Sonntag, 30. Juni 2019

Vielem fehlt der Frühling

Die Menschen haben den Winter vor der Motorisierung und anderen technologischen Errungenschaften nie besonders geliebt. Es sei denn, sie hätten sich ewiges Eis und Schnee als Lebensraum gewählt. Für die Inuit, Tschuktschen, Samojeden und Jakuten war unsere Einteilung in Jahreszeiten nicht gegeben. Sie leben entweder in Dunkelheit oder dann Monate in denen die Sonne nie untergeht.

Obwohl das Jahr, nach dem wir heute leben, eindeutig im kalendarischen wie im meteorologischen Winter beginnt, ist in der Welt des Westens seit langer Zeit der Frühling (aus dem Mittelhochdeutschen vrüelinc  abgeschliffen) die erste Jahreszeit. Das italienische Primavera unterstreicht das. Ebenso das französische Printemps, das quasi für "Primetime" steht 

An der Hinterwand unseres Hirns ist die Zirbeldrüse verankert, die uns in der Dunkelheit einigermaßen mit dem Stimmungs-Hormon Melatonin als Rhythmusgeber versorgt. Wenn die Tage wieder länger werden, die Sonne häufiger scheint und die Temperatur kontinuierlich steigt, versetzt sie uns in eine gewisse Euphorie. Die Annahme, dass dann auch mehr Kinder gezeugt würden, ist aber falsch, da steht statistisch weiter der Herbst an erster Stelle.
Mit freundlicher Genehmigung der Interpreten des "dritten Auges" für
Einsicht, Nachsicht, Umsicht und Rücksicht

Was macht aber ein durch "Sommerzeit" und Ausbleiben des typischen Frühlings, also dessen Fehlen mit uns?
In den zwei Jahrzehnten hier auf der Burg haben wir gelernt, mit den Bauern und der Wichtigkeit der Jahreszeiten für sie zu leben. Als die Hitzewelle hier noch im Juni kam und Mitte September bereits abklang, hat sich keiner gesorgt. Aber seit es die ausufernden Winter wieder gibt, bleibt dem Frühling (wie auch bei uns) keine Zeit mehr zur Entfaltung.

Mir geht der dritte Nicht-Frühling in Folge auch aufs Gemüt. Diese Jahreszeit war stets mein Katalysator zum Durchstarten.  Direkt nach dem ewigen Auf und Ab eines Aprilwetters mit Heizkosten bis weit in den Mai, herrscht hier seit gut drei Wochen diese Hitzewelle, in der es auch  zu keinerlei Gewitter kommt. Noch ist das Ausbleiben des Regens kein Drama, aber es wird eines, wenn es nicht bald wieder regnet.

Verzweifeltes Warten auf unseren
kalorienarmen Nachmittags-Snack:
Von wegen Frigitelle auf die Schnelle...
Kirschen aus den Gärten der Nachbarn gab es seit der zweiten Mai-Woche. die ersten waren klein und knubbelig, die letzten waren prall und groß, aber allen mangelte es an dem sonst so intensiven Geschmack. 
"Die Schweizer Garde", unsere Zentral-Versorgerin mit Gemüse und Feldfrüchten musste fast vier Wochen länger warten, bis sich die ersten  Ernte-Erfolge einstellten. Es ist verrückt, aber als Laie habe ich den Eindruck, dass sich manche Pflanzen mit hohem Chlorophyl-Anteil schon auf den Turbo-Frühling eingestellt haben; vor allem die Lauchzwiebeln und Blattsalate.
Der Violette aus Albenga -
wie auch der Schwarze
von dort - so köstlich
und preiswert wie selten
Die unterirdisch wachsenden Kartoffeln und die hiesigen Spargelsorten sind von fabelhafter Qualität, und die Gurken schmecken so, dass man die Condomverschweißten aus Holland glatt in die Tonne hauen könnte..

Aber was wird mit den Spät-Entwicklern wie Oliven und Wein. Der Wein auf unserer Terrasse war immer ein Indiz, wie der Jahrgang nach der Lese unter unserem Borgo werden könnte. Nun kümmert er der Zeit hinterher. Fredo der Frantoio moniert, dass seine Oliven noch zu klein für die Jahreszeit sind.

Vorgestern - also Ende Juni !!! - haben wir zum ersten Mal Erdbeeren gehabt, die schmeckten, was der Anlass für diesen Post ist.

Ich weiß nicht, ob das der Klimawandel ist, aber ich hoffe, die Pflanzen sind künftig in der Lage ihre biologisch Uhr entsprechend umzustellen - sonst Gnade uns das viel verehrte höhere Wesen!...
Wann stehen sie - auf natürlichem Weg geerntet - mir mal wieder vereint so stramm Modell?
Claus Deutelmoser: Vor dem Kochen - Oil on Canvas
Hier noch ein kleiner Hinweis, darauf, dass es wohl auch schon früher mal keinen Frühling gegeben haben könnte: Das Gedicht eines ligurischen Bauern vor 217 Jahren nach einem Hitzschlag verfasst, und von mir in einem ähnlichen Zustand sehr, sehr schlecht übersetzt.

Wenn's Frühling finster wird


Sind die Hügel zu früh gelb vom Ginster
Bleibt der Frühling nach Ostern finster.
Petrus macht's und finster grinst er!
Aber fehlt das Frühjahr hint' und vorn,
Sprießt kein Halm und schon gar kein Korn!
Da bangt das ganze Ligurland!
Papardacci tanzen außer Rand und Band.
Und das Wasser wird bald knapper als knapp,
Denn so sehr brennt nun die Sonn' herab.

Das Wort zum sonntäglichen Monats-Ende. Au weia ist das heiß hier!

Donnerstag, 27. Juni 2019

Dann gehen wir halt ans Eingemachte!!!

Jetzt ist es schon so heiß, dass wir kaum noch vor die Tür gehen können. Seit Tagen leben wir von dem, was unsere Vorräte hergeben. Unvorstellbar die Verhältnisse auf der "Seawatch 3", die nun trotz des Bannes in die italienischen Hoheitsgewässer vor Lampedusa gefahren ist...

Ist Italien, eine der Wiegen des Humanismus, wirklich so vor den Hunde gekommen, dass es sein Mütchen an den Ärmsten der Armen kühlen muss? Der alte Francesco Petrarca, der  im 14. Jahrhundert von Florenz aus das "humane Denken" auf den Weg ins gesamte Europa gebracht hatte, rotiert vermutlich wieder einmal wegen seiner Nachfahren wie eine Zentrifuge in seiner Grabstätte nahe Padua.

Klar, im zentralen Mittelmeer ragt halt der Italienische Stiefel am weitesten hinüber nach Afrika. und mit seinen Inseln gibt es natürlich sensible "Steppingstones" für Migration. Ein Land wie Italien muss sich einen starken Humanismus oder einfacher humanitäre Hilfestellungen in einer sich so rasant und ungerecht entwickelnden Welt einfach leisten können!

