Donnerstag, 25. Juli 2013

Dornjasminchen

Es war einmal ein Mann, den selbst Wohlwollende nicht als Märchenprinzen bezeichnen wollten, aber er lebte auf einer Burg und ward dort einigermaßen wohl gelitten. Kein Typ zum Pferdestehlen, aber zum exzessiven Wildschwein-Fressen hätte er getaugt, wenn seine jagenden Nachbarn ihm denn von denen mal eines abgegeben hätten...

Es gingen die Jahre ins Land, und weil sich unser Held immer mehr in seine virtuelle zurück zog, gab er der realen Welt Gelegenheit zum Vormarsch. Das schuf diverse Feindbilder, von denen es jedoch keines schaffte, ihn derart herauszufordern wie die kletternde Variante des ansonsten so herrlich duftenden Jasmins. Beharrliche Burgbrief-Leser werden jetzt in verblasster Erinnerung aufstöhnen: „Nicht schon wieder das Klagen über grenzenloses Wachstum!“

Aber das muss doch mal geschrieben werden! In Zeiten der Krise, wo sich alles und alle zurücknehmen, glaubt ein in schrofigem Fels wurzelnder Jasmin, er könne sich alles herausnehmen – quasi ohne Rücksicht wuchern und wachsen. Was hat der Mann von der Burg nicht alles unternommen, um der Okkupation durch dieses doch eigentlich unterversorgte Gewächs Herr zu werden.

Nächtens rückte er ihm mit der deutschen Gardena-Gartenschere auf den rankenden immer blühenden Pelz. Aber was so ein italienischer Jasmin ist, ignoriert natürlich derart teutonisch eingrenzendes Unterfangen. Der Hydra gleich, produzierte er für jede abgeschnittene Ranke zwei neue. Und er wusste, wo er seinen Feind zu stellen hatte; in dessen Arbeitszimmer.

Vor Halbjahres-Frist noch brutal gekappt, war er im April schon wieder auf Augenhöhe mit seinem Widersacher. Der riss zwar noch brutal die Schlagläden aus der lähmenden Umklammerung, aber konnte dann doch nicht verhindern, dass Ende Mai die Fenster schon zugewuchert waren und die vielen herein drängenden Blüten nur  ein schwacher Ausgleich für das schwindende Tageslicht waren.

Dann passierte etwas, das den bereits aussichtslosen Kampf endgültig zu einer vernichtenden Niederlage  machte: Ein Crash des Burg-Computers schnitt unseren Mann komplett von der Welt da draußen ab. Die vorübergehende Aufgabe seines Arbeitszimmer nützten die Kohorten des Kletter-Jasmins gnadenlos aus. Weil die Hitze ein Schließen der Fenster nicht zuließ, rissen sie die Fliegengitter ein, wucherten über Drucker und Fax und erreichten vor kurzem den Schreibtisch, die Tastatur, sowie den Bildschirm. Ganz tief aus dem grünen Gerank flimmert nun nur noch das blaue Lichtlein eines in der Agonie speichernden Motherboards. Wird irgendjemand irgendwann diese letzte Nachricht lesen?


„Hallo? Ist da draußen irgendeine beherzte Prinzessin, die mich hier raushaut? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Euer Dornjasminchen – Mann, ist das heiß hier!“

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