Freitag, 20. September 2019

Noch ein Nachschlag!

Er kann es nicht lassen. Trotz der nur begrenzten Urlaubstage hier lässt der Meister-Koch es sich nicht nehmen, für die Familie aufzukochen; als Crossover-Spezialist daher hier eine "Portion" "Spaghetti allo Scoglio" für den Blogger. Hab den anderen natürlich ein wenig abgegeben...

Montag, 16. September 2019

Über die Sozialisation

Tut mir leid, aber das musste ich jetzt einfach bei Wikipedia cursorn:

Sozialisation (lateinisch sociare ‚verbinden‘) wird im Handbuch der Sozialisationsforschung von Klaus Hurrelmann u. a. definiert als „Prozess, durch den in wechselseitiger Interdependenz zwischen der biopsychischen Grundstruktur individueller Akteure und ihrer sozialen und physischen Umwelt relativ dauerhafte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsdispositionen entstehen“. Sozialisation ist demnach die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Internalisation (Verinnerlichung) von sozialen Normen.

Verständlich geht anders. Und wieso habe ich den Begriff überhaupt in die Suchmaschine eingegeben?
Meine vielseitig talentierte Personalchefin, Unternehmerin und heutige Landfrau, meine Freundin, die "Schweizer Garde", ist ja unter anderem auch Diplom-Psychologin. Als solcher ist ein so mannigfaltig Gestörter wie ich natürlich eine Herausforderung.

Obwohl wirr, verläuft ja mein Tagesablauf nach festen Regeln, und wenn sie uns Feldfrüchte und Eier  bringt, sitze ich immer in einer Ecke unseres Esszimmers. Dort fluche ich - obwohl ja sonst niemand rund um meinen Sessel zu sehen ist - möglicherweise über meine Skat-Partner Ärschling und Wichser, die offline vom Programm "Skat Palast" deutlich häufiger, bessere Karten  auf meinem Tablet zugeteilt bekommen als ich. Mein Tablet sieht ja die holde Helvetia im Gegenlicht des großen Fensters nicht.

"Du musst dich mehr sozialisieren!" Dann greift sie zu dem meist schon kalten Kaffee, den sie von meiner Frau angeboten bekommt, setzt sich und beginnt ein therapeutisches Gespräch, das bald in eine heftige Diskussion rund um die Tages-Aktualitäten mündet.
Die härteste Lektion der Sozialisation ist die Erkenntnis,
dass sie selbst in der Familie den Einflüssen
von Zeit und Alter unterliegt


Tatsächlich sieht sie sich als Teil meiner Sozialisation, ist dann aber verblüfft, wenn ich im Gegen-Argument die derzeitige Weltlage als eindeutig "entsozialisiert" bezeichne.

Es ist also so, dass ich mich in erster Linie immer mehr von der Welt im Allgemeinen zurück ziehe. Und da ich nie ein Party-Typ war, geht mir auch das sozialisierende Dauerfeiern auf der Burg - mit meiner Frau mittendrin als Katalysator - zunehmend auf den Senkel. Es ist eben mit mir nicht mehr alles im Lot (das Bleilot - der Senkel - zeigt beim Bauen die Senkrechte an).

Obwohl ich Individuen, die ich kennen lerne, größtmögliche Empathie entgegen bringen kann, versage ich bei Gruppen die größer sind als sechs Personen. - Als stammte der britische Spruch  "more than six is a crowd" von mir. Auslöser war unter anderem  in meiner Jugend auch eine Studie, die Soziologen mit zwei Pfadfinder-Gruppen angestellt hatten. In Einzel-Befragungen mussten die Jungs sagen, wen sie aus der anderen Gruppe am wenigsten sympathisch fanden und wen sie in der eigenen Gruppe am liebsten mochten. Es wurden zwei neue Gruppen geformt, die jeweils nur aus Probanden bestand, die sich unsympathisch waren. Nach kurzer Zeit der Sozialisation wurden die  Gruppen wieder in Wettbewerben aufeinander "gehetzt". Es stellt sich heraus, dass die einstigen Sympathie-Träger nun einander spinnefeind waren.