Aber mal ehrlich: Seit Jahren geben alle italienischen Politiker mehr Geld aus, als ihnen nach den EU-Regeln zu stünde. Es wird ja mittlerweile allgemein sehr an den willkürlich festgelegten EU-Verschuldungs-Grenzen gezweifelt Aber als Antwort im Neo-Nazi.Style Menschlichkeit zu verweigern, das geht  absolut nach hinten Los. Vor allem wenn Big Spender wie die Niederlande und auch Deutschland derart von einem außer Rand und Band geratenen Matteo Salvini angegriffen werden. Nur um für den kommenden Wahlkampf zu vertuschen, dass hinter der Pöbelei kein politisches Konzept, sondern bloßer Machthunger steckt. Wenn das wirklich so ist. Dann rate ich, nichts wie raus mit euch Italienern aus der EU!

Ich lebe hier mit den Menschen in einer Region und einer Stadt in der es augenscheinlich mit der sichtbar zunehmenden Überfremdung weniger Probleme gibt. Okay, sie wählen immer noch mit einer Träne für Berlusconi. Aber Cinque Stelle oder Lega zu wählen, käme den Leuten hier oben nicht in den Sinn. Wie man noch vor einigen Jahren von Zeitzeugen gehört hat, hätten sie auch die Zeit des Faschismus autark abgekapselt überlebt.

Aus Jahrhunderten an verborgene Vorratshaltung gewöhnt, bestand ein Teil der Strategie im Konservieren der reichlichen Ernten für den Privat-Bedarf. Mettere in conserva oder ispessirsi cuocendo sind Tugenden, die bei den Landfrauen auf der Burg noch heute hoch gehalten werden. Allerdings nie allein für den Eigenbedarf. Dazu sind ihre Seelen zu sehr im Christentum und mit der Barmherzigkeit verankert. Halllooo? Salvini!?

Meine Mutter war ja nach dem Krieg quasi "Marketenderin" für die britische Besatzungsmacht in Hamburg. Da kam sie zwar leichter an wichtige Waren ran, aber die wurden für noch wichtigeres eingetauscht. Denn auch für die deutschen Frauen war da das "Einwecken" noch eine fürs tägliche Überleben wichtige Tugend.
Seit ich einigermaßen lange laufen konnte, war ich dabei, wenn wir fünf mit Körben Beuteln und Eimern bewaffnet in die Heide, in die Harburger Berge oder ins Alte Land zogen, um Beute für die Einmach-Gläser zu machen. Am liebsten war mit das Pilze Sammeln und des Beeren Pflücken. Als kleiner Junge kommt einem ja so ziemlich alles riesig vor, aber die gefüllten Regale mit den Einmach-Gläsern im Keller kamen mir unendlich lang vor, und sie hielten auch stets bis zur nächsten Saison.

In unserem Münchner Haus mit den zwei Gärten hatten wir Weinstöcke und eine wie wild tragende Quitte, von deren Früchten meine Frau bislang unübertroffene Gelees von enormer Lebensdauer herstellte. Das letzte Glas von der Ernte 2007 habe ich vor kurzem hier auf der Burg verschnabuliert; köstlich wie im Jahr seiner Abfüllung.

Nur eine kleine Auswahl, der nachbarschaftlichen Vorratsgestaltung, von der wir
alljährlich profitieren
Trotz diverser Maulereien: Sie helfen sich hier auf der Burg und geben von dem, was sie zu reichlich haben, auch gerne ab. Mich verblüfft immer wieder, dass die Damen trotz ihres zum Teil beträchtlichen Alters und trotz der Hitze ihre Gärten und Faschen pflegen und bei Bedarf mit Hilfe aus dem Tal auch abernten. Die Wertschätzung der für sie Gott gegebenen Gaben, ließe ein Verrotten wegen Faulheit gar nicht erst gedanklich zu.
Crostate für das
"Cena in Piazza" ofenfrisch
aus selbst gepflückten Pflaumen

So werden wir in einer Weise versorgt, für die wir uns nie und nimmer richtig revanchieren könnten.
Allen voran unsere Nachbarin, die Bürgermeisters-Witwe. Wenn sie nach ihren einzigartigen lokalen Rezepten bäckt, tut sie das wie einst für ihre Sippe. Weil die aber im Tal lebt, bekommen wir immer großzügig etwas ab. Ihre Arancia-Amaro-Konfitüre (Bittere Orangen) erhalten wir wie ihre Mousseline aus Prugna (fast flüssiges Pflaumen-Püree) in Liter-Gläsern, die Ergebnisse des eigenhändigen Beeren Sammelns fallen hingegen verständlich homöopathisch aus. Sie sammelt vom Wegesrand auf dem Weg ins Tal auch das Johannes-Kraut für ihren alljährlichen Bedarf am universell anwendbaren Heilmittel Rot-Öl.
Heilung am Wegesrand:
Johanneskraut
Aus dem wird  im Olivenöl
durch Sonnen-Einstrahlung das Rot-Öl,
von dem die Damen hier schwärmen










Im Verein mit Eiern und Feldfrüchten aus der Lieferung unserer "Schweizer Garde" wären wir selbst bei einem  Ganzjahres-Aufenthalt ernährungstechnisch ziemlich autark.

Gescheitert bin ich allerdings damit, meinen Nachbarn  begrifflich zu erklären, was es bedeute, wenn Europa mit seiner Italien-Politik auf Deutsch gesagt "ans Eingemachte" gehen müsse...

Mittwoch, 26. Juni 2019

Über das isolierte Denken

Angesichts des derzeitigen Zustands unserer Welt schrecke ich in jüngster Zeit aus dem Schlaf hoch und frage mich, was denn eigentlich ich zu seiner Verbesserung beigetragen hätte. Ein paar Minuten später, wenn ich dann gänzlich wach bin, schelte ich mich für meine Arroganz, überhaupt davon zu träumen, die Welt zu verbessern.

Welt-Verbesserer: Dieser Begriff ist eigentlich in unserer Generation mit einem hochmütigen Beigeschmack belegt. Selbst wenn wir die Friday-For-Future-Kids insgeheim bestaunen, glauben wir aus unserer geschichtlichen Erfahrung nicht ans dauerhafte Reüssieren. Irgendwo und überall wird immer wieder irgendwelcher Märtyrern gedacht, deren Namen den  nachkommenden Generation längst nichts mehr sagen.

Wer sich interessiert, der wird feststellen, dass es überwiegend  junge Menschen waren, die sich für eine Idee hingaben. Leute meines Alters opfern sich nicht mehr, dabei würde sie die noch verbleibende, meist kurze Lebenserwartung ja geradezu als Opfer prädestinieren. Stattdessen erklimmen verhaltensgestörte Altersgenossen in der Vor-Demenz irgendwelche Machtpositionen von denen aus sie den Weltfrieden wieder und wieder in Gefahr bringen. Sie machen das vermutlich, um sich zu spüren, weil ihnen ansonsten der Spürsinn abhanden gekommen ist.

