Montag, 3. Juni 2019

Zeitvertreib

Kapitän seiner eigenen Zeit zu
sein, bleibt ein Kurs
auf Lebenszeit
Irgenwie ist der Alters bedingte Ausgang eines normalen Lebens unverständlich geregelt: Während die letzten Jahre in vermeintlich höherer Geschwindigkeit dahin rauschen, haben wir Alten alle Zeit der Welt, die wir ja eigentlich super nützen könnten. Stattdessen sitzen wir auf den hart gewordenen Bänken der "Endstation Sehnsucht" und warten auf den "Zug nach Nirgendwo".

"Das Ende naht" ruft der Beamte vom Bahnsteig, und die Wartenden sind froh, wenn er wieder mal nur einen langen Güterzug auf dem Weg nach "jenseits von Eden" meint.

Ja, wir könnten noch soviel machen, wenn der schmerzende Körper und die nachlassende Konzentrationsfähigkeit mitmachten..

"Such dir einen Zeitvertreib!" Rät meine an Ratschlägen reiche Tochter. Für einen Moment will ich mich allein schon gegen das Wort auflehnen.

"Zeitvertreib?" Wie kann man etwas vertreiben, was nicht eigens definiert, Wirkung auf unser Gehirn hat. Setzen wir Lichtgeschwindigkeit, gegen die Wahrnehmung einer Eintagsfliege. Nehmen wir diese saudumme Sommerzeit, die auf den fragwürdigen Zeit-Begriff noch eines drauf setzt! Einstein bezeichnete die Zeit als Erfindung des Menschen, der wir uns gegen eigene Empfindungen unterwerfen.

Wenn ich an den Feigenbaum auf unserer Terrasse in 14 Metern Höhe denke,
erreichen demnach  auch Schnecken stets ihr Ziel
Zumindest mir geht es so. Noch nie hatte ich mit einer Zeit-Umstellung so zu kämpfen wie mit der Sommerzeit in diesem Jahr. Denn auf den Winter folgte ja gar kein Sommer. Schon gar nicht seit ende März! Also lebten die meisten von uns, die nichts mehr Essentielles zu tun haben, gegen ihre tief graue Wahrnehmung.

Der Körper eines von lebenserhaltenden Arzneien