Schon als Jugendlicher hatte ich deshalb einen Argwohn gegen allzu viel Freundschaft und war vielleicht übervorsichtig, auf wen ich mich einließ. Und dennoch wurde ich eins ums andere Mal nicht nur getäuscht, sondern auch geschädigt...

Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass Sozialisation bei vielen Tier-Arten
besser funktioniert als bei uns Menschen
Foto: pixabay


Nach den Olympischen Spielen 1972, 1976 und der Fußball-WM 1974 war mir eigentlich klar, dass ich an einer Stadion-Phobie litt und deshalb kein Sport-Schreiber werden wollte. Aber das Schicksal meinte es dann anders: Große und größere Menschenmengen gehörten also bis zum Ende meines Berufslebens zum Alltag. 

Auf die Burg kam ich dann in der Hoffnung, dass ich fortan die Größe der Gruppen mit denen ich Umgang habe, im  Kleinstmaß kontrollieren könne. Das ist mir so schlecht gelungen, dass ich jetzt von Tag  zu Tag eine größere Sehnsucht nach meiner Münchner Großstadt-Isolation habe. Jetzt ist meine Tochter mit ihrem Sohn und mit Freunden hier, und sie will natürlich auch Party mit den Leuten machen, die sie hier oben kennt. Das Haus gleicht einem Bienen-Stock. Es ist gut, dass sie das Haus hier bald mit ihrem Bruder übernimmt.

Der Party-Sommer ist nun bald vorbei. Der Blogger nimmt sich jetzt eine kurze Übergangszeit, um vom Eremiten-Dasein zu träumen. Ich weiß, dass ich heuer meinen depressiven Strömungen beim Posten zu sehr nachgegeben habe, aber das lag an den permanenten Schmerzen, für die es kaum Aussicht auf Linderung gibt...


Ab dem 3. Oktober werden wieder Steine im Glashaus geworfen. Am Tag der "Deutschen Einheit"gibt es nämlich für mich weniger zu feiern als zu bedenken. Bleibt mir trotz allem weiter mit hohen Zugriffszahlen wie in diesem nun vergangenen Sommer gewogen.

Freitag, 13. September 2019

Contiamo su di te - Giuseppe Conte!

Seit jeher die Sehnsucht der Europäer aus dem Norden: Die Kultur-Wiege Italien.
Von Goethe bis Axel Munthe,, dessen
Villa auf Capri diesen einzigartigen Blick hinüber zum Vesuv bietet...
Foto: Claus Deutelmoser
Am 7. Juli sandte ich in diesem Blog ein Stoßgebet an den Initiator der Bewegung "Cinque Stelle". Natürlich hat der Beppe Grillo das nicht gelesen, aber immerhin ist er wenig später aus "der Versenkung aufgetaucht" wie die Zeitung "Republica" feststellte. Und anscheinend hatten seine Auftritte, in denen er er eine Umkehr quasi um 180 Grad ins Spiel brachte, etwas in der Bewegung in Bewegung gebracht, das stark genug war, Matteo Salvini aufs Abstellgleis zu rangieren. - Vorerst.

Die Angst vor dem gern heimtückisch agierenden Populisten der Lega ist unter den moderaten Wählern des Stiefels immer noch vorhanden. Selbst, da nun die Koalition aus CS und PD, die eigentlich als unvorstellbar galt, steht. Und wie es scheint mit viel versprechendem Personal.

Angeführt wird sie wieder von dem keiner Partei angehörenden Rechtswissenschaftler Giuseppe Conte. Sein neues Kabinett ist deutlich pro europäisch aufgestellt, was zunächst nur ein Zeichen sein kann. Bei einer Verschuldung Italiens von geschätzten 160 Prozent des Bruttosozialproduktes wird dieser Weg daraus kein leichter sein. Wenige glauben deshalb an den Bestand dieser Koalition bis zur nächsten regulären Wahl 2023. Und genau deshalb sind gerade jetzt alle Europäer guten Willens gefragt, den neuen Kurs ihres "Sehnsucht-Landes" zu unterstützen.
Wie sagte EU-Komissar Günther Oettinger einst doch so richtig:
"We are all sitting in one boat."
Dann muss Europa eben beim Reparieren helfen, damit es nicht weiter leck schlägt.
Foto Claus Deutelmoser

"Contiamo su di te - Giuseppe Conte!" Wir zählen auf dich!. Weil du nicht nur beispielhaft und ausschließlich mit Mitteln der Demokratie ein Abdriften in eine Semi-Diktatur verhindert, sondern in chaotischen Zeiten die Brücke dieses schlingernden Schiffes Italien auch nicht verlassen hast. Was die Griechen bislang gegen zähe Widerstände erreicht haben, kannst auch du schaffen.
- With a little help from a friend.