Was ist das für eine Lebensphase, in der man lieber kontempliert, als auf die Barrikaden zu gehen?
Es ist eine Lebensphase der Angst, eine Endzeit, die einem durch ihre kurze Perspektive schon lähmen kann. In meinem persönlichen Umfeld sind alle Gleichaltrigen hyperaktiv, und sind selbst nach schwersten Operationen nicht klein zu kriegen. Das wirkt auf mich und meine Wehwehchen geradezu einschüchternd, und ich fühle mich abgehängt, weil ich mein Phlegma niemandem vernünftig erläutern kann.

Nicht immer ist der Weg das Ziel und schon gar
nicht der Anfang vom Ende
Claus Deutelmoser: "Einsame Straße"
Aquarell auf Bütte
Wenn ich jetzt sage, ich nütze meine verbleibende Zeit lieber zum intensivieren Nachdenken, als mich Schmerzen und Stress auszusetzen, dann unterstellte ich damit gleichzeitig den Aktiven, sie dächten nicht nach. Das will ich nicht.
Dass das Alleinsein mit den Gedanken durchaus auch ohne Ziel zielführend sein kann, ist eben nur persönlich und schwer zu vermitteln.

Man muss dazu aber nicht gleich sterben. Eines der schönsten Bücher zu diesem Thema ist das Buch das Falco Terzani mit seinem Vater Terziano in Interview-Form erarbeitet hat: "Das Ende ist mein Anfang". - Brillant und authentisch verfilmt mit dem unvergleichlichen Bruno Ganz.

Bei der Vermittlung
von Glauben, machen sie sich
gerne die Hände schmutzig
- die Jesuiten
Claus Deutelmoser:
"Sempre Mani Politi" Acryl auf Karton
Ich wünschte, ich könnte heute noch so meditieren, wie ich es als junger Mann gelernt hatte. Nachdem mich mein Englisch- und Deutsch-Lehrer, ein Jesuiten-Pater, der dem Begriff des Soldaten Gottes sehr nahe kam, aus dem Glauben katapultiert hatte, machte ich von Berufs wegen über Asiatische Kampf-Kunst und meine speziellen Reisen in den Fernen Osten Erfahrungen mit Zen und Yoga. Es funktionierte  - glaube ich - nur weil ich noch so jung war und bis dahin wenig Prägendes erlebt hatte.

Die Voraussetzung für Meditation ist ja, dass man sein Hirn mehr oder weniger von allen Gedanken befreit, um die Leere mit Erleuchtung zu füllen. Ich machte wirklich tolle Erfahrungen in diesen Momenten, die ich ja leider auch mit niemandem teilen konnte. Aber Erleuchtung habe ich leider nicht erlangt. Eher das Gegenteil.

Heute weiß ich über dieses "isolierte Denken", dass es einen auf verführerische Wege leitet, die nicht unbedingt etwas mit Erinnerungen zu tun haben müssen. die aber von einer großen Fülle von unterschiedlichen Erfahrungen während des Denkens torpediert werden. Das kann zum Fluch werden.
Wem die Stunde schlägt, dem bleibt keine Zeit mehr zum Nachdenken
Foto: Claus Deutelmoser

Montag, 24. Juni 2019

Die toten Träger von San Giovanni

Bei der Prozession
um die Basilika
San Giovanni in Oneglia
herrscht natürlich kein
Mangel an Trägern
Heute an San Giovanni kommen immer Erinnerungen hoch. Der Heilige Johannes ist hier in der Provinz eine ganz große Nummer - so wie Kolumbus in unserem Borgo:

Hätte einer gedacht, dass ich die mich ständig wegen meiner Ungläubigkeit tadelnde Signora Elsa mal vermissen würde? Aber an San Giovanni fehlt sie an allen Ecken, Winkeln und Enden der Gassen.
Niemand sammelt mehr die Seelen für die spärlichen Gottesdienste in den meist verwaisten fünf Kirchen unseres Burgdorfes ein. Niemand organisiert den Pfarrer für den alljährlichen Haus-Segen.
Aber schlimmer noch: Niemand trommelt mehr die Träger zusammen, die unsere eigene Skulptur von Giovanni wenigstens zu einer Mini-Prozessions-Runde an die frische Luft bringen...

Signora Elsa wird vom staatlichen Gesundheits-System seit über einem Jahr für eine Schweinesumme gefangen gehalten, obwohl sie sich bei ihrem Vermögen fürs gleiche Geld leicht eine private Pflegekraft im eigenen Haus leisten könnte. Wie zum Beispiel unser unverwüstlicher Museums-Kurator Ugo, der sich hier oben von stets ausgewählt hübschen jungen Frauen mit 94 immer noch zur Arbeit führen lässt.

Und dann noch eine Herausforderung an Elsas standhaften Glauben. Nun teilt sie sich im Altersheim ausgerechnet mit ihrer ungeliebten Schwester aus dem Hauptort ein Zimmer.

Der Sohn der zweiten und fürsorglicher Neffe der ersteren, muss jetzt zwei Häuser regelrecht versorgen. Der Fredo ist unser Frantoio, der Ölmüller. Ein Attraktiver Mittvierziger mit einem melodiösen, weithin zu erkennenden Bariton.  Er hat wohl wegen seiner Fürsorglichkeit Junggeselle bleiben müssen.

Schwund ist! Signora Elsa fände gar keine Träger mehr. Die alten Recken sind alle tot. Und junge finden sich in diesen gottlosen Calvini-Zeiten auch nicht mehr. Hier oben wohnt zur Zeit keine Familie mit Kindern, und es fehlen junge Leute. Vielleicht ein Indiz für den neuerlichen Tod dieses kleinen Gemeinwesens, weil sich ausländische Neu-Käufer trotz attraktiver, leer stehender Häuser derzeit wegen des ungewissen politischen Klimas zurück halten. Wer will sich schon unter General-Verdacht begeben und sich gezielten Gerüchten aussetzen?

Was ich jetzt schreibe, ist nicht ganz ernst gemeint.
Aber fragte mich die Gemeinde um den Rat eines alten PR-Profis. Ich würde aus der Burg im Handumdrehen einen Wallfahrtsort machen. Ist doch egal, ob Kolumbus tatsächlich hier geboren wurde. Die Leute wollen glauben!

