antrieb im Italinischen ja "albero a camme" heißt. Ich wiederum hätte das naiv als Baum mit Nocken dran übersetzt. Nie wieder werde ich mich also über das Dolmetschen anderer  lustig machen.

Und so wird es demnach für die Nachbarn in meinen übersetzten Post einiges an Verwirrtem geben, das sie in ihrer Ansicht bestärkt, dass ich ein "pazzo tedesco" bin...

Aber schaut doch mal selbst nach:
https://translate.googleusercontent.com

Donnerstag, 22. August 2019

Niemand ist eine Insel - es sei denn, er kauft sich eine...

Alles nur Ablenkungsmanöver? Während Matteo Salvini Italien in eine Regierungskrise stürzt, und Donald Trump den Dänen scheinbar Grönland abkaufen will, ist ein weitaus vernünftigerer Insel-Deal zwischen Italien und den USA in Vorbereitung:

In fester Überzeugung von der Erhaltung seiner Macht hat Salvini Trump gebeten, über einen Ankauf von Sizilien und die umlagernden Inselchen - einschließlich Lampedusa - nachzudenken.
Das geheime Angebot über einen Kaufpreis von 300 Milliarden Euro wäre nicht nur ein wahres Schnäppchen für den kupferblonden Insel-Käufer, sondern bescherte beiden Staaten eine Win-win-win-win-Situation.
Gibt's jetzt schon als Spiel in der neuen Landessprache


Aus der Sicht von POTUS sind die blendenden kriminellen Geschäftsbeziehungen zwischen der Mafia-Insel und der immer noch nicht bewiesenen Verbindung zu seiner Administration künftig ein Inlandsgeschäft. Das könnte dann weder von der gehassten CIA noch dem FBI gestört werden . Da sei seine Homelannd-Security vor!
Bei der neuen mediterranen Hafen-Bedrohungs-Politik des Präsidenten, wäre die zentrale Lage Siziliens quasi die eines riesigen Flugzeug-Trägers, der zudem durch die gerade wieder getesteten, strategischen Mittelstrecken-Raketen für "drastische" Maßnahmen bereit stünde. Tschüs Super-Tanker mit iranischem Öl!

Sizilien ist zudem ein Entwicklungsland in Sachen Golfplätze. Sizilianische Orangen werden fortan keine Konkurrenz für die Früchte aus Florida sein. Und auch historisch haben sich ja die US-Truppen auf der Insel sehr wohl gefühlt. Von dort wäre dann auch wie einst im
WK II ganz Europa flugs zurück erobert...

Die andere Version von "America first"
Auf der anderen Seite wäre Salvini als künftiger Ministerpräsident schlagartig eine Riesen-Portion des ungeliebten Mezzogiornos los und schöbe das Migrations-Problem durch die afrikanischen Staaten an seinen im richtigen Umgang mit dieser Thematik viel versierteren Kollegen aus den USA weiter.
Dessen Slogan "Send Them Home" könnte dann auch das neue Leitmotiv der aufgestockten 5. US-Flotte im Mittelmeer sein. Um für einen Ernstfall in Übung zu bleiben, könnte die  schon mal "Bötchen Versenken" spielen.
Die fünfte Flotte wie Wikipedia sie sieht

Allerdings hätte Salvini dann immer noch zwei Probleme:
Wie funktioniert eine italienische Regierung ohne die gewohnte Einflussnahme  der Mafia?
Und?
Wird er überhaupt Ministerpräsident?

Mittwoch, 21. August 2019

Zeit-Geist

Der Zeit-Geist ist ein Geist im permanenten Wandel, ohne dabei immer geistvoll zu bleiben. Zudem reicht er nicht für lange Strecken, weil er auf denen gern seinen Geist aufgibt - und schal verpufft.

Niemand dürfte im Moment mehr vor seinem Wandel angst haben als Donald Trump. Die Angst vor der Übermacht der Suchmaschine Google und deren zusätzlicher Produktpalette lässt ihn gerade die US-Kartell-Wächter aktivieren. Und nachdem der Apple-Chef Tim Cook auf einem Podium mit dem POTUS ihm gerade vor der Weltöffentlichkeit eine schallende Ohrfeige für seine Strafzölle verpasst hat, erbat er sich via Twitter Bedenkzeit. Vielleicht merkt er bald, dass er die sozialen Medien aktuell zwar noch irrsinnig fleißig nutzen kann, aber auf längere Sicht wohl eher von ihnen beherrscht wird.

Aber das ist ja das Dilemma von uns allen, die guten Willens sind. Das Netz ist eine alles verschlingende Hydra. Wer dort einen Kopf abschlägt, sieht an anderer Stelle gleich Dutzende nachwachsen, die im Umgehen von Auflagen noch gewiefter sind.