Allerdings muss dafür die EU - Brexit hin oder her - den Willen zu ihrer eigenen Bestands-Sicherung im Zentrum verstärken. Fördergelder kassieren und gleichzeitig demokratische Prinzipien der Union mit Füßen zu treten, darf es angesichts der Not pro europäischer Kern-Länder ab sofort nicht mehr geben. Dann müssen solche Quertreiber wie Orban halt raus, und der rechtspopulistische Anti-EU-Flügel im Europa-Parlament mit allen Mitteln kalt gestellt werden,  Fördergeld oder Anleihen dürfen dann nur jenen Staaten gewährt werden oder allein den Nationen zufließen, die Europa gegen den Rest dieser durchgeknallten Welt stark und demokratisch beständig machen wollen...
Selbst aus verbrannter Erde erwächst immer wieder neue Strahlkraft.
Ginster in Vulkan-Brocken auf Sizilien. Foto: Claus Deutelmoser

Dienstag, 10. September 2019

Wenn das Gute böser ist als das Böse

Seit geraumer Zeit ist festzustellen, dass die Dramaturgie in Film, Fernsehen und Literatur immer häufiger verlangt, dass Sympathien Charakteren entgegen gebracht werden, die jenseits der allgemeinen Moralvorstellungen agieren. Das funktioniert meist, indem dem eigentlichen Negativ-Helden im Verlaufe der Handlung zunehmend Eigenschaften zugeteilt werden, bei denen unser Unterbewusstsein sagt: Ach so böse ist der ja eigentlich gar nicht.

Beispielsweise ein Drogen-Dealer geht eingangs mit Mord und Totschlag gegen seine Konkurrenz vor, um noch mehr abzusahnen. Aber dann erfährt man im Verlauf der weiteren Handlung, dass er auf diesem Weg die einzige Chance sieht, seiner todkranken Tochter die unheimlich teure aber lebensrettende Operation zu ermöglichen. Damit diese fragwürdige Schieflage seiner Moral nicht aneckt, müssen die, die ihn eigentlich zum Schutz der Gesellschaft verfolgen, besondere Ekel sein: korrupte Polizisten, ehrgeizige Staatsanwälte, gnadenlose Richter - aber auch "Freunde", die sich als "Verräter" verdingen...

Dieses Grundmuster hat natürlich hunderte Varianten. Am drastischsten wird unser soziales Gewissen in Filmen von Quentin Tarantino misshandelt. Es gibt aber auch jede Menge Werke, die von uns Konsumenten gegen alle Vernunft Kultstatus erringen.
Er quatscht über Burger, tanzt
mit der Frau vom Chef
und bringt ganz nebenbei Leute um:
John Travolta als Vincent Vega
in Tarantinos "Pulp Fiction"
Quelle: ping
Forest Whitaker, der begnadete und mit dem Oscar ausgezeichnete Darsteller sperrigster Rollen verkörpert in dem Film "Ghost Dog - Der Weg des Samurai" aus dem Jahr 2000 einen Auftragskiller. Der hält sich beim Killen an die strengen Regeln des Hagakure. Im niemals angezweifelten Gehorsam zu seinem Gangsterboss und Meister verrichtet er sein mörderisches Handwerk, bis er bei einer Exekution der konkurrierenden Mafia-Bande eine Frau verschont. Die Mord-Aufträge erhält er übrigens durch Brieftauben, und natürlich hat der Massenmörder einen Freund, dem er wirklich vertraut und mit dem er sich austauscht. Auch freundet er sich mit einem kleinen Mädchen an, dem er kurz vor seiner im Kodex konsequent angekündigten, eigenen Exekution sein "Hagakure" als Vermächtnis übergibt. Jim Jarmusch, der Meister-Regisseur wendet hier die moralischen Katalysatoren zum tödlichen Tun seines Helden in Form von Schutz-Instinkt, Freundschaft und Unschuld an: Tauben, Freund und Mädchen.