Wenn unser Brunnen als Kolumbus-Quelle wieder die heilende Wasser-Qualität hergibt, wegen der die Leute noch vor ein paar Jahren - vor der Wasserbewirtschaftung - mit Kanistern hier hoch gepilgert sind. wenn die - dank Ugos Spenden - so prachtvoll renovierte Santa Anna an der oberen Piazza als Tauf-Kapelle des Weltumseglers zu besichtigen ist und wenn es Kolumbus-Devotionalien aus heimischer - nicht chinesischer - Produktion zu kaufen gibt, dann werden die Kreuzfahrt-Schiffe vor Imperia in Flottenstärke vor Anker gehen. Zu lösen wären dann allerdings Parkplatz-Probleme und Speisung der 500. Vielleicht durch einen Kolumbus-Shuttle und eine Cantina Cristoforo Colombo. die typische ligurische Speisefolgen anböte und dazu Wein von den heimischen Winzern, die nicht mehr pleite gehen müssten...
Natürlich müsste die
Via Cristoforo Colombo
noch ein wenig
authentisch aufgehübscht
werden

Ich selbst würde dann als einen Beitrag meinen dritten Taufnamen Johannes in Giovanni wandeln lassen und auf der Piazza in Zusammenarbeit mit dem Musik-Professoren-Paar das Singspiel "Columbus Nella Vasca Del Bagno" inszenieren... Lese-Beispiel?

Kolumbus im Badezuber
Plitsch, platsch Badefass
Kolumbus macht die Stube nass
Ist ein großer Wasser-Held
Bereist mit ihm die ganze Welt

Meiner ersten Schulfibel entlehnt

Verteilerkästen und Haus-Schilder
sind schon mal ein kultiger Anfang








Freitag, 21. Juni 2019

Das genaue Gegen-Bauhaus

Die Überlegung zu diesem Post treibt mich schon die ganze Zeit hier um. Gerade weil heuer ja der 100. Geburtstag der Gründung des Bauhauses in Weimar begangen wird, wäre es an der Zeit. Ich möchte heute den Baumeistern, die in unserem Burg-Haus hier über die Jahrhunderte ihre schöpferischen Spuren hinterlassen haben, ein paar Zeilen widmen.

Zunächst fällt mir natürlich das Kinder-Lied vom alten Haus von Rocky Docky ein. Wie seines hat unseres auch viel erlebt und es ist kein Wunder, dass es wackelt und auch bebt... Aber die Baumeister von einst haben wegen der Erdbeben hier eben gleich die berühmten, mit Eisen-Seilen verbundenen Anker an seinen Ecken eingesetzt. Die haben das Haus bis heute zusammen gehalten, aber diverse Verformungen konnten sie nicht verhindern.

Das einzige, was ein wenig Bauhaus
wäre, ist die von Baumeister Berthold
2005 erschaffene Treppe mit
Begrenzungsmauer
So wurde aus Casanna, - auch unter den Namen Casa della Francesa  bekannt - das genaue Gegen-Bauhaus. Selbst beim besten Willen ist hier kaum ein rechter Winkel zu finden, und Fenster wurden in seinen Fronten nach Gutdünken verteilt. Ein Blick in den Maler-Winkel im Keller, den ich an unerträglich heißen Tagen aufsuche, offenbart einen der Gründe für die Überlebensdauer:

Fels, auf dem gebaut
werden konnte:
mein Maler-Winkel
im nackten  Gestein
Da muss ich immer gleich an Simon Petrus aus Galiläa und die Bibel denken: "Auf diesen Fels möchte ich mein Haus bauen.." Tatsächlich ruht fast das gesamte Fundament auf einem Fels-Kamm. Durch einen Spalt könnte gar die Nachbarin belauscht werden, die versetzt jenseits des Felsen ihr Schlafzimmer hat. On y soit qui mal y pense! Die einst wilde Sammlerin buntester Jogging-Anzüge hat ja ihren Männer-Konsum durchaus eingeschränkt.

die Piazza-Front
wölbt sich nach außen,
Die Gassen-Front
neigt isch bedächtig,
Mit jedem Erdstoß haben sich die derart gestützten Außenmauern zwischen den Ankern verformt und wurden dann wieder durch ergänzendes Mauerwerk gestützt. So ist der ursprüngliche Wohnbereich über drei Etagen eher mandelförmig und nur die jeweils angebauten Zimmer  und die Dach-Terrasse weisen tatsächlich einigermaßen rechte Winkel auf. Die einstigen Trockenmauern wurden hie und da gestützt und verputzt, was eben auch die meterdicken Mauern erzeugte; toll im Sommer, ein Vermögen an Heizung verschluckend im Winter.

So alt und krumm es ist, wird es dennoch abgöttisch von der ganzen Familie geliebt und bleibt hoffentlich eine Weile noch Unterschlupf für unsere Sippe.
Und an der
gesamten
Ostfront gibt es nur
ein Giebel-Fenster

Mittwoch, 19. Juni 2019

Wenn Vögel im Dialekt singen

Einen Vogel haben, ist nicht schwer, Ornithologe sein dagegen sehr! Dabei muss einer heute ja nicht einmal einer sein und auch nicht mühselig getarnt im Unterholz mit seinem Spektiv auf Vogel-Bestimmung ansitzen.

Das Internet bietet Plattformen ohne Ende - zum Teil in beeindruckend detaillierter Qualität. Und dennoch hörte meine Frau vor ein paar Tagen mein entnervtes Stöhnen:
"Bin ich froh, dass ich kein Ornithologe bin!"

Geschlagene drei Stunden hatte ich zuvor deutsche und italienische Webseiten durchstöbert, um ein Piepmatz-Paar zu bestimmen, dass uns schon bald nach unserer Ankunft jedesmal anmeckerte, wenn wir unsere Haustür aufmachten oder gar die Piazza betraten. Von rechts und links erhob sich das Pöbeln, um offenbar vom frisch belegten  Nest abzulenken. Dabei veränderten sie jeweils blitzschnell ihren Standort wie der Jedermann-Rufer bei den Salzburger Festspielen. Das heißt, sie waren immer in Bewegung und dadurch auch nicht richtig zu erkennen. Das Bild, das ich mir von ihnen machen konnte, resultierte aus Bruchstücken von Farbe und Körper-Positionen. Einmal kurz im Sonnenlicht gab es den entscheidenden Hinweis. Als ich aber auf der folgenden Webseite - übrigens die beste und umfangreichste - fündig wurde, hatte die Stimme dort mit dem Gesang unseres Duos wenig zu tun.


Also doch eine Fehlbestimmung?
Auf einer ähnlichen, italienischen Webseite hörte sich der genauso dargestellte Hausrotschwanz nur entfernt so an, wie er wohl in Deutschland klingt. Der Codirosso Spazzacamino klang aber in Teilen seiner Partitur genau so wie unsere beiden "Burgsänger", die gerade schon wieder brüten. 

Weil die Brutdauer nur 14 und die Befütterung bis zum flügge Werden nur bis zu 17 Tage in Anspruch nimmt, ist der Hausrotschwanz bei all den aussterbenden Arten ein Erfolgsmodell. Seine enorme Verbreitung im Mittelmeer-Raum verdankt er auch der Tatsache, dass er ein Kurzstreckenzieher (Wikipedia) ist, der bei entsprechenden Bedingungen auch zum Standvogel wird.