Noch sind es die Mainstream-Medien, die am härtesten von dem schnelleren, unabhängig von der jeweiligen Zeit und kürzer erfassbar Geposteten betroffen sind. Der populistischen Hauruck-Politik oder gar dem schleichenden Gift des Rechtsextremismus kommt das im Moment am ehesten zugute, weil deren User-Potenzial weder viel lesen, noch lange denken will.

Die Flaggschiffe des seriösen Journalismus - ob nun gedruckt oder gesendet - haben deshalb noch nicht einmal mittelfristig eine Chance dagegen zu halten. Da helfen auch die hochklassig zusammen gestellten "Recherche-Verbunde" nicht. So lange  Influencer innerhalb weniger Minuten mit ihren Zugriffszahlen das Vielfache selbst einer Zeitung mit noch hoher verkaufter Auflage erreichen, treibt uns der von Daten beflügelte Zeit-Geist immer weiter in den Abgrund.

Ich wage mal einen kurzen Rückblick in meine Vergangenheit als Zeitungsleser beziehungsweise Print-Nutzer bis hin zum Blattmacher. Schließlich gehörte dieser spezifische Konsum ja nicht nur zum gelernten Verlagsbuchhändler, sondern besonders auch zum Journalisten und späteren Berater für öffentliche Auftritte.

In meiner Familie wurde Süddeutsche und DER SPIEGEL gelesen, von dem meine Mutter bis zu ihrem Tod ab der Nummer 1 jedes Exemplar im Keller archivierte. Als ich ganz am Anfang für viele verschiedene Titel und auch den Rundfunk schrieb, stapelte sich bereits der Lesestoff auf meinem kleinen Schreibtisch. Wenn ich als Reporter unterwegs war, versuchte ich auch im fernsten Ausland stets halbwegs aktuelle Ausgaben zu ergattern. Ich fühlte mich sofort unwohl, wenn ich mal mehrere Tage absolut von gedruckten heimischen Nachrichten abgeschnitten war. Eine Bekannte von mir fuhr im Urlaub täglich lange Strecken, um sogar lediglich ein Exemplar ihres heiß geliebten Boulevardblattes zu ergattern.

Hier auf der Burg, die uns den ersten schnellen Internet-Anschluss verdankt, fingen wir noch mit einem Abo der SZ an. Aber das war so lange unterwegs, dass die Versorgung mit "aktuellen Münchner Nachrichten" unverhältnismäßig teuer wurde. So einigten wird uns mit unserem Kiosk an der Piazza Dante, die Fernausgaben jeweils vom Freitag und Samstag zu reservieren. Dann fuhren wir bald nur noch am Samstag runter. Denn aktuell stand da nichts mehr drin, was ich nicht schon zuvor auf den gespeicherten Homepages gelesen hätte.

Der inhaltliche Rest der von der Papier-Qualität immer "flatterhafter" werdenden Print-Ikone hat sich im Laufe der Jahre dermaßen intellektuell und feuilletonistisch dem Zeit-Geist angepasst, dass ich mittlerweile nur noch diagonal lesend drüber fliege, während meine Frau allerdings den kompletten Inhalt noch bis zur nächsten Ausgabe portionsweise konsumiert.

Das inhaltliche und konzeptionelle Herumgeeiere, das ich auch bei den einst anspruchsvolleren Illustrierten beobachte, scheint demnach nicht nur der verkauften Auflage, sondern mehr noch dem fürs Überleben wichtigen Anzeigengeschäft  immer mehr zu schaden. Aber was tun?

Wir bräuchten im Netz einfach mehr Influencer gegen den Zeit-Geist, aber das - siehe oben - zahlt sich nur auf längeren Strecken aus

In der letzten Wochenend-Ausgabe der SZ wurde eine ganze Seite einem Interview mit einem Narzissmus-Experten geopfert. Die Lektüre hätte ich mir  sparen können, weil der Mann übervorsichtig um des Pudels Kern kreiste und vermied bei all den aktuell die Welt regierenden Narzissten Ross und Reiter zu definieren.
Schneller, böser, besser: süddeutsche.de, die diese
Darstellung gepostet hat, macht
der gedruckten Ausgabe zunehmend und zusätzlich Konkurrenz

Beim Eingeben des Suchbegriffs "Narzissmus" hatte ich bei Google auf den ersten zehn Seiten eben eine Fülle unterschiedlichster Beiträge mit absolut treffenden "Kern"-Aussagen. Anschließend fühlte ich mich rundum "bedient".

Aber immerhin: Unter anderem scheint Narzissmus therapier- und heilbar zu sein - auch bei Präsidenten? Oder muss ein "Führer" tatsächlich zwangsweise ein Narzisst sein?