Ich habe den Film einige Male in verschiedenen Sprachen gesehen und gebe zu, dass ich immer begeistert war. Aber da war das generell Böse ja eher noch ein Abstraktum und nicht weltweit auf dem Vormarsch. Als Sohn eines Juristen nagte dabei aber immer schon in mir so ein Gefühl, dass ich mich habe hinreißen und verführen lassen.

Der Antagonismus zwischen Gut und Böse ist so alt wie die Menschheit, und so lange sind Künstler aller Epochen mit ihren Werken auch zurecht inspiriert. Aber in der Faszination die vom Bösen ausgeht, steckt auch immer die Gefahr, dass man das Gute zu wenig schützt.

Die Erziehung mit Zuckerbrot
und Peitsche sucht manch böser Bube
bis ins hohe Alter - getrieben
von Klischees: Gute Frauen sind
blond und haben blaue Kulleraugen.
Bei den bösen Schwarzhaarigen
stehen die grünen Augen schräg.
Claus Deutelmoser:
Zuckerbrot und Peitsche,
Acryl und Öl auf Karton
ca. 2011
Bis zu meiner Kindheit galt zum Beispiel die Erziehung mit "Zuckerbrot und Peitsche" als gangbarer Mittelweg. Heute schlägt man in unseren Breiten Kinder nicht mehr, aber man lässt sie ungefiltert Gewalt konsumieren. Die Mode des Satanismus ist durch den Gothic-Style zwar etwas abgeschwächt worden, doch die Gewalt unter Jugendlichen wird ja auch nicht schwarz, sondern braun geschürt, ohne dass wir näher darauf achten.
Potentaten stapfen gnadenlos über Errungenschaften zur Macht, dass einem angst werden kann, die Demokratie sei ein Auslaufmodell und der Spaß am Bösen das Politikum der Zukunft.

In einem gnadenlos miserablen ARD-"Tatort" vom vergangenen Sonntag sagt der Krankenhaus-Pfarrer - dargestellt von Heinz Hoenig : "Der größte Erfolg des Teufels ist, dass er uns hat glauben lassen, es gäbe ihn nicht!"

Wer lässt sich nur solche Zeilen einfallen? Natürlich gibt es keinen Teufel. Aber es gibt auf der Welt Millionen von Menschen, die gerne Teufel wären, und einige con ihnen kommen sogar mit Hilfe von Kirchen-Fürsten an die Macht.

Ich war vor einiger Zeit in zwei Übersee-Departements Frankreichs auf Reportage. Auf der Insel La Reunion im Indischen Ozean gab es in einem Hain an der Straße zu meinem Hotel eine "Weihestätte" für den Baron Samedi. Auf den Lava-Brocken lagen blutrote Schleier, Opfergaben wie abgeschnittene Hühnerköpfe, und Kerzen in gespenstischen Gestaltungen brannten offenbar Tag  und Nacht. Ich bat meinen Taxifahrer von dessen Rückspiegel ein Rosenkranz baumelte, zu halten, damit ich fotografieren könne. Er riss entsetzt die Augen auf.
Als ich wieder einstieg, wies ich auf den Rosenkranz hin, und fragte, ob er dem "Baron" auch opfern würde. "Natürlich, ich muss mich gegen das Böse ja schützen. Das machen hier auch die Hindus und Moslems."