Das hat mich zu folgender Überlegung gebracht: Was, wenn die Kerlchen hier in Ligurien zuviel Trallalero aus den Häusern, über denen sie wohnen, gehört haben? Der traditionelle Acapella-Wechselgesang der Genoveser mit den prägenden Kopfstimmen weist durchaus Elemente auf, die sich im Lied unseres einheimischen Hausrotschwanzes erkennen lassen:


Sing zum Abschied leise Hooorstl!!!*****
Wieso gehen wir Menschen überhaupt davon aus, dass Vögel nicht in einem regionalen, heimischen Dialekt zwitschern?

Jetzt, da ich sie bestimmt habe, werde ich in München auch mal meine Lauscher öffnen, um herauszufinden, ob der bayerische Hausrotschwanz nicht einen eigenen Dialekt sänge, der von "Vogelstimmen.de" abwiche...Nicht auszudenken, wenn sich da Elemente von Seehofers Vogelfänger-Gesäusel wiederentdecken ließen!

Montag, 17. Juni 2019

Denunciare

Ein Blick in die Historie der Gemeinde, in der wir hier zu Gast sind, zeigt, dass immer wieder gleiche Familien-Namen als Bürgermeister auftauchen. Heuer hat es bei den Kommunalwahlen ein Ergebnis für den neuen Sindaco gegeben, auf das auch Franz-Josef Strauß seinerzeit stolz gewesen wäre:

Mit 342 gegen 25 gültige Stimmen wurde der Nachfolger von unserer Schönheitskönigin, die zwei Amtszeiten absolviert hat, wieder aus einer Familie mit großem Namen gewählt. Der gleiche Name, den schon der Vor-Vorgänger der eitlen Rechtsanwältin trug. Der Giovanni, der heute regiert, war schon 1990 bis 2004 für drei Amtszeiten Bürgermeister...

Das Feindbild der ansonsten recht wirkungslosen Politik der wenig diversen Administrationen ist allerdings das Alte geblieben. Und dazu braucht es keinen Matteo Salvini, der sein braunes Gift neuerdings in Richtung Deutschland verspritzt. Denn es sind die bösen Ausländer, vornehmlich die Deutschen Hausbesitzer im Wehrdorf, die die Gemeinde daran hindern zu erblühen.

Der neue Bürgermeister will gleich verschärft einer anonymen Anzeige nachgehen, die die ausländischen Hausbesitzer bezichtigt, schwarz an Feriengäste zu vermieten; also dafür keine Steuern abzudrücken.
Wie es ist, wenn man wegen Denunziationen
in Italien vor Gericht landet, erfährt gerade
ein italienischer Freund von mir.
Egal, ob Schuld oder Unschuld - es zieht sich hin!

Denunciare hat im Italienischen nicht annähernd die Schärfe wie es das Denunzieren in Deutschland hat. Es kann auch nur eine einfache Anzeige bezeichnen - ohne bösartigen Hintergrund. Hier oben auf der Burg bekommt das aber gerne mittelalterliche Züge:
La Denuncia passt zu unserem mittelalterlichen Dorfbild

Der Deutsche X hat seine Terrasse zum Wohle aller und zum Banne der Gefahr des Einsturzes alter Trockenmauern umgestalten lassen. Schon kommt eine "anonyme" Anzeige, weil der verantwortliche Baumeister die Gestaltung nicht angemeldet hat: Geldstrafe plus Nachreichung des Progettos in Form einer offiziell abgestempelten Blaupause. An der verdient der bestallte Geometra der Gemeinde.
Im Zweifel eine Win-win-win-win-Situation...

Es geht aber auch anders herum: Eine alt eingesessene einheimische Hausbesitzerin an der oberen Piazza hat ihre zwei Balkone eigenmächtig zu einem umgestaltet. Das hat einem Deutschen nicht gefallen, den diese Dame zuvor wegen eines illegalen Tür-Vordachs angezeigt hatte.

 Und dann die Streitereien, wer für die Reparatur welcher maroden Stützmauer zu zahlen hat. Die Bürgermeisterin der vergangenen Legislatur-Perioden war ja Rechtsanwältin, die ihren Job ja beibehalten durfte und nicht schlecht an solchen Streitigkeiten verdient hat. Im übrigen erklomm sie die steilen Treppen nur wenn sie mit der malerischen Schönheit der Burg, ihren Plätzen und Gassen offizielle Besucher beeindrucken wollte.

Der neue Sindaco ist Ingenieur im Hauptberuf. Mal sehen, was dem zur  Gewinn bringenden Selbstbeschäftigung so alles einfällt. Der Angriff auf die ausländischen Hausbesitzer jedenfalls könnte sich als Querschläger aufs eigenen Wahlvolk erweisen. Hätte er in seinen bisherigen Amtszeiten mal die Häuser der Ausländer angeschaut, dann hätte er festgestellt, dass diese derart individuell gestaltet und eingerichtet sind, dass man in die außer Familie bestimmt niemanden zum Wohnen lässt. Aber zur verbalen Erfüllung des Wahlprogramms taugen sie auch nicht recht. Denn die Ausländer drücken ja zumindest ihre IMU ab, während es schwer fällt trotz teils unerhörtem Reichtum, hier oben freiwillige, einheimische Steuerzahler zu benennen...

Seit zwei Jahrzehnten schließe ich die Augen vor diesen Nickligkeiten. Sie sind es nicht wert, sich die einzigartige Atmosphäre hier verderben zu lassen. Was hinter unseren Rücken über uns an Gerüchten verbreitet oder gelästert wird, ist auch egal, so lange alle dann wieder beim von uns zusammen getrommelten "Cena in Piazza" friedlich vor unserer Tür zusammen sitzen.

Die Fahndung nach vermeintlich vorenthaltenen Steuern der Ausländer wird in erster Linie, die einheimischen Vermieter ins Visier der Guardia di Finanza rücken.
Bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis dem Bürgermeister von diesem Post gesteckt wird?
Denuncia nescesse est!
Unser Cena in Piazza bringt stets Freund und Feind sowie alle ansässigen Nationen zusammen

Donnerstag, 13. Juni 2019

Hingabe

Natürlich werde ich mir heute - in dem Jahr, in dem ja die Errungenschaften der Emanzipation gefeiert werden - unter meiner weiblichen Leserschaft heftige Proteste einhandeln. Denn ich behaupte aus lebenslangen Beobachtungen heraus, dass Frauen grundsätzlich das Gen für Hegen und Pflegen in sich tragen.

Auf der Piazza unter dem Fenster von meinem Arbeitszimmer erhalte ich da mindestens zweimal wöchentlich ein demonstratives Beispiel, das mich in dieser eindeutigen Macho-Ansicht bestärkt.

Wir haben es gut getroffen mit dem gegenüber wohnenden Musik-Professoren-Paar. Sie lieben die Piazza genauso wie wir und sind in unserer Abwesenheit Garant, das alles so schön weiter wächst und blüht, wie wir das gemeinsam gestaltet haben. Beide sind exakt in unserem Alter, und dass wir Kunstgeschmack und politische Einstellung teilen, macht die Nachbarschaft umso leichter.