Sonntag, 18. August 2019

Wunderbar wandelbare Piazza

Die Mühe der Burggeister, mal ein eigenes Event auf die Beine zu stellen, hat sich mehr als gelohnt. Denn zum einen hat man der Gemeinde-Verwaltung gezeigt, dass die Burg hier oben auch ohne Unterstützung von unten verzaubern kann. Und zum andren wurde das mit einer "notte magica" vom Wetter belohnt. Selten waren alle so einhellig gut drauf wie zum Höhepunkt der Ferragosto-Woche.
Und  es war eine rein italienische Initiative, bei der die Ausländer nur staunend zugucken und zuhören konnten.

Tatsächlich lachten bei den teilweise im ligurischem Dialekt vorgetragenen Gedichten und Aphorismen nur die laut auf, die diesen Dialekt noch gut beherrschen. Selbst der Rest der Italiener konnte da nur heitere Miene vorgeben. Den "Ausheimischen" blieb nur, sich am Duktus und den melodischen Stimmen der Vortragenden zu erfreuen und von ihnen tragen zu lassen...

Bei der Musik war das anders. Die war so eingängig wie volkstümliche italienische Musik (Masurka, Polka und vom Süden beeinflusste Tarantella-Rhythmen bei den Canzone) nur sein kann. Für meinen Geschmack  war zu wenig von der tiefgründigen ligurischen Volksmusik dabei, und es gab leider nur wenige Anklänge an den berühmten Wechselgesang, den ligurischen Trallalero. Aber für den Acapella-Chor-Gesang wären die vier gut gelaunten Musikanten um Natale Giovanni Tranchieri ja auch zu wenige gewesen (siehe  auch meinen Post "Wenn Vögel Dialekt singen" vom 19. Juni).

Der absolute Sieger des Abends war daher der Platz. Die Gandolfo, die einstigen Burgherren, hätten sich gefreut, wie wunderbar wandelbar ihre Piazza Castello sich als Treffpunkt für alle präsentiert hat. Und dann noch der Gag mit den sich in den italienischen Farben abwechselnden Bühnen-Scheinwerfern: Viva le Tricolore! Viva Liguria! Grün, Weiß, Rot!

Freitag, 16. August 2019

Konvolut von (fast) Vergessenem

Was machen wir, wenn eine lebenslange Freundin als Logier-Gast auf die Burg kommt? Wir räumen auf, bestellen die Putzfrau und rücken seit langem schiefe Dinge wider gerade.  - Nur damit die Dame nicht mitbekommt, wie wir eigentlich sacht aber stetig verschlampt sind. Gut, wir waren nie die Ordentlichsten, aber wir hatten auch mit der Dauer-Hitze noch nie so eine gute Ausrede, die Dinge schleifen zu lassen...

Nach gefühlten Äonen habe ich mir also den Regal-Schrank in meinem Büro vorgenommen. Der sah schon länger aus wir implodiert, aber ich sitze ja sowieso mit dem Rücken zu ihm. Hätte ich die Vigili del Fuoco zu einem Einsatz bestellen sollen? Weiß der Himmel, was ich mit dem Staub von Jahren da alles eingeatmet habe.

Das Aufzählen von Ersatzteilen für die Computer erspare ich den Leserinnen und Lesern, weil sie bestimmt gleiche Erfahrungen gemacht haben. Aber die schwere externe Festplatte, die ich Jahre als Backup für die Fotografiererei zwischen beiden Zentren meines Lebens transportiert habe, muss ich als typisches Beispiel doch noch erwähnen. Dank der Smartphones hat sich ja nicht nur das Foto als solches erübrigt, und die Clouds ersparen ja auch den Transport. Für alle Fälle hätte ich da aber noch einen winzig kleinen USB-Stick in meiner Akten-Tasche, der die doppelte Speicher-Kapazität der  Kilo schweren Externen hätte.

Aber das Konvolut der Überflüssigkeit, dieses Museum von Dingen, die man aus seinem Leben angeblich als Erinnerung aufheben muss, hat mich viel mehr aus der Bahn geworfen. Ich dachte, ich bräuchte solche Dinge eigentlich nicht, und dann stolperst du über das eine oder andere Artefakt. Obwohl mein Detail besessenes Gedächtnis mich nun  ja doch eins ums andere Mal im Stich lässt, war ich doch überrascht wie prägnant doch Erinnerungen durch Gegenstände ausgelöst wurden.

Ich habe nur eine kleine Auswahl der Dinge für ein Foto zusammen gerückt, deren wieder entdeckte Erinnerungswerte mich in Spielfilmlänge regelrecht überwältigt haben und aus dem kurzen Aufräumen ein Geschäft von Stunden machten.
Seht selbst:

Links vorne eine historische Schale für den zeremoniellen, gebutterten Tee in buddhistischen Klöstern.
Ein Geschenk des Lamas, der mich in der Entourage von Heinrich Harrer bei der Inthronisation
des zweit höchsten Lamas nach dem Dalai im Kloster Phiang (Ladakh) betreut hat.
Allerdings mit der Auflage, niemals mehr von Yak-Butter für den Tee zu sprechen,
denn das Weibchen (!) des Grunz-Ochsen heiße nämlich Tri....Das war 1979.
Ganz oben mein "Chinesischer Fremden-Führerschein" mit der Registrier-Nummer 2, auf den
ich heute noch stolz bin, weil das 1986 in einer Zeit war, in der sich die Volksrepublik China menschlich geöffnet hatte,
um dann wenig später diesem tragisch autoritären Turbo-Sozio-Kapitalismus zu verfallen...
Eine kurze Zeit lang siegelte ich aus Hochachtung vor der alte Kultur meine Privat-Post noch mit den chinesischen
Siegel-Farben aus den Porzellan-Schälchen. Die habe ich dann auch zu gehauchten Tusche-Bildern verwendet.
Und dann noch zwei Teile, die mich wegen ihrer schnell erlangten historischen Nutzlosigkeit geschockt
haben: Ein silbernes Lese-Zeichen mit einer Eule und meinen gravierten Initialen:
Ein Geschenk für den Viel-Leser, der die Seiten auf denen er im Lesen unterbrochen wurde, immer
mit "Eselsohren" versah!... Vielleicht  als Ermahnung gedacht? Doch dann kamen ja die E-Books.
Als "Edelfeder" habe ich mich selbst nie gesehen und ich bin auch nie so aufgetreten. Da hat mich mit dem venezianischen Geschenk wohl jemand auf den Arm nehmen wollen. Ja, und habe ich einen silbernen Brieföffner wirklich noch gebraucht,
da ich doch ein  engagierter Vorbote des "e-mail-Zeitalters" war?...

Mittwoch, 14. August 2019

Dem ist manch' Kraut gewachsen

Dreimal scharf:!
Links: Cuban Black dreht sich über gelb aut rot,
und ist von aromatischer Schärfe. Für Fleisch eine "nussige"
Komponente.Hinten: Extra scharfer, grüner Peperoncino.
Dreht auf rot und lässt sich mit viel Aroma einlegen
und trocknen. Vorne: Peperoncino  classico,
wie er für Aglio-Olio con...  verwendet wird, aber mit Salz
Knoblauch und Melasse-Zucker zerrieben
in gutem Extravergine und Zitronensaft auch eine pikante Beize
für Fleisch, Fisch oder gegrilltes Gemüse ergibt
Für das Gärtnern war immer mehr meine Frau zuständig. Sie würde heute unsere großen Gärten von früher allerdings wohl kaum  noch schaffen. Um so mehr tobt sie sich als grüner Burggeist auf der Piazza und unserer Terrasse aus.
Ich bin eher für die Anschaffung und Zusammenstellung unserer Kräuter zuständig, die nach einigen Experimenten auf der Terrasse nun auf einer Extra-Bank unter dem Küchenfenster einen idealen Standplatz an der Piazza gefunden haben.

Leider war das Festa delle Erbe in Cosio d'Aroscia heuer eine arge Enttäuschung. So fehlt unserer Küchen-Kräuter-Bank ein wenig die Exotik vergangener Jahre.

Ich habe schon immer gerne mit der Vielfalt der Kräuter gekocht und mit der Zeit auch gelernt, quasi wie ein Parfümeur Aromen und Geschmäcker miteinander zu komponieren, um Allerwelts-Rezepten eine neue Note zu geben.

Mit drei wesentlichen Nuancen habe ich allerdings trotz gutem Kontakt zum Gardinieri Erbe, dem ehemaligen Vizebürgermeister unserer Gemeinde, meine Probleme: Estragon, grüner Koriander und Dill halten sich leider nicht so dauerhaft wie die typischen mediterranen Kräuter. Die muss ich deshalb leider - wenn ich zum Beispiel rohen Fisch beizen will -  immer wieder  als frische Pflanzen nachkaufen.