Erstaunlich, weil ich den Voodoo-Kult bis dahin nur für karibisch hielt. Auf Guadeloupe hatte ich mal die Allerheiligen-Nacht mit Einheimischen auf dem Friedhof verbracht. Da trat der Baron aber in Form verkleideter Jugendlicher auf, und wurde nicht mehr ganz so ernst genommen...
Immer dran denken; Angst vor dem Bösen haben auch die Bösen.
Das Voodoo-Wesen Baron Samedi soll da helfen. siehe James Bond.
"Der Baron Samedi tanzt am Eingang zur Hölle"
Claus Deutelmoser 2004, Oil in Canvas

Montag, 9. September 2019

Da kamen die Katalanen

Seit 2003 ist unser Ort mit dem katalanischen Vilobi del Penedès eine Partnerschaft eingegangen. Das ist deshalb so spannend, weil die Katalanen nicht erst seit Laurentius von Rom kaum Schwierigkeiten haben, sich in Italien zu verständigen. Die ein reden einfach Catalan die anderen Italienisch und verstehen sich nicht nur deshalb blendend.

Zwischen den Città Gemella herrscht seither immer mit eine paar Jahren Abstand ein Reise-Austausch. Diesmal waren die Katalanen wieder einmal hier. Einmal hatten wir hier oben schon das Vergnügen, sie auf unserem frei geräumten Parkplatz unter der Burg zu einem Abendessen mit anschließenden Unterhaltungsprogramm begrüßen zu dürfen. Es war ein toller Abend.

Heuer - mit der gestörten Kommunikation zwischen  Capoluogo und Burg - war das Concerto hier oben nicht auf dem Programm der katalanischen Gäste. Stühle wären ausreichend gestellt gewesen. Die Gruppe zeigte sich sehr enttäuscht, als ich sie hier bei ihrem Besuch auf der Piazza beim Fotografieren wegen des Fernbleibens befragte. Unser unermüdlicher Bewahrer Ugo machte mit seinen 93 Jahren dann am letzten Tag des katalanischen Besuchs hier den kundigen Führer durch den Borgo...
Naja - vielleicht beim nächsten Mal dann mal wieder mit abendlicher Burg-Romantik.
Gruppenbild mit vielen Damen.
von links die drei "kulturbeauftragten"Burg-Geister
 Umberto, Elia und mit Schiebermütze unser unermüdlicher
Bewahrer Ugo

Samstag, 7. September 2019

Zaunkönig


Ein dankbares Publikum
war schon allein wegen der
Atmosphäre begeistert
und spendete reichlich Applaus

Wenn die Beine nicht so recht mitmachen, ist es von Vorteil ein Haus zu haben, das Fenster mit höchst unterschiedlichen Ausblicken bietet. Ich habe das in den letzten Tagen sehr zu schätzen gewusst. Es ist erstaunlich, was da zu sehen ist und übersehen wird, wenn man sonst meist draußen lebt.

Um  mein Kopfkissen vor dem Fenster im Schlafzimmer beneidete mich manch Ornithologe. Was ich da im Morgengrauen im Laufe der Monate an Vögeln zu sehen bekomme, ist eine wieder erlangte Artenvielfalt, die es vor zwei Jahrzehnten hier noch nicht gab.

Gehört habe ich sie des nachts schon öfter, ohne ihren bekannten Gesang zuordnen zu können, Aber dann im Morgengrauen sah ich die Winzlinge, die normalerweise Einzelgänger sind, im Schwarm um die nahen Giebel der anderen Häuser wirbeln: Zaunkönige.

Da ich sie zuvor hier  noch nie gesehen habe, kann ich nicht sagen, ob sie schon aus Regionen nördlich der Alpen auf die Burg gezogen sind, oder sich hier erst versammelt haben, um noch weiter in den Süden zu ziehen. Aus beiden Aspekten wäre es jedenfalls sehr früh. Denn die Kerlchen - das weiß ich aus dem Garten vom Münchner Glashaus - sind enorm winterfest. Ein frühes Auftreten in Schwärmen könnte also auf einen kommenden harten Winter in Europa hinweisen, was ja auch aus politischer Sicht zu erwarten ist...

Zaunkönige gelten seit der Fabel von Aesop über die Entstehung des Namens für den Troglodytes als Symbol für Schlauheit und Lebenswillen. So wie er sich in ihr aus dem Brustgefieder des Adlers löst und als König am höchsten in den Himmel steigt, so ist es ihm heute gelungen wider allen Umwelteinflüssen weltweit seine Population zu erhöhen.