Wenn Piero sich mit seiner Karl-Valentin-Figur und seinen schlechten Augen (die hoffentlich nach der Operation am Samstag besser werden) zu den Pflanzen beugt, könnte er Modell für den Biedermeier-Maler Carl Spitzweg gestanden haben. Das ist ein wahrhaft ruhiger kontemplativer Anblick.

Seine wirbelnde Marcella ist vom Temperament her das krasse Gegenteil. Sie bezieht alles  und jeden in ihr fürsorgliches Herz ein. Sie ähnelt sehr meiner Frau - nur ist sie tatsächlich noch kleiner. Eine zierliche Miniatur aus feinstem Porzellan, an der das Alter von ihr geschickt ausgeblendet wird. Das haben die Italienerinnen einfach drauf. Haare bis zum Po, Schuhe mit hohen Absätzen - selbst auf der Piazza.

"Hingabe" Aquarell mit Paint-Programm
Seit ich weiß, was sie aus diesem zierlichen Körper beim Singen für einen Stimmumfang generiert, traue ich ihr als Fan nahezu alles zu. Ganz zu allerletzt ist die eremitierte Gesangslehrerin  aber ein "Frauchen". Ich weiß und höre, dass sie gerne mit Klang-Schalen oder entsprechender Musik meditiert, aber auf der Piazza werde ich nicht aus ihr schlau. Mindestens zweimal pro Woche höre ich in meinem leichten Schlaf  früh morgens ein permanentes: Sch! sch! sch! Schrapp!!!

Dann weiß ich, Marcella ist wieder voller Hingabe am Fegen der geradezu klinisch sauberen Piazza. Sie ist so vertieft, dass sie nicht hört, dass ich hinter ihr das Fenster öffne. Aber ansprechen tue ich sie nicht, weil ich ja nicht weiß, ob das Fegen eine Vertiefung der Gedanken im Zen ist. So werde ich notgedrungen zum stillen Voyeur ihres transzendentalen Outfits: Abgeschnittene Jeans, die ihre Pobacken hochschnallen, die durch Absätze verlängerten Barbie-Beine und die stets nach vorne gebeugte Haltung obwohl Besen und Kehrschaufel beide ausreichend lange Stiele haben, um sie aufrecht zu benutzen...

Als Piero die Szene betrat, zog ich mich diskret zurück, aber ich hörte sie reden. Als ich nach einer Weile wieder auf die Piazza hinunter schaute, hatte sie etwas längere Hotpants an und fegte exakt den gleichen Abschnitt, den sie zuvor schon lupenrein behandelt hatte...

Damit ich dieser männlichen Perspektive etwas entgegen setze:
Gestern begannen auf dem Kai des alten Hafens die Aufbauarbeiten für die "Fiera San Giovanni". Ein Dreifach-Zelt ganz am Anfang stellt gefühlte tausend technischer Kleinteile aus. Kein Mann ging da einfach so vorbei. Jeder blieb stehen und studierte das Angebot versonnen.

Ich fragte meine Frau, ob sie jemals den Wunsch verspürt hätte, einen Bulldozer zu steuern oder einen Kran zu führen.
Sie sagte nur:
Geh in den Schatten!

Mittwoch, 12. Juni 2019

Die Liebe im Wandel

Neulich kamen wir im Kreise jüngerer Paare auf die Dauer unserer Beziehung und Ehe zu sprechen. Wie immer reagierten meine Frau und ich mit gequälten Witzen zu den gemeinsamen über fünf Jahrzehnten, die hinter uns liegen. Es ist uns vielleicht peinlich, wo doch heute die Ehe auf Zeit propagiert wird.

Die Paare  - zum Teil seit kurzem verheiratet oder einfach nur miteinander lebend - machten sich keine Illusionen darüber, dass das lebenslange ein Bündnis von gestern sei, und selbst gemeinsame Kinder durch diverse, errungene Mechanismen damit schon klar kämen. In der Tat waren meine an ihrer Schule noch so ziemlich die einzigen, deren Eltern nicht geschieden waren.

Gut, auch wir sind die Ehe nicht im Glauben "bis dass der Tod uns scheide" eingegangen. So, wie wir uns vom ersten Moment unserer Beziehung zum Teil auch in der Öffentlichkeit gefetzt haben, konnte ja keiner von Dauerhaftigkeit ausgehen. Aber unterschwellig war wohl immer der Willen zum Erhalten der Verbindung da: Beim Ringen gegen die lange Kinderlosigkeit, beim Eingehen von beruflichen und später geschäftlichen Risiken, bei der von vielen Klippen erschwerten Erziehung unserer Heranwachsenden.

Am Ende jedes Ringens war da ein Konsens, der uns dann noch enger zusammen schmiedete, gar glücklicher machte.

Das Alter bringt es jetzt mit sich, dass man häufiger zurück denkt. Hätten wir da und dort an einer Gabelung einen anderen, vielleicht besseren Weg einschlagen können?

Wer weiß das schon im Nachhinein? Aber was wir  aus der langen  Ehe gelernt haben, sind folgende Fakten:

Den Partner für so eine lange Reise zu finden, ist mehr als ein Sechser im Lotto.
Die Liebe der ersten Jahre erfährt unabdingbar einen Wandel und muss sich dann neu definieren.
Die neuen Ebenen der Liebe erreicht man nur durch harte Arbeit an der Beziehung.
Ob das vielleicht ein Rezept war?
Das Ja-Wort gaben wir uns erst nach acht Jahren,
die Kinder kamen noch vier Jahre später...
Erst im ruhigen Wasser vor der Mündung des Lebensflusses ins Meer der Vergänglichkeit können wir endlich mit dem Rudern aufhören, den Kopf heben und den Partner voller Innigkeit anschauen. - Selbst wenn dann gleich wieder darüber gestritten wird, wer das Steuern übernimmt.

Die Zweitbeste, die Fürsorglichste und die Sparsamste - wie ich meine Frau in diesen Blogs gerne bezeichne, liest die nie. Deshalb kann ich mir diese Reminiszenz auch leisten, ohne von ihr  als zu sentimental bezeichnet zu werden...

Ich habe das hier ja auch nur geschrieben, weil wir beide vor vier Tagen das Datum unserer ersten Küsse  erstmals nach 52 Jahren  übersehen und zu erwähnen vergessen haben..

Montag, 10. Juni 2019

Die Scheißhaufen-Verschwörung

Normal bin ich einer, der Verschwörungstheorien - gleichgültig von welcher Seite - immer müde belächelt hat. Aber irgendetwas muss passiert sein, dass Politik weltweit gleichzeitig nicht nur an den Grundfesten von bestehenden Demokratien rüttelt, sondern Rechtsstaatlichkeit mit Bulldozer-Rhetorik einfach überrennt.

Dass Trump nicht nur der Spiritus Rektor und Initiator dieser Manipulationen ist, dessen Handeln innenpolitisch offenbar unantastbar ist, bringt mich zu der Überlegung, dass das epigonische Handeln anderer Polit-Schurken doch geheimdienstlich vorbereitet wurde.

