Montag, 14. September 2020

Unter dem Astronauten-Hain

Gut. Ich gebe es zu. Diese Überschrift ist schon wieder ein wenig geklaut. Wer ein Fan der sogenannten Rabbit-Pentalogie ist, wird das vermutlich als ähnlich unverbesserlicher Fan von John Updike sofort erkannt haben.

Ob meine jüngeren Leser den amerikanischen Literaten noch kennen, ist zu bezweifeln, denn seine Art zu schreiben war vom Lyriker, über den Journalisten zum Essayisten bis hin zu seinen so unterschiedlichen Romanen derart breitbandig, dass er in kein Lehr-Schema passt. Wer wissen will, wie sich die Vereinigten Staaten nach der McCarthy-Ära gehäutet haben, erhält mit der "Rabbit-Saga", wie ich sie nenne, ein ideales Abbild der 60er und 70er Jahre fernab des von mir so gehassten Creative Writings. Der 1971 veröffentlichte zweite Band der Roman-Reihe "Rabbit Redux" bekam den ausnahmsweise treffenden deutschen Titel "Unter dem Astronautenmond". Er beschreibt bissig, mitunter satirisch die Diskrepanz zwischen der intellektuellen Rückständigkeit auf dem weiten Land und der erfolgreichen Landung auf dem Mond. Genug dazu! Selber lesen macht schlauer.

Was das mit der Burg zu tun hat? Ich bekam den Flashback hier in einer Kurve kurz bevor unsere Zickzack-Straße ins Tal hinunter an den beiden Firmen für die Herstellung eingemachter, italienischer Spezialitäten für den Export vorbei führt. Ich schaute während der Fahrt hinauf, und da sah ich jemanden im Raumanzug mit geschlossenem Visier Wolken voller Gift versprühen. Wenn das Gift gegen die heimtückischen Oliven-Fliegen so harmlos ist, wieso hat er sich dann gleich einen Raum-Anzug angezogen? Und wieso - in unmittelbarer Nähe zur Nahrungsmittel-Produktion - hingen  an den Rändern des Oliven-Hains, der ja bis ins Tal hinunter reicht, keine hinweise auf diese "Zona avvelata", wie das gesetzlich beim Versprühen von Gift vorgeschrieben ist?

CD-Gimp-Paint-Collage
 Und schon kam es zu der Updike-Assoziation: Weil es hier unten nahe der "Ölverarbeitungs-Industrie" eben aus guten Gründen anders zugeht, wie oben rund um den Mond, den unsere Burg in diesem Vergleich darstellt.
Unser Nachbar versorgt uns hier mit seinem Öl quasi als Freizeit-Frantoio. Soll heißen: Die Bäume gehören ihm, er pflückt die Oliven selbst, legt sie zum Teil klassisch ein und gibt den Rest seiner Ernte mehr oder weniger für den Eigenbedarf zum Pressen.
Er gibt uns zu einem Preis, den unsere Schweizer Freundin betriebswirtschaftlich verwerflich findet, soviel davon ab, wie auch wir für unseren Eigenbedarf hier und in München brauchen. Die Bäume, die die "Helvetia" mit ihrem Lebensgefährten bewirtschaftet wurden vor der vergangenen Ernte von den bösen Insekten regelrecht heimgesucht. Weil sie wegen ihrer Bio-Philosophie nicht spritzen, mussten sie einen erheblich verminderten Ernte-Ertrag hin nehmen. Für ihr angestrebtes Qualitäts-Extravergine waren sie deshalb gezwungen, reichlich andere ungespritzte Oliven von Nachbarn hinzu zu kaufen. Der betriebswirtschaftlich relevante Preis stieg daher in Regionen, die sich nur die wohlwollenden Teilzeit-Residenten hier oben leisten wollen.

Unten im Tal - auf der Erde gewissermaßen - muss es hingegen erbarmungsloser zugehen. Wer sein Öl im Supermarkt an den Verbraucher bringen will, kann sich Ernte-Ausfälle einfach nicht leisten, und beim Verschneiden mit Granulat aus Nordafrika oder minderwertigen Oliven aus anderen Teilen der Welt muss der Produzent hart an die Grenzen der EU-Verordnungen gehen, damit er noch extravergine aufs Etikett schreiben darf.
Es ist traurige Gewissheit, dass beim Olivenöl mittlerweile mehr gepanscht und gefälscht wird als beim Wein, und der Etiketten-Schwindel ist an der Tagesordnung. Misstrauen ist auch allemal bei "exklusiven"  Vermittlern in Deutschland angesagt. Wer da Öle zu unter 20 Euro pro Liter anbietet, will dabei ja auch noch seinen (Ver?)Schnitt gemacht haben.

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