Kindheits-Idol als es noch
Stars zum Anfassen gab:
Jürgen Werner (1935 - 2002):
Deutscher Meister, DFB Pokal
und National-Spieler im
WM-Aufgebot 1962 Chile
In Hamburg war ich als Erstklässler in einer Rasselbande unterwegs, die gratis auf dem Platz von einem Verein kicken durfte, der bezeichnender weise FC Sperber hieß. Der galt als Talent-Versorger des eist ruhmreichen HSV. Unter der Woche kamen manchmal solche Größen wie Dieter Seeler und Jürgen Werner (der Mann mit dem einst weitesten Einwurf der Bundesliga) um uns Stepkes Technik-Tipps zu geben. Am Wochenende hätten wir bei den Liga-Spielen allerdings einen Groschen Eintritt zahlen müssen, den wir lieber für Tüten-Brause ausgegeben haben. Da saßen wir also lieber gratis erhöht auf einem Zaun am Wall der Hochbahn. Quasi ein Logenplatz, weswegen uns auch die alten Fans "Zaunkönige" nannten, noch ehe wir wussten, dass es Vögel dieses Namens gibt.

Daran musste ich gestern Abend denken, als ich Vera Lorenz und Sabine Seesselberg bei ihrem Konzert auf der Piazza vom Logenplatz  im Büro lauschen musste, weil mir die Treppe und das Sitzen auf  dem Gestühl noch mehr Schmerzen bereitet hätte.

Im Vergleich zur Temperatur bei der Probe, von der ich hier ja schon schrieb, war der Abend durch die voran gegangene, heftigste Sturmnacht erheblich abgekühlt. In meinem nicht so geschulten, musikalischen Gehör klangen die klassischen Melodien zum Träumen - im Vergleich zu der Spiellaune bei der Probe - durch beide weit offenen Fenstern zur Piazza - also quasi stereo - etwas unterkühlt.


Donnerstag, 5. September 2019

Mein altes Ego

Das, was an Gedrucktem übrig bleibt, befasst sich immer häufiger mit Ratschlägen dazu, was der Mensch zur Verbesserung seines Lebens tun oder lassen sollte. Vor allem im Ernährungsbereich wird beinahe täglich eine neue Sau (mit geringeren Cholesterin-Werten?) durchs Dorf getrieben. Aber immer häufiger kommt es auch zu Übergriffen, um dem Individuum ultimativ und "alternativlos"zu empfehlen,was es zur Verbesserung seiner Psyche anzustellen hat.

Ich weiß nicht, wie es meinen Altersgenossen geht. Aber ich fühle mich von dieser Ratgeber-Industrie übergangen. Untereinander reden wir ja meist nur über das, was die Ärzte uns diagnostiziert haben. Zwei Burg-Nachbarinnen in den 80ern bekamen künstliche Gelenke im Knie beziehungsweise in der Hüfte eingebaut. Meine Frau und der Musik-Professor von den Burg-Zinnen haben sich neue Linsen in die Augen lasern lassen. Seither kann ich keinen Krümel mehr auf dem Hemd haben, den sie nicht scharfsichtig ausfindig machten.
Beim Autofahren haben aber meiner Holden die veränderte Perspektive  eher nicht geholfen. Was auf unseren kurvigen und engen Straßen bei mir für erhöhten Pulsschlag sorgt. Aber eben auch nur, weil ich mich selbst viel zu früh als verantwortlich für meine Mitmenschen zum dem Schicksal ergebenen Beifahrer degradiert habe... Mein Freundin Paula meint sogar drastisch, ich hätte mich selbst entmündigt, während  sie  tempohart auf die 80 zusteuernd in ihrem SUV immer noch ordentlich Stoff gibt.

Ich bin nicht neidisch auf alle meine Bekannten, die selbst nach schwersten Operationen so tun, als gäbe es das Alter gar nicht. Während ich mich von nahezu allem verabschiedet habe, was mich einst ausmachte, feier ich auf der Burg kleine Siege gegen mich selbst. Seit ich schmerzende und dadurch sehr unzuverlässige Beine habe, rang ich um den Gebrauch eines Stockes. Jetzt benutze ich diesen maßgeschneiderten Hartholz-Prügel, und siehe da, beim Schleppen der Vorräte hinauf zum Haus (manchmal gut 20 Kilo) muss ich auf den steilen Treppen keine Pause mehr einlegen, sondern marschiere tock, tock tock in einem unaufhaltsamen Rhythmus, bei dem mein Körper nicht mehr durch seitliches Pendeln unnütz Energie liegen lässt.