Ansonsten bin ich sehr stolz auf die Widerstandskraft meine Kräuter-Phalanx, die meine Frau so nachhaltig eintopft, dass manche sogar unsere Abwesenheit bis ins nächste Jahr überleben:
Von Links: Majoran ist ein altes Hausmittel gegen Entzündungen - innerlich und äußerlich anzuwenden.
Die neuen Blühten sind ideale Aroma-Transporteure in Suppen und Saucen. Beim Backen auf dem Teig getrocknet
ergeben sich den klassischen Geschmack auf den  hier typischen Focaccie.
Daneben Kultur-Basilikum, wie er für den Caprese (Tomaten-Mozzarella-Balsamico) am besten geeignet ist.
Eingegangen nach einmal Pflücken ist der grüne Koriander im weißen Topf daneben.
Dann kommt der Freiland-Basilikum mit etwas härteren Blättern, der
für den frischen Pesto permanent nach wächst. Sein "alter Brunder" Basilico storico ist  wegen seiner harten Blätter roh
nur schwer zu genießen adelt aber mitgekocht zum Beispiel die "Weiße Tomaten-Suppe" und
einen altmodischen Basilikum-Risotto. Davor wuchert Minze, die täglich einen Tee auf marokkanische Art
ergäbe, oder für eine pikante Unternote zum Knoblauch-Öl bei der Perlhuhn-Zubereitung sorgt.
Vom Salbei schrieb ich Euch im letzten Post, aber ganz klar ergibt er auch einen heilenden Tee und darf
natürlich niemals beim Saltimbocca alla Romana fehlen.
Braten ohne Rosmarin ist eine fade Sache,weniger populär aber ergänzend
ist der kleinblättrige Thymian dazu (hier als Kultur-Pflanze und als Wild-Strauch..
Rechtsaußen wuchert der Oregano, dessen frische Blühten ich ehrlich gesagt erst in diesem Sommer
als Ergänzung für mein ur-eigenes Pesto-Rezept entdeckt habe.
Vielleicht schaffe ich es ja auch noch, die Creme
meines Bekannten "Elvis", dem Wirt des Melograno am Hafen von Oneglia, nach zu schmecken:
Er bereitet aus entkernten Oliven, Öl. Kapern und Oregano-Blühten püriert mit übeergaren Kartoffeln eine geschmeidige
Bei- oder Unterlage zu Fisch-Filets oder gegrillten Molusken.

Montag, 12. August 2019

Nockenwellness

Fastfood, das an den Hüften hängen bleibt, muss nicht sein!
Die Zutaten für die ersten italienischen Gänge, die Primi, die wir so gerne als Hauptgang essen, sind so vielfältig und auch mittlerweile andernorts in Varianten zu bekommen, dass man nicht nur die schnell garende Nudel-Sorten braucht. Das gilt für die Polenta, besonders aber für die oft übersehenen Gnocchi.
Natürlich könnte man sie selbst machen, aber ich darf die Puristen warnen: Denn erstens dauert es dann, den Kartoffelteig zu machen und reifen zu lassen und zweitens ist das Ergebnis oft schlechter als bei der verschweißten Frischware aus dem Supermarkt. Zudem sind Fertig-Gnocchi mit der  abgerechneten Arbeitszeit ein äußerst preiswertes und gesundes Schnellgericht. Als langjähriger Diabetiker, weiß ich, dass da zum Kartoffel-Teig ruhig auch ordentlich Kalorien hinzu geladen werden dürfen, ohne dass die kleinen Wonneklößchen gleich Hüftgold erzeugen.
Gestern hatten wir bei der drückenden Schwüle hier keine Lust, groß zu kochen, deshalb wünschte sich "Schnauferl" mit der gerade von ihr eingekauften Portion mein Gnocchi-Spezial.  Die "Rezeptur" ist daher heute als Hauptessen für nur zwei Personen - es sei denn, sie dienen reduziert als überraschender "Primo" für vier:

Gnocchi mit frittierten Salbei-Blättern und brauner Butter 

Zutaten:
500g Gnocchi aus der Frische-Packung
Gut zwei Dutzend möglichst große Salbei-Blätter
5 Esslöffel normale Butter
1 große Knoblauchzehe (je nach Geschmack 2,5 bis 5g)
2 frische Schoten Peperoncino (oder Chilli in der gleichen Größe))
Frischer Parmesan zum drüber Reiben
Pixabay: Salbei-Blätter

Zubereitung:
Gut zwei Liter Wasser zum Kochen bringen und dann Salz hinzu geben
Eine separate Pfanne mit rundem Boden oder einen Wok gleichzeitig heiß machen und die Butter darin bei mittlerer Flamme zum Schmelzen bringen. Knoblauch und Peperoncino äußerst fein gehackt hinzu geben und die möglichst großen Salbeiblätter darauf zum Schwimmen bringen.
Gleichzeitig die Gnocchi ins kochende Wasser geben. Wenn die zum Abschöpfen nach oben steigen, die Blätter in der nun braunen Butter an den Pfannen-Rand schieben und mit einer Lochkelle die dampfenden Gnocchi in die Mitte löffeln und so vorsichtig untermengen, dass die knusprigen Blätter nicht kaputt gehen. Ein kräftiger Spritzer Zitrone (ohne Kerne!!!) darüber und auf vorgewärmten, tiefen Tellern anrichten. Darauf reichlich flockig frischen Parmesan reiben. Fertig!
Hat alles in allem etwas zehn Minuten gedauert und war köstlich wie immer...

Wer ganz und gar nicht auf Kalorien achten muss, kann auch die heftig wohlschmeckende Ultraschnell-Version ausprobieren, aber das nenne ich nicht Kochen:

Gnocchi in Mascarpone-Gorgonzola

Zutaten für zwei Peronen:
Bei gleicher Menge Gnocchi wie oben
5 g Butter
2 bis 3 Esslöffel süße Sahne
120g Mascarpone- Gorgonzola
Schicht-Gorgonzola bei Amazon

Zubereitung:
Auf minimaler Flamme den Gorgonzola möglichst mit einem Holzlöffel zu der Sahne und der Butter geschmeidig verrühren und sofort die noch heißen Gnocchi untermengen. Fertig!

