Donnerstag, 25. Juli 2013

Ein Weihnachtsmann im Juli

Die Älteren unter den Burgbriefe-Lesern werden sich vielleicht noch erinnern, dass wenn in den 1950ern ein Autofahrer den anderen mit „Sie Weihnachtsmann Sie!“ beschimpfte, es beinahe gekracht hätte. Derart von Kindheitserinnerungen getrübt, war mein Verhältnis zu dieser rotnasigen, weißrot gewandeten Kunstfigur stets eine ambivalentes. Eigentlich bis heute.

Daran hatte auch die von der Zweitbesten für mich ersonnene Rolle als Weihnachtsmann/Nikolaus nichts geändert.  Für unsere Kinder und die sie umgebende, gefühlte 50 Rangen umfassende Rasselbande, die sich einige Jahre am 6. Dezember bei uns einfand, musste ich ran.

An einmal erinnere ich mich besonders: Unser Garten war zum frühen Zeitpunkt tief verschneit, und damit es so aussah, als sei der Alte im Bademantel tatsächlich unversehens im unberührten Schnee gelandet und polternd an die Terrassen-Tür gestapft, war ich mit der Leiter über den Nachbarszaun gekommen. Leider waren mein Haupthaar und der Bart damals noch nicht weiß. Weshalb ich ein aus Glaswolle bestehendes Ungetüm und aus dem selben Material aufgeklebte Brauen im Gesicht trug. Der Schweiß lief in derartigen Strömen, dass die Glaswolle regelrecht den Bach runter ging, und mein vorlauter Sohn krähte: „Das ist ja der Pappi.“

Nur sein bester Freund wollte das nicht glauben, blieb weiter in Ehrfurcht erstarrt und  hörte sich beeindruckt an, was ich ihm aus dem Goldenen Buch vorlas. In zwei Monaten heiratet der mittlerweile über 1,90 große Lackel einen blonden Engel. So lange ist das her!

Die aktuellen Schweißströme, die heute vom lichter werdenden Haar in das Weiß meines Bartes rinnen, gemahnen mich ans Hier und Jetzt und daran, dass mich der Weihnachtsmann in meiner Wahlheimat wieder eingeholt hat.

Ich mache mich durch das Leben auf der Burg ja wirklich rar. Aber zweimal pro Woche steige ich doch herab, um turnusmäßig Dinge zu erledigen. Dazu gehört, dass ich Entkalker für die Heizung kaufen und einen Inspektionstermin bei der sie betreuenden Firma vereinbaren muss. Ich brauche dazu weder eine Vertragsnummer noch nenne ich meinen Namen. Denn kaum trete ich meist sommers durch die Bürotür, kreischen die drei Grazien, die den Laden schmeißen: „Babbo Natale! Babbo Natale!“ Und dann muss ich erst mal lange von dem Land im hohen Norden erzählen, während sie auswendig meine Daten im Computer aufrufen...

Geht die Zweitbeste mal alleine über den Markt, wird sie mittlerweile mehr als einmal gefragt, wo denn ihr Babbo Natale stecke.

Mich trifft angesichts dieses einprägsamen Signalements (Obelix bin ich ja auch nicht los geworden) die schreckliche Erkenntnis, dass ich die uns drohende Altersarmut so weder als Spion noch als Bankräuber mildern könnte. Stellt Euch nur mal vor, ich raube – was  mir gut zu Gesicht stünde - die Banca Ambrosiana aus...

Die Carabinieri bräuchten ja nur das Personal zu befragen:

„Das war der Babbo Natale, der wohnt hoch in den Bergen an einer Piazza, über der noch im Juli der Weihnachtsstern hängt!“

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