Donnerstag, 25. Juli 2013

Die Versuchung bedingt die Vertreibung

Das mit Adam und Eva aus der Bibel ist im Prinzip eine Parabel darüber, dass der Mensch immer  wieder Schwierigkeiten haben wird, mit dem zufrieden zu sein, was er hat.
Auf der anderen Seite – also jenseits des Gartens Eden – gibt es aber auch ohne die einschlägigen Eigenschaften vom Baum der Erkenntnis Entwicklungen, die jene nicht verpassen sollten, die fest daran glauben, dass Veränderungen auch etwas bewirken könnten...

Am vergangenen Sonntag, waren wir mit Paula und Paul in der Nähe vom Nava-Pass in dem Örtchen Cosio D’Aroscia. Dort findet jeweils am dritten Wochenende im Juli die Fiera delle Erbe statt, aber das wussten wir eigentlich nicht. Wir hatten den Tipp bekommen, mal bei Da Maria so einem ligurischen Dauer-Gelage beizuwohnen: Gefühlte 20 Gänge (irgendwann zählt man einfach nicht mehr mit), ordentliche Hausweine in Rot und Weiß, Mineral- oder Brunnenwasser, Kaffee, Grappa und Limoncello – tutto compreso für 25 Euro pro Nase. Da kann  über ein, zwei Speisen, die dem teutonischen Gaumen nicht so mundeten, absolut hinweg gesehen werden. Die Fahrt hätte sich also in jedem Fall gelohnt.

Aber durch die Fiera war der malerische Ort nicht nur herausgeputzt und in Festtagslaune, sondern bot auch ein reichhaltiges Programm. Da hat es natürlich nicht geschadet, dass das schmucke Stadtbild wie eine kostbare Brosche - bedingt durch das regenreiche Frühjahr – im geradezu explodierenden Grün der steilen Bergflanken prangte.

Die Besucher wurden mit angebrachten Pfeilen durch den Ort gelenkt, der in der Zeit der Ottonen im frühen Mittelalter bereits erstmals erwähnt wurde. Es spielte sogar ein Wander-Trio Musik aus jener Zeit, während Kids auf einer anderen Piazza live Gruppen-Disco-Dance übten. Dazwischen gab es Stände zum Verkosten oder liebevoll gestaltete Stationen aus der alten Handwerkszeit.

Paul, der selber einmal einen Handwerksbetrieb gehabt hat, schwärmte aber vor allem von der handwerklichen Liebe zum Detail bei der Ausgestaltung des Ortes: Die Bepflasterung zwischen den historischen Gemäuern war ohne Makel. Brunnen waren nicht einfach aufgeschraubte Wasserhähne, sondern  mit alten Armaturen verschönert worden. Und wenn es zwischen den liebevoll restaurierten Gebäuden doch mal einen Leerstand gab, fiel er nicht sonderlich auf, weil eben keine Bretter-Verschalungen oder Plastik-Folien die Atmosphäre verschandelten. Kaum zu glauben, dass dieser Ort zweimal komplett zerstört und auch schon mal in der Gegenwart quasi aufgegeben war...

Uns wurde versichert, Cosio D’Aroscia atme nicht nur an Festtagen volles Leben, weil die Einheimischen aber auch die überwiegend aus Italien Zugezogenen sich engagiert um den Ort kümmerten.

Als wir heim in unseren Borgo kamen, fielen uns als erstes die verrottete Böden unserer Gassen auf. Auch wir haben schön restaurierte Häuser, aber dazwischen eben ruinenhafte Leerstände mit zugenagelten Fensterhöhlen, an die wir uns (leider) gewöhnt haben. In Zeiten der Krise gibt es wenig Hoffnung, dass sich daran so bald etwas ändern wird, weil die Struktur in unserem Borgo eben eine andere ist. Wir sind zwar nahe am Meer, aber bieten keine wirkliche Alternative zum Strandleben, während auf Höhe des Nava-Passes tatsächlich so eine Art gebirgige Sommer-Frische stattfindet.

Paul und Paula sind - wie die meisten anderen ausländischen Hausbesitzer höchstens zweieinhalb Monate hier, auch die Zweitbeste und ich bringen es ja selten auf mehr als  sieben Monate. Die Einheimischen  aber auch die neuen Burg-Geister sind alle bereits im fortgeschrittenen Alter. Kinder und Jugendliche gibt es - selbst im Capo Luogo kaum. Dennoch hat die Gemeinde – wohl für eine andere Zukunft – dort zwei große Sportplätze anlegen lassen, auf  denen niemand spielt und die sich die Natur beginnt, mit Kohorten massivem Unkrautes zurück zu erobern...

In Zukunft wird der Linienbus nach einem Fahrplan verkehren, der die 12 Kilometer in die Stadt hinunter zu einer Halbtages-Reise macht. Von den ehrgeizigen Kultur-Plänen unserer schönen Bürgermeisterin ist jetzt – in Zeiten des  elektronischen Umbruchs am Buchmarkt  - die Idee geblieben, im ehemaligen Kinder-Asyl eine Bibliothek zu eröffnen; für wen, und durch wen geführt?

Seht Ihr! So schnell gerät einer in Versuchung, sich über ein einzigartiges Paradies Gedanken zu machen, die einen leicht über Vertreibung nachdenken ließen. Sind wir doch zufrieden, dass wir noch die Möglichkeit haben, etwas zu ändern...



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