Buon Appetito!

Freitag, 9. August 2019

Ein Fakenews-Heiliger?

An Laurenzi, es ist Brauch, / hört das Holz zu wachsen auf. 
Kommt Laurentius daher, / wächst das Holz nicht mehr. 
Ist Lorenz und auch Bertl schön / wird der Herbst gar gut ausgehn. 
Wie Lorenz und Barthel sind / wird der Winter - rauh oder lind. 
Laurentius im Sonnenschein, / wird der Herbst gesegnet sein. 
Kommt St. Lorenz mit heißem Hauch / füllt er dem Winzer Fass und Bauch. 
Sollen Trauben und Obst sich mehren, / müssen mit Lorenz die Gewitter aufhören. 
Lorenzi gut, / einen schönen Herbst verheißen tut. 
Regnet's am St.-Laurenz-Tag, / /gibt es große Mäuseplag. 
Sankt Lorenz kommt in finstrer Nacht / ganz sicher mit Sternschnuppenpracht.

Laurentius von Rom, im Italienischen San Lorenzo,  hat vom 31. Dezember 225 bis zum 10. August 258 gelebt. Er ist einer der wichtigsten Heiligen der Katholischen Kirche (der siebte Diakon unter Papst Sixtus II), dessen Gedenktag morgen gefeiert wird. Die Legende sagt, er sei auf dem Rost gefoltert worden und als Märtyrer gestorben, als der er heute verehrt und als Schutzpatron angerufen wird. Eher wahrscheinlich ist, dass er wie sein Papst enthauptet wurde. Danach ranken sich Legenden um Legenden, die alle in den Folge-Jahrhunderten ausgeschmückt wurden, nachdem die Chronisten heftig voneinander abgeschrieben hatten.

Auch für Ligurien ist San Lorenzo zusammen mit Giovanni Battista einer der wichtigsten Heiligen. Die Kathedrale von Genua trägt seinen Namen. Tal und Ort hier in der Nähe, und auch ein historischer Horto mit alter Kapelle unter unserem Borgo sind nach ihm benannt.  Anlass für ein alljährliches Fest mit Prozession.

Wieso ausgerechnet Ligurien und viele deutsche Provinzstädte dem Heiligen huldigen, konnte ich nicht herausfinden. Allerdings fehlen in seiner häufig widersprüchlich aufgezeichneten Vita übereinstimmend etwa zwei Jahrzehnte. 

Gut möglich, dass er auf seinem Weg von spanischen Huesca nach Rom mit Aufenthalten an ligurischen Gestaden - bis hin zum legendären Manarola in den Cinque Terre - Zeit verbracht hat. Allerdings wird seine spanische Herkunft erst gegen Ende des 6. Jahrhunderts bekundet, was das aufgezeichnete Zeitgefüge seines Lebens dann völlig durcheinander brachte. Aber Glauben heißt ja bekanntlich nicht Wissen...
Paolo und Vittorio (starb am 15. April 2018) Taviani haben
ihr gemeinsames, filmisches Lebenswerk im
vergangenen Jahr noch abschließen können.


Das machten sich auch die beiden Meister-Regisseure Paolo und Vittorio Taviani zu eigen, die 1982 mit ihrem Fantasy-Antikriegsfilm "La Notte di San Lorenzo" besonders deutsche Gemüter berührten.


Die viel zitierten "Laurentius-Tränen", die der Himmel um seinen Gedenktag am 10. August vergießt, deuten wiederum auf die Perseiden hin, die asiatische Astronomen von China über Japan bis hin nach Korea schon vor über 2000 Jahren aktenkundig machten...


Über zwei Dutzend Wappen
deutschsprachiger Gemeinden
weisen die Insignien des Heiligen Lorenz
- Palmzweig und Rost - auf:
hier das Wappen von Breitensee bei Wien

Mittwoch, 7. August 2019

Der Himmel über der Burg

pixabay: Sternschnuppen der Perseiden
Wenn etwas so nah und allgegenwärtig ist, vergisst man oft, seine Existenz zu schätzen. Weitab von jeglicher Industrie und in guter und durch Hügel geschützter Entfernung zur Autostrada dei Fiori, wölbt sich in weniger luftfeuchten Nächten ein Himmel überm Castello der an Klarheit fast an den der Mojave-Wüste heran reicht. Und dass, obwohl ja das Meer Luftlinie nur höchsten acht Kilometer entfernt ist. Meine alte Heimat München hat auf dem Deutschen Museum ein Planetarium der Extraklasse, aber unsere Dachterrasse reicht da ran, und sie hat zudem die Naturnähe. Da gibt es als Zugabe nämlich unser Nachtleben unter freiem Himmel:

Geckos meckern, Käuzchen pfeifen, Fledermäuse umkreisen uns, und wenn eine leichte Brise weht, lassen uns auch die singenden Mücken mit ihrer Blutdürstigkeitt in Frieden. Meine Frau und ich rücken im Dunklen die Liegestühle zusammen und verlieren uns sogleich in der Tiefe des Alls.