Gesagt hat mir das keiner, dass einfache Physik so leicht männliche Eitelkeit besiegt.
Das alte Ego starrt gnadenlos zurück. Es
schüchtert ein. Vielleicht sind die vielen Alten
in der Politik deshalb so böse, weil
sie damit bis zum Umfallen
 ihre Sterblichkeit überspielen wollen?
Und nun komme ich auf die Einleitung zurück. Es gibt tausende an Ratgebern, wie einer annähernd die ewige Jugend erringen kann, aber nicht einen, der einem verrät, wie man damit umgeht, wenn man sich vor der Zeit vom Alter hat erwischen lassen. Es geht immer darum, das Werden zu beeinflussen, niemals jedoch mit dem Sein zurecht zu kommen.

Unter dem Suchbegriff  "alt werden, aber richtig" gibt es bei Google hunderte von Webseiten, die das belegen.

Ich habe mein Ego zum Beispiel sechs Jahrzehnte mit Unmengen von Trainingseinheiten in den verschiedensten Sportarten gefüttert, aber ich hätte nie so lang weiter gemacht, bis womöglich Gelenke ausgetauscht werden müssten. Kein orthopädischer Chirurg soll noch einmal Hand an mich legen, so lange ich das bei klarem, eigenem Verstand noch verhindern kann. Aber da sind wir schon beim nächsten Schwachpunkt. Die Gehirn-Leistung lässt im Alter nach. Da kannst du dich auf den Kopf stellen!
Wie machen Trump und auch seine überlagerten Gegenkandidaten für die nächste US-Wahl das mit dem Überspielen ihres sichtbaren Greisenalters? Was rauchen die und wann? Und müssen wir machtlosen Alten noch damit rechnen, dass die high bis zum Stehkragen irgendwann den "roten Knopf" drücken, damit wir gemeinsam mit ihnen verdampfen? Eine atomare Variante des Pharaonen-Todes gewissermaßen...

Ein Grund, weshalb ich eigentlich meine Blogs bediene, ist vor allem der Angst geschuldet, ich könne bald nicht mehr formulieren. Meine Frau löst mit unendlicher Geduld die schwersten Sudokus, vergisst aber den Einkaufszettel, auf dem sie alles vermerkt hat, um ja nichts zu vergessen. Ich spiele am Computer Patience-Varianten gegen die Uhr. "Seahaven Towers" muss ich in unter einer Minute lösen, "Freecell" in unter zwei.
Also tagsüber kann ich meinen Verstand jetzt - trotz aller Fahrigkeit - noch gut kontrollieren, aber nachts bin ich dem Chaos in meinem Kopf in Form von Stakkato-Träumen hilflos ausgeliefert:

Ich habe den Deutschen Schlager nie gemocht. Seit neustem wache ich mit Refrain-Zeilen auf, die sich wohl vor fünfzig Jahren oder noch eher in meinem Kleinhirn festgesetzt haben. Was echt zum Alptraum werden kann. Also beispielsweise träumte ich von dem Blödel-Song der Gebrüder Blattschuss, aber mit dem eindeutig falschen Berliner Stadtteil. Alle der damals 1978 noch geteilten Stadt fielen mir ein, nur der eigentliche nicht. Es dauerte bis zum Morgengrauen, bis ich auf  die "Kreuzberger Nächte" kam...

Dienstag, 3. September 2019

Klassik zum Träumen

Am kommenden Freitag, dem 6.September, kommt es zum Abschluss der kulturellen Highlights auf  der Burg, und es ist ein hochrangiger deutscher Beitrag!
Wie vor Jahren schon - als im Capoluogo die Kirche dringend Geld für ihre Renovierung brauchte - verführt die prominente Geigerin und Burgfrau Vera Lorenz mit ihrer Piano-Begleitung Sabine Seesselberg  als Hälfte des berühmten Esterhazy Quartetts in einem "Platzkonzert" mit Klassik zum Träumen. Wer gerade in der Nähe ist, sollte deshalb diesen Genuss in unserer einzigartigen Kulisse nicht versäumen.

