Sonntag, 27. September 2020

Wie die mit mir spricht!

Grabesstille herrscht nun auf der Burg. Kaum noch Vögelchen, die zwitschern, und auch die Bienchen im Kamin gegenüber summen nur noch erschöpft und leise. Wer mobil genug ist, entflieht den plötzlich herrschenden kühleren Temperaturen hier oben und genießt die Sonnenstrahlen an den leer gefegten Stränden. Luft- und Wassertemperatur halten sich die Waage. Für Strandläufer beginnt jetzt die schönste Zeit.

Für mich ist das Anlass zur Rückbesinnung. Ich gedenke zwar nicht in frommer Weise - so doch in stiller Anerkennung - den verstorbenen Burggeistern, die mein Leben und somit auch meinen Blog so bereichert haben. Kein Burggeist ist ein Gespenst geworden. Da hat unsere eifrige Seelen-Sammlerin noch für gesorgt. Seit sie ins Asilo verbannt wurde, ist ohnehin nur die "Strega" von der oberen Piazza mit Corona verstorben. Bange wird mir Exilanten bei dem Gedanken, ob ich hier noch rauskomme oder demnächst selbst als Gespenst durch die Gassen spuke: Als Spirito dello Pazzo Tedesco gewissermaßen...

Gute Ansätze habe ich jetzt schon - als  noch Lebender . Zum Beispiel wenn ich auf der von Professor Musicus Piero gestifteten Bank quasi allein im Dorf vor mich hin sinniere, oder - sollte ich ehrlicher Weise sagen - döse:

Dabei passiert dann schon mal so etwas:

Ich war gerade nachmittags am Wegsacken, da wurde ich heftig mehrfach von hinten in die Schulter gepiekst. Ich döste weiter, da geht die Piekserei von neuem los. Ich griff hinter mich und hielt die Spitze eines Palmblattes zwischen den Fingern. Duselig raunte ich unwirsch:
"Mach das noch mal, und ich reiß dir das Blatt aus!"
"Das ist ja mal wieder sowas von typisch für deine Verantwortungslosigkeit!", antwortet da Mama Yucca zu meiner Überraschung richtig giftig.

Aus Trümmern empor
zum Licht:
Mama Yucca und ihre
zwei Jüngsten
Ich nenne sie Mama Yucca, seit sie sich - wie Leser früherer Posts sich vielleicht erinnern - aus einem abgebrochenen Stumpf zu einer über drei Meter hohen und schönen Mehrfach-Mutter-Palme empor gereckt hat.

"Wir müssen jetzt einmal ernsthaft über die Wohnverhältnisse hier reden, die du mir und den Kleinen zumutest. Die Großen haben ja jetzt ihre eigenen Aufgaben, und zu denen, die hinunter an den Fuß der Burgmauer ausgewandert sind, fehlt mir ein unterstützender Kontakt.  Wir brauchen daher endlich deine Fürsorge. Es reicht nicht mehr allein, dass uns Il Professore so nett betreut, gießt und düngt, wenn ihr fort seid."

Aus  meinem wirren Hirn kramte ich die Erinnerung hervor,  wie ich sie damals halbherzig in eine große Pflanz-Schale gesteckt hatte, die zu 60 Prozent aus Bauschutt von der Renovierung unseres Hauses und zu vierzig aus alter Muttererde verwelkter Blumentöpfe gefüllt war. Aus diesem Konglomerat schöpfte sie mit großem Überlebenswillen nicht nur Kraft für sich, sondern generierte auch ihre enorme Fruchtbarkeit, sich im Sinne der weltweiten Yucca-Verschwörung zu vermehren. Und  ich war also quasi ihr Agent und Handlanger gewesen.

Die zwei "Großen", von denen sie sprach, haben an der Piazza ebenfalls Jobs als Türsteher eingenommen. Sie sind zwar nicht zurück geblieben, "hinken" aber doch ziemlich hinter ihrer Super-Mama her. Wobei einer dabei auch noch ein äußerst sittenwidriges, zu enges Verhältnis mit einem Aprikosen-Bäumchen eingegangen ist, während sein Bruder stoisch und unermüdlich unsere alte Eingangstreppe bewacht, die keiner mehr benützt. Deren Schwesterchen - wie von ihrer Mutter oben angedeutet - wurden von einem hessischen Ehepaar adoptiert und in deren Gärtchen unterhalb der Burgmauer verpflanzt. Dort sind sie derart fruchtbare Beziehungen eingegangen, dass kaum noch Platz zum Sonnenbaden ist. Mir schwante also Böses:

Aus dieser Mesalliance
könnten  vielleicht dereinst
Aprikatteln erwachsen

"Wie lang willst du uns Dreien eigentlich noch zumuten," unterbrach sie meine Reminiszenzen, "unter derart beengten Verhältnissen dahin zu vegetieren? Wenn du nicht bald dafür sorgst, dass wir in einen angemessenen, größeren Kübel umziehen können, dann kannst du was erleben!" 

Wie redet, die denn mit mir? Dachte ich so für mich. Die soll doch froh sein, dass ich ihre beiden Sprosse nicht schon längst zur Adoption frei gegeben und abgeschnitten habe.

Aber dann hielt ich feige doch meine Klappe, weil ich mich wieder daran erinnerte, was ich selbst über die "sechste Kolonne" der weltweiten Yucca-Verschwörung hier auf diesem Blog geschrieben habe.

Wenn uns Corona dereinst längst dahin gerafft hat, obsiegt dieses eigentümliche Lilien-Gewächs, (das wir vom Fernweh geplagt sentimental "Palme" nennen) um wohl endgültig die Weltherrschaft an sich zu reißen...

Leise rückte ich da auf der Bank außer Reichweite ihrer pieksenden Blätter. Daran weiter zu dösen, war aber nicht mehr zu denken...

Doofer Türsteher-Job:
etwas bewachen müssen, wo es gar nichts
mehr zu bewachen gibt

Und unter der
Burgmauer
bereits auf dem
Weg ins Tal
Aus einem Stumpf wurden zehn
mannshohe Exemplare!
Gut, dass Yuccas keine Mauern
hoch klettern können...


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