Montag, 16. September 2019

Über die Sozialisation

Tut mir leid, aber das musste ich jetzt einfach bei Wikipedia cursorn:

Sozialisation (lateinisch sociare ‚verbinden‘) wird im Handbuch der Sozialisationsforschung von Klaus Hurrelmann u. a. definiert als „Prozess, durch den in wechselseitiger Interdependenz zwischen der biopsychischen Grundstruktur individueller Akteure und ihrer sozialen und physischen Umwelt relativ dauerhafte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsdispositionen entstehen“. Sozialisation ist demnach die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Internalisation (Verinnerlichung) von sozialen Normen.

Verständlich geht anders. Und wieso habe ich den Begriff überhaupt in die Suchmaschine eingegeben?
Meine vielseitig talentierte Personalchefin, Unternehmerin und heutige Landfrau, meine Freundin, die "Schweizer Garde", ist ja unter anderem auch Diplom-Psychologin. Als solcher ist ein so mannigfaltig Gestörter wie ich natürlich eine Herausforderung.

Obwohl wirr, verläuft ja mein Tagesablauf nach festen Regeln, und wenn sie uns Feldfrüchte und Eier  bringt, sitze ich immer in einer Ecke unseres Esszimmers. Dort fluche ich - obwohl ja sonst niemand rund um meinen Sessel zu sehen ist - möglicherweise über meine Skat-Partner Ärschling und Wichser, die offline vom Programm "Skat Palast" deutlich häufiger, bessere Karten  auf meinem Tablet zugeteilt bekommen als ich. Mein Tablet sieht ja die holde Helvetia im Gegenlicht des großen Fensters nicht.

"Du musst dich mehr sozialisieren!" Dann greift sie zu dem meist schon kalten Kaffee, den sie von meiner Frau angeboten bekommt, setzt sich und beginnt ein therapeutisches Gespräch, das bald in eine heftige Diskussion rund um die Tages-Aktualitäten mündet.
Die härteste Lektion der Sozialisation ist die Erkenntnis,
dass sie selbst in der Familie den Einflüssen
von Zeit und Alter unterliegt


Tatsächlich sieht sie sich als Teil meiner Sozialisation, ist dann aber verblüfft, wenn ich im Gegen-Argument die derzeitige Weltlage als eindeutig "entsozialisiert" bezeichne.

Es ist also so, dass ich mich in erster Linie immer mehr von der Welt im Allgemeinen zurück ziehe. Und da ich nie ein Party-Typ war, geht mir auch das sozialisierende Dauerfeiern auf der Burg - mit meiner Frau mittendrin als Katalysator - zunehmend auf den Senkel. Es ist eben mit mir nicht mehr alles im Lot (das Bleilot - der Senkel - zeigt beim Bauen die Senkrechte an).

Obwohl ich Individuen, die ich kennen lerne, größtmögliche Empathie entgegen bringen kann, versage ich bei Gruppen die größer sind als sechs Personen. - Als stammte der britische Spruch  "more than six is a crowd" von mir. Auslöser war unter anderem  in meiner Jugend auch eine Studie, die Soziologen mit zwei Pfadfinder-Gruppen angestellt hatten. In Einzel-Befragungen mussten die Jungs sagen, wen sie aus der anderen Gruppe am wenigsten sympathisch fanden und wen sie in der eigenen Gruppe am liebsten mochten. Es wurden zwei neue Gruppen geformt, die jeweils nur aus Probanden bestand, die sich unsympathisch waren. Nach kurzer Zeit der Sozialisation wurden die  Gruppen wieder in Wettbewerben aufeinander "gehetzt". Es stellt sich heraus, dass die einstigen Sympathie-Träger nun einander spinnefeind waren.

Schon als Jugendlicher hatte ich deshalb einen Argwohn gegen allzu viel Freundschaft und war vielleicht übervorsichtig, auf wen ich mich einließ. Und dennoch wurde ich eins ums andere Mal nicht nur getäuscht, sondern auch geschädigt...

Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass Sozialisation bei vielen Tier-Arten
besser funktioniert als bei uns Menschen
Foto: pixabay


Nach den Olympischen Spielen 1972, 1976 und der Fußball-WM 1974 war mir eigentlich klar, dass ich an einer Stadion-Phobie litt und deshalb kein Sport-Schreiber werden wollte. Aber das Schicksal meinte es dann anders: Große und größere Menschenmengen gehörten also bis zum Ende meines Berufslebens zum Alltag. 

Auf die Burg kam ich dann in der Hoffnung, dass ich fortan die Größe der Gruppen mit denen ich Umgang habe, im  Kleinstmaß kontrollieren könne. Das ist mir so schlecht gelungen, dass ich jetzt von Tag  zu Tag eine größere Sehnsucht nach meiner Münchner Großstadt-Isolation habe. Jetzt ist meine Tochter mit ihrem Sohn und mit Freunden hier, und sie will natürlich auch Party mit den Leuten machen, die sie hier oben kennt. Das Haus gleicht einem Bienen-Stock. Es ist gut, dass sie das Haus hier bald mit ihrem Bruder übernimmt.

Der Party-Sommer ist nun bald vorbei. Der Blogger nimmt sich jetzt eine kurze Übergangszeit, um vom Eremiten-Dasein zu träumen. Ich weiß, dass ich heuer meinen depressiven Strömungen beim Posten zu sehr nachgegeben habe, aber das lag an den permanenten Schmerzen, für die es kaum Aussicht auf Linderung gibt...


Ab dem 3. Oktober werden wieder Steine im Glashaus geworfen. Am Tag der "Deutschen Einheit"gibt es nämlich für mich weniger zu feiern als zu bedenken. Bleibt mir trotz allem weiter mit hohen Zugriffszahlen wie in diesem nun vergangenen Sommer gewogen.

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