La Notte di San Lorenzo am 10.August rückt näher, und wir freuen uns schon vorher immer wie kleine Kinder darauf, Sternschnuppen zu zählen. Obwohl die Perseiden dem nördlichen Europa heuer laut der Astronomie ein eheer schlechteres Beobachtungsjahr bescheren, reicht uns das, was uns das seit über 2000 Jahren dokumentierte Meteoriten-Feld bereits jetzt schon schickt. Denn wir sind immer noch so infantil, uns bei jeder Sichtung insgeheim etwas zu wünschen. Was wir natürlich nicht verraten dürfen, weil es ja sonst angeblich nicht in Erfüllung geht...

Da niemand in unserem Alter wunschlos glücklich ist, stimmen aber die geringeren Ansprüche gut mit den heuer spärlicher verglühenden Sternschnuppen überein. Eine derart hohe Zahl wie sie hier vor zwei Jahren niederging, hätte ja einen Effekt wie die unzähligen Goldmedaillen der untergegangenen DDR bei Olympischen Spielen. Keiner kennt sie mehr - die Doping-Helden! Keiner könnte sich so viele Wünsche überhaupt merken.

Es scheint in diesem Jahr auch so, dass die Burggeister im Sterne Gucken eine neues Hobby gefunden haben. Nicht nur, dass es vor ein paar Tagen im Borgo erstmals einen sachkundig geführten Spaziergang zum Bestimmen der Sternbilder über uns gegeben hat, neuerdings werden auch die einschlägigen Apps für das Handy fleißig ausgetauscht.

Bislang haben meiner Frau und mir Konstellationen gereicht, die einer so für den Hausgebrauch kennt, aber dadurch, dass die Nachbarn nun quasi alle Daten gestützte Experten geworden sind, habe auch ich uns für unsere Tablets die empfohlenen Angebote herunter geladen. Eine wahre Wundertüte ist dabei die App von der NASA.

Hoffentlich geht uns aber dadurch nicht ein Teil der romantischen Unwissenheit flöten...
Und der Mond scheint schön dazu:
Da gibt sogar meine  Frau ihre Computer-Resistenz auf.

Montag, 5. August 2019

Matteo am Letzten!

In Süddeutschland ist der Spruch "Matthäi am Letzten" in meiner Jugend vor allem bei den Lehrern noch sehr geläufig gewesen. Ich bekam ihn als Un-Schüler häufig von ihnen zu hören, wenn ich eine weitere Arbeit "verhaut" hatte und die Versetzung gefährdet war.

Dieser Tage in einem Italien vor einem möglicherweise ernsthaften Wandel, möchte ich ihn gerne auf den politischen Quertreiber Matteo Salvini ummünzen. Der wäre als leibhaftiger Anti-Christ, als der er humanitär im Trump-Stil gegen die Migration hetzt, vermutlich sogar noch stolz auf die eigentlich als Anspielung auf das Ende des Matthäus-Evangelium gemeinte Redewendung:
"Und siehe, ich bin mit euch alle Tage - bis zum Ende der Welt."

Was ist nur mit der Menschheit los, dass sie auf einmal scheinbar nur den aus dem Bösen entsandten Aposteln huldigt?  Ich schreibe bewusst scheinbar und nicht anscheinend! Denn ich bin überzeugt, das Böse entsteht nicht aus sich heraus, sondern wird zum Nutzen von Wenigen kreativ erschaffen. Verschwörungstheoretiker sprechen ja jetzt schon von einer Daten-Apokalypse.

Salvini als Amme für Rassismus und Nationalismus
Foto: Mannheimer Morgen
Matteo wäre am Letzten, gäbe es nicht tatsächlich die im Netz geschürte Dummheit - oder sollte ich fairer Weise und weniger arrogant sagen: Leichtgläubigkeit.

Jeder - und da kann sich ja ein Blogger wie ich nicht ausnehmen - kann heute eben alles Mögliche ins Netz stellen. Oder ködert als Rattenfänger mit wohlfeilen Formulierungen auf Versammlungen neue Jünger. Die ohnehin schon Eingeschworenen, denen das als eine oder gar die einzige Wahrheit verkauft wurde, greifen dann zum Prügel, um sie anders Denkenden zusätzlich einzubläuen...Haben wir so diesseits und jenseits der Alpen alles schon gehabt.
Dass gerade die Deutschen und die Italiener wieder derart empfänglich sind ?!!  -... Ach siehe oben!