Ist es wirklich möglich, von kaum messbaren oder gar manipulierten Mini-Mehrheiten den Willen der Völker derart abzuleiten, dass daraus Verstöße gegen geltendes Recht und Gefahren für längst erworbene Freiheit werden?

Trump lügt, betrügt und unterdrückt seine Missetaten derart nachhaltig, dass er daraus seine Unantastbarkeit ableitet, die ihm freie Hand für angeblich staatstragende Erpressungen gibt. Hauptsache, die Mehrheit des Stimm-Viehs daheim jubelt begeistert. Er greift dabei nun auch unverhohlen in die Krisen-Politik  anderer Staaten ein. Mit nur dem einen Ziel: Europa zu destabilisieren.

Auf einer Linie: Die Staaten der Scheißhaus-Verschwörung
Der potenzielle Aspirant Boris Johnson als Nachfolger von Theresa May, der nichts unversucht gelassen hat, die Position seiner Partei-Kollegin aus eigener Machtgier zu schwächen, wird darob nicht nur von Trump gelobt und unterstützt. Er folgt auch dessen Rat,, seine Vertragspartner zu erpressen, indem er Zahlungen verweigert, für die das Land seiner zukünftigen Regentschaft einst Leistungen erhalten hat. Dass er dabei mit Zahlen jongliert hat ,die nachgewiesener Maßen falsch waren, (wie Trump bei "seiner" Mexiko-Krise)  wird ihm nun von einem hörigen höheren Richter nicht weiter angelastet. Bahn frei für den britischen Brexit-Trumpismus!

Wenn Erpressung und Unwahrheit aber das politischen Weltklima beherrschen, wer wird dann noch Putin weiter die völkerrechtswidrige Annexion von Teilen der Ukraine vorwerfen können? Und wer hält Erdogan dabei im Schach, wenn er die Kurden mit russischen Raketen vernichten will?

Und was könnte man dem Iran noch vorwerfen, was die USA und Saudi Arabien nicht schon längst angezettelt und sanktioniert hätten?

Wenn all die Schurken gleichzeitig auf die Kacke hauen, wird über kurz oder lang auch Europa im Unflat untergehen.

Na denn - gute Nacht! Vielleicht lassen sich ja zu Pfingsten die Feuerzungen des Heiligen Geistes noch einmal zur Renaissance der Eintracht entfachen...
Quelle:Pinterest

Freitag, 7. Juni 2019

Stoßgebet an den Polit-Clown

Clown mit der Maske oder Bote aus Dantes Inferno?
Ciao Beppe! Kannst du wirklich noch ruhig schlafen?
Mit Witz und Wort-Gewalt hast du die alte Politik verhöhnt.
Jetzt wirst du dafür wohl noch das ganze Land bestrafen...
Wie war, was du jetzt gewährst, vor kurzem noch verpönt.
Die Cinque Stelle wolltest du als politisches Prädikat,
Doch jeglicher Populismus war noch nie für's Volk.
Jetzt öffnet er die Tore wieder zum politischen Diktat.
Im Halse stecken bleibt mir da dein schlimmer Ulk!



Avanti Beppe! Steh endlich auf gegen die Folgen deiner Worte!

Für den Wechsel eines falschen Kurses ist es doch nie zu spät.
Mach Schluss mit dieser Koalition aus der faschistischen Retorte,
Die nur Streit, Missgunst und Zwietracht in deinem Volke sät.
Von weit links zu starten, um ultra rechts im Schrecken zu enden:
Der Duce hat es doch schon einmal blutig vorgemacht.
Vielleicht hören sie noch auf dich, um das Unheil abzuwenden.
Denk an Bella Italia und nicht ans Regieren in finsterer Nacht!



Forza Beppe! Wolltest du wirklich diese Art von Macht?

Verwerflich, wenn sich das Ego ins eigene Wort verliebt!
Aber im Rausch der Sinne hast du wohl nicht bedacht,
Dass Geschichte dem Populisten nie und nimmer vergibt.
Deshalb besinn dich auf dein sprachliches Talent
Und die Fähigkeiten als Italiens  "numero uno Arlecchino",
Damit der Stiefel nicht von Nord nach Süd  verbrennt.
Gut für Europa wär' ein Happy-End wie einst in eurem Kino...

Dienstag, 4. Juni 2019

Sajit kocht

Wenn ich mich in meinen Schwiegersohn hinein versetze, wird mir erst wieder bewusst, was nicht nur wir- seine Familie -, sondern seine neue Welt insgesamt ihm alles abverlangen.

Mit meinem Sarkasmus war ich vielleicht kein idealer Starthelfer, aber er deckte zumindest seinen Humor und seinen Behauptungswillen auf. Als er zum ersten Mal mit meiner Tochter, die sein  Kind erwartete, auf die Burg kam, wussten wir eigentlich nichts über ihn. Außer, dass er aus Nepal stammt und sein Studium der Elektrotechnik an einer bayrischen Universität abgebrochen hatte, um Koch zu werden.
Als er im Dunklen ihr Gepäck über die Piazza schleppte, rief ich von der Seite:
"Bist du der Sherpa, den wir für hier oben bestellt haben?"
Und er antwortete: "Ja, Master! Soll ich noch etwas hochschleppen?"
Ich konnte nicht anders, als ihn sofort in die Arme zu schließen: ein bildschöner, junger Mann, ein fragiler Modell-Athlet. Wenn es für Schwiegersöhne so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gäbe, dann war sie das.

Inzwischen sind über vier Jahre vergangen, unser Enkel ist im Kindergarten, und unsere Tochter arbeitet wieder. Sajit kocht.

Innerhalb kürzester Zeit hat er sich in München mit seinen Crossover-Kreationen einen Namen gemacht, aber er scheint noch immer nicht an seinem Ziel angelangt zu sein.

Langjährige Leser meiner Blogs haben sich vielleicht gewundert, wieso ich kaum noch Rezepte von mir poste. Das hat einen einfachen Grund. Sajit greift manche meiner Ideen auf und macht sie im Handumdrehen durch feine Veränderungen nicht nur besser - er hebt sie quasi in den Gourmet-Himmel. Was soll ich da noch sagen - außer, dass zu viele Köche einfach den Brei verderben...

Am vergangenen Wochenende wollten Nachbarn unbedingt eine Fleisch-Orgie vom Grill. Sajit war für das vergangene Halbjahr der Meat-Master im angesagtesten Steak-House von München. Nun weiß er auch alles über Fleisch. Er liest es regelrecht und wendet Tricks an, von denen ich bislang nichts wusste. Unsere Quelle hier in Ligurien ist zwar nicht schlecht, aber an die Produkte seiner Lieferanten kommt dieser Metzger-Betrieb nicht heran. Obwohl wir vorbestellt hatten, um es maturieren zu lassen...

