Freitag, 28. August 2020

L - Die Lautlose

Wieder einmal kanibalisiere ich einen Film-Titel für meine Überschrift:
"L - Der Lautlose" (The Liquidator) ist ein Film aus dem Jahr 1965. Ein Killer-Klamauk mit Rod Taylor, Trevor Howard und Jill St. John in den Hauptrollen. Der spielt bezeichnender Weise an der Cote d'Azur .

- "L - Die Lautlose" jedoch steht für die schleichende Angst, die mich befällt, wenn ich mir die täglichen Corona-Fallzahlen jenseits der nur eine halbe Autostunde entfernten Grenze zu Frankreich anschaue. Liegt das wirklich nur an der Urlaubszeit und vermehrten Tests, dass die Küste dort einschließlich Marseille als Risiko-Zone eingestuft wurde? Oder rollt von dort - wie wohl auch in Deutschland - die zweite Pandemie-Welle heran?

Noch sind die Fallzahlen hier wie in ganz Italien niedriger. Aber den Einheimischen um uns herum sitzt die Angst vor einem totalen Lockdown noch immer tief in der Seele. Die zehn Wochen dauernde, absolute Quarantäne wurde ja gerade erst vor nun etwas mehr als zwei Monaten aufgehoben. Ministerpräsident Giuseppe Conte hat zwar vor ein paar Tagen noch eine zweite, so drastische Maßnahme ausgeschlossen. Aber das muss er ja auch, denn Italien geriete bei einer erneuten derartigen Belastung von Wirtschaft und Gesellschaft in einen Zustand, aus dem es nicht mehr zu retten oder gar noch zu regieren wäre...

La paura della seconda onda corona wäre im Borgo wegen der gegebenen Isolation und der derzeit noch vorbildlichen Disziplin eventuell ganz gut zu verkraften. Hier oben gab es zwar auch eine alte Dame, die mit Corona starb, doch sogar die betagte Seelensammlerin mit ihrer ungeliebten Schwester haben die Infektion gemeinsam im Altersheim überlebt.

Bereits jetzt, da noch einige Teilzeit-Residenten hier sind, legt sich diese  nur vom Glockenklang unterbrochene nächtliche Stille schwer aufs Gemüt. Ein regelmäßiges Schlaf-Loch wie das, welches sich meiner immer so zwischen drei und vier Uhr bemächtigt, führt jetzt mit Grübeleien von Hundertsten ins Tausendste. Und im Ohr habe ich dabei nur das unregelmäßige Pochen.meines Herzens.

Ich muss dann auf die Terrasse, und in aller Stille den Nachthimmel betrachten, damit ich wieder ge"Erdet" bin:
















Was wird, steht aber auch nicht in den Sternen. Entlang unserer möglichen Rückreise-Routen steigen die Fallzahlen eben. Wir haben unser erstes, potenzielles "Flucht-Datum" nach dem Ende der bayerischen Schulferien ins Auge gefasst. Aber eigentlich wollen wir doch lieber erst am 31. Oktober zurück. 

Was, wenn Italien zwar offen bleibt, aber Frankreich und die Schweiz dicht machen? Und bleiben die Österreicher bei den verschärften Test-Maßnahmen? Söders vorgepreschten Zwangstests scheinen ja wohl vom Tisch zu sein. Aber wären wir im Ernstfall überhaupt in der Lage, bei verschärften Quarantäne-Auflagen auf der Burg zu überwintern? Im Prinzip ja; aber mit einigen Risiken für unsere Gesundheit. Ohne den Nachschub an den speziellen Medikamenten sowie den Verzicht auf die Quartals-Routine bei unseren Ärzten gerieten wir wohl noch weiter hinein in die Risiko-Gruppe. Da wird mir auch ganz schwummrig, wenn ich an die Krankenhaus-Situation hier denke.

Im Gegensatz zu München, wo wir an den heißen Frühlingstagen heuer keine passende Kleidung mehr hatten, wären wir hier gut ausgestattet. Ein wenig aus der Mode zwar, aber immerhin auch winterfest und warm. Der Kamin oben im Wohnzimmer, den wir in den letzten Jahre nicht mehr benutzt haben, müsste zur Reduzierung der Heizkosten wieder in Betrieb genommen und Holz eingekauft werden. Der mannshohe Kühlschrank reicht für mindesten vierzehn Tage, und das nachbarschaftliche Einkaufen, wenn wirklich mal was fehlt, funktioniert ja sogar aktuell in der noch immer anhaltenden Hitze.

Bliebe nur eine Sache, die am schwersten zu verkraften wäre. Die Familie haben wir in den vergangenen acht Monaten nur einmal leibhaftig gesehen. Das Video-Conferencing ersetzt eben nicht annähernd, dabei zu sein, wie unser Enkel heranwächst. Allein diese Vorstellung zerreißt mir das Herz.

Der Vierjährige hat sich an die Homeoffice-Tage seiner Mutter schon derart gewöhnt,
dass, das  bereits in sein künstlerisches Frühwerk einfließt.
Als seine Mutter fragte, war er denn da gezeichnet habe,
hielt er sich den Zeigefinger vor den Mund und sagte:
"Psssst! Bin im Meeting!"

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