Die AfD hat die SPD in der Sonntagsfrage überholt, und Salvinis Lega kann bei den nächsten Parlamentswahlen bis zu 40 Prozent erreichen. Die Süddeutsche Zeitung vom Wochenende munkelt daher im Feuilleton, dass er das Amt des Premiers vielleicht gar nicht anstrebe, weil er dann ja mit der EU quasi zwangsverheiratet würde...

Auch da hat der schlaue Partei-Propaganda-Journalist und Radio-Moderator aus dem Lebensweg-Debakel von Mussolini gelernt. Matteo am Letzten wird warten, bis er glaubt, das endlose Ende persönlich begleiten zu können. Dazu braucht er vorerst aber noch den Antagonisten Cinque Stelle.

Freitag, 2. August 2019

Benno

Dass der alternde Mensch im Tagesablauf zunehmend von einem Zeit-Korsett gestützt wird, hätte ich in Ruhe an meinen Eltern studieren können, wäre ich nicht so voller jugendlicher Ignoranz gewesen...
Heute erwische ich mich gelegentlich dabei, wie ich darüber den Kopf  schüttle, wie sehr die Gewohnheit von der Tageszeit bestimmt wird.

Dann fragt meine Frau genervt: "Was schüttelst du denn wieder so stumm dein weises Haupt?"
"Weil ich dir gerade erzählen wollte, dass der Benno heute zehn Minuten zu spät dran war."
"Der heißt nicht Benno, sondern Fabrizio! Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?"

Schon schüttle ich erneut meinen Kopf, weil mir klar wird, wie verblödet meine Gedanken-Gänge sich entwickeln. Fabrizio kümmert sich von Berufswegen um den Borgo. Dreimal pro Woche, nämlich montags, mittwochs und freitags fädelt er blitzschnell seine Ape rückwärts in unsere Gasse, um die Mülltonnen unterhalb der Piazza zu leeren. Meist kann man die Uhr nach ihm stellen: punkt acht rollt er rücksichtsvoll im Leerlauf heran. Wenn er sich also mal verspätet, hat ihn vermutlich eine Sola oder eine Vedova oberhalb ins Morgen-Gebet genommen. Ja, der Benno ist nämlich auch ein attraktiver Mann mit einer äußerst wohlklingenden Stimme...

Benno ist auch mehr als ein Müllmann. Er schlüpft gelegentlich in einen weißen Schutzanzug samt Visier und Helm - wie in einem Hollywood-Film über eine Seuche, um Unkraut auszusensen oder die Ameisenplage zu bekämpfen. Auch wenn der Abfluss von der Fontana mal verstopft ist, sorgt er für Lösung. Vor allem aber ist er Klagemauer für alles, was sich die Bürger unten auf der Gemeinde nicht persönlich anzuprangern trauen.

In dieser Multifunktion habe ich mir daher versagt, von Fabrizio einfach nur als vom "Müllmann" zu sprechen. Es gibt einen deutschen Fußball-Trainer und Ex-Bundesligaspieler. Der heißt Benno Möhlmann. Von dem habe ich Fabrizios Pseudonym Benno der Einfachheit halber abgeleitet. Schräg - nicht?

Was haben wir in den zwei Jahrzehnten hier oben für einen Wandel in der Müll-Entsorgung erlebt! Stinkende, nur einmal pro Woche geleerte Einheits-Sack-Tonnen, die noch dazu in entlegenen Winkeln regelrecht erwandert werden mussten. Heute wird der Müll auf der Burg nicht nur mit entsprechenden Tonnen vorbildlich getrennt, Fabrizio hilft auch immer (also nicht nur einmal im Monat wie früher) gern bei sperrigen Teilen, die weg müssen.

Die Tonnen für unsere unmittelbare Nachbarschaft stehen sogar stylisch in einer Felshöhle unter der Piazza. Deshalb kann ich an den Geräuschen der Entleerung auch hören, wie die Zahl der scheppernden Flaschen als Folge des Alters-Alkoholismus immer höher und Plastik und andere "unverdauliche" Umverpackung in Folge des wachsenden Bio-Bewusstseins an Quantität immer geringer wird .

Und es ist natürlich so, dass der Fabrizio auch hier unten von den Ladys abgepasst und angesprochen wird. Es ist dann, als unterhielten die sich an meinem Bett. Das ist eine stets aktuelle Ergänzung zu den Nachrichten des Dorf-Funks und hülfe mir, auf dem Laufenden zu bleiben - wenn ich denn immer alles richtig verstünde...
Heute 7:58 Uhr: Operation Burg-Müll ist soeben angelaufen.
Fabrizio im Kampf-Anzug ist etwas früher dran,
weil die Burggeister am Vorabend auf der Piazza gefeiert haben.
Rete Castello (Sanna auf dem Bild palavernd hinter der Ecke) meldete erhöhtes Aufkommen leerer Flaschen.
Beim Repetieren der Kirchturm-Uhr ist der Einsatz bereits wieder vorbei