Deshalb blieben mir vor allem zwei kleine Dinge in ihrer Einfachheit in Erinnerung:

Ein Carpaccio aus Cuore-di-Bue-Tomaten beträufelt mit einem Pesto, bei dem die Blätter nach dem Fermentieren noch sichtbar waren. Dann hatte er das mit Burrata (das ist der abschöpfbare Schaum, der bei der Herstellung von Mozzarella ensteht) betupft und mit frisch gerösteten Pinien-Kernen bestreut. Mit unserem unverschnittenen Öl vom Nachbarn eine perfekte Komposition!

Sein Bohnen-Salat zum Fleisch war auch so eine Simplizität:
Die breiten Bohnen in kleine Karos geschnitten und mit weißer Zwiebel etwas länger bis zur Knackigkeit blanchiert. Dann das ganze zu weich gerösteten Speck-Würfeln in die Pfanne gegeben. Kurz mit Zitronen-Saft in unserem Extra Vergine geschwenkt. Lauwarm (tiepido) serviert mit frischem Peperoncino geschärft. Bombe! - Selbst kalt noch einen Tag später ein von mir schnell verputzter Genuss.

Mancher mag jetzt denken: Da ist der Kerl bei denen im Urlaub und steht wieder ständig am Herd.
Antwort: Er ist einfach nicht abzuhalten.
Wenn es einen Beleg für die Leidenschaft beim Tun bräuchte, dann wäre das Sajit.
Sobald er ein Angebot sieht, das seine Koch-Phantasien anregt, dann schlägt er zu. So kam er für uns viereinhalb Personen einmal gleichzeitig mit einem halben Zicklein und einem 3-Kilo-Branzino zurück. Der Laden-Preis des mediterranen Kult-Fisches, der so groß nicht aus der Zucht kommt, betrug selbst im Vergleich zum EK beim Münchner Fisch-Importeur seines Vertrauens gerade mal 30 Prozent.

Das Zicklein-Curry war nur eine der Speisen, die vorrangig sein gelegentliches Gaumen-Heimweh besänftigen sollte. Sajit muss mehrmals am Tag essen. Er ist ein außergewöhnlicher "Verbrenner" und dabei doch so schlank. Beneidenswert!
 Der Branzino ergab penibel zerlegt und kalt gestellt sechs nahezu von Gräten befreite, große Steaks. Die briet er am Tag darauf derart gekonnt auf der Haut, gerade so, als sei der Fisch erst eben in die Pfanne gehüpft. Eine Qualität der Fisch-Zubereitung wie wir sie in 20 Jahren hier selbst unten am Meer noch nie aufgetischt  bekommen haben

Da ist es doch kein Wunder, dass ich den Kampf um den Herd, um ihn zu entlasten, längst aufgegeben habe.

Leider vergisst er aber, dass die Küche  unserer mittelalterliche Bruchbude an kalten Tagen schlecht zu entlüften ist. Vorgestern ist die kleine Familie abgereist und heil in München angekommen.

Der Geruch des Zicklein-Currys wird uns noch ein paar Tage auf allen Stockwerken an sie erinnern...


Montag, 3. Juni 2019

Zeitvertreib

Kapitän seiner eigenen Zeit zu
sein, bleibt ein Kurs
auf Lebenszeit
Irgenwie ist der Alters bedingte Ausgang eines normalen Lebens unverständlich geregelt: Während die letzten Jahre in vermeintlich höherer Geschwindigkeit dahin rauschen, haben wir Alten alle Zeit der Welt, die wir ja eigentlich super nützen könnten. Stattdessen sitzen wir auf den hart gewordenen Bänken der "Endstation Sehnsucht" und warten auf den "Zug nach Nirgendwo".

"Das Ende naht" ruft der Beamte vom Bahnsteig, und die Wartenden sind froh, wenn er wieder mal nur einen langen Güterzug auf dem Weg nach "jenseits von Eden" meint.

Ja, wir könnten noch soviel machen, wenn der schmerzende Körper und die nachlassende Konzentrationsfähigkeit mitmachten..

"Such dir einen Zeitvertreib!" Rät meine an Ratschlägen reiche Tochter. Für einen Moment will ich mich allein schon gegen das Wort auflehnen.

"Zeitvertreib?" Wie kann man etwas vertreiben, was nicht eigens definiert, Wirkung auf unser Gehirn hat. Setzen wir Lichtgeschwindigkeit, gegen die Wahrnehmung einer Eintagsfliege. Nehmen wir diese saudumme Sommerzeit, die auf den fragwürdigen Zeit-Begriff noch eines drauf setzt! Einstein bezeichnete die Zeit als Erfindung des Menschen, der wir uns gegen eigene Empfindungen unterwerfen.

Wenn ich an den Feigenbaum auf unserer Terrasse in 14 Metern Höhe denke,
erreichen demnach  auch Schnecken stets ihr Ziel
Zumindest mir geht es so. Noch nie hatte ich mit einer Zeit-Umstellung so zu kämpfen wie mit der Sommerzeit in diesem Jahr. Denn auf den Winter folgte ja gar kein Sommer. Schon gar nicht seit ende März! Also lebten die meisten von uns, die nichts mehr Essentielles zu tun haben, gegen ihre tief graue Wahrnehmung.

Der Körper eines von lebenserhaltenden Arzneien Abhängigen entwickelt im Einklang mit denen eine innere Uhr. die aber wird von Staats wegen damit brutal verstellt.

Macht doch nichts! Der Alte braucht sich doch gar nicht umzustellen. Der muss sich doch auch nicht an die Zeiten halten.

Ist schon richtig. Wenn andere wegen des Jobs eine Stunde früher aus den Federn müssen, könnte man selbst leicht liegen bleiben. Aber das tägliche Leben bleibt ja auch nicht liegen. Also schluckt man seine Medikamente und spritzt seine Präparate, den lieben langen Tag nach einem neuen Rhythmus.

Und dann schlägt der alte Fahrensmann "Körper" zurück. In schmerzhaften Einzelkämpfen ringt er die Zeit-Renegaten in seinem Inneren nach und nach nieder. Als wisse er, hier auf der Burg  hat Zeit keine Macht. Und siehe da, die innere Uhr stellt sich von selbst um, als gäbe es gar keine Sommerzeit. Daran ändern auch die Kirchturm-Glocken nichts, die eine andere Zeit einläuten.

Wenn es Zeit zur Verabreichung von Medizinen  ist, sendet mein Inneres ohne Blick auf die Uhr die Botschaften. Ich bin nun von selbst wieder im alten Rhythmus der Winterzeit. Ist ja fürs Alter auch passender.

Also zurück zum Ratschlag meiner Tochter:
Zeitvertreib bedeutet laut Duden:

Unterhaltung, 
Ablenkung, 
Abwechslung, 
Zerstreuung, 
Kurzweil, 
erholsame Beschäftigung, 
Vergnügen, 
Amüsement, 
Belustigung, 
Lustbarkeit, 
Spaß, ...