Von meinem Arbeitszimmer aus hatte ich heute mit bester Akustik durch alle offenen Fenster bei der Probe schon mal einen köstlichen Vorgeschmack.







Hier das Programm in Italienisch:


Sonntag, 1. September 2019

Alles eine Frage der Perspektive

Der 1. September ist für immer historisch gebrandmarkt. Der Überfall Nazi-Deutschlands auf den ohnehin schon oft in seiner Geschichte malträtierten Nachbarn Polen war der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Wenn wir heute überhaupt nach all  der Greuel ein einigermaßen entspanntes Verhältnis zu den Polen haben, dann erdanken wir das nicht dem Einheits-Kanzler Helmut Kohl, sondern dem Wandel durch Annäherung von Willy Brandt und Egon Bahr, aber das ist natürlich wie immer eine Frage der Perspektive.

Heute wird in Brandenburg und Sachsen gewählt, und der Ausgang der Wahlen lässt uns erneut eine Nazi-Dominanz fürchten. Wieso? Weil trotz der enormen Summen, die West-Bürger wie ich für den "Soli" berappen mussten, die Leute dort mehrheitlich glauben, sie seien eher abgehängt als wieder vereinigt worden. Nach drei Jahrzehnten wird dieses Gefühl immer stärker, weil vor allem die Jungen sich ja kaum noch an das Unrechts- und Unterdrückungs-Regime der untergegangenen DDR erinnern können, aber den Legenden glauben, dass sich damals der Staat eben gut um alles gekümmert habe...

Schnell ein Sprung zwischendurch auf die Burg:
Auch hier gibt es solche Perspektiv-Verschiebungen. Die Ausländer, die nicht nur das Burgdorf vor dem Verfall bewahrt , sondern auch wesentlich zum Erhalt und der Verbesserung von historischen Gebäuden und ihrer Infrastruktur beigetragen haben, werden von den Einwohnern des Hauptortes unten gerne als Steuer-Hinterzieher verunglimpft, obwohl wohl niemand soviel IMU abdrückt wie gerade die, die keine Residenten sind.

Undank ist der Welten Lohn - wie es im Deutschen Märchenbuch von Ludwig Bechstein heißt. Das aber kann doch nicht erklären, wieso plötzlich aus Sehnsucht nach Verbrecher-Regimen oder bezogen auf Europa auch hier böse Fremden-Ressentiments erwachsen.

Die Geschichte wird geklittert, damit muss man sich wohl abfinden.
Zum Glück habe ich auch zwei weitere Gründe den 1. September wahrzunehmen. Mein Vater wurde zu diesem Datum 1908 geboren, und ihm ward sicher nicht in die Wiege gelegt worden, dass er sich als politisch recht sperriger  Jurist und Regierungsdirektor der Bundesrepublik Deutschland um die materielle Wiedergutmachung von Nazi-Verfolgten kümmern musste. Tatsächlich weil sich für diese Behörde keiner voon Rang  fand, der sich nicht zuvor braun bekleckert hätte.
Sein Vater, mein Opa Erhard, starb am Geburtstag meines Vaters im Jahr 1956. Auch er war ein Staatsdiener mit zwar gelegentlichen Orientierungs-Schwächen, der aber immerhin beim Übergang vom Kaiser-Reich zur Republik bei seiner Arbeit als Sprecher im neuen Reichstag Kopf und Stehkragen riskierte.

Ich brauchte für eine Relativierung seines Wirkens fast mein gesamtes Leben.
Die Quintessenz: Unendlich Dankbarkeit, dass wir es nach meiner Geburt so lange geschafft haben, demokratisch für Frieden vor der Haustür zu sorgen.
Das kann doch nicht einfach durch einen Stimmzettel mit dem Kreuz für falsche Fakten und Parolen abgeschafft werden!
Das gilt für Deutschland, aber nicht weniger auch für Italien, sollten die Koalitionsverhandlungen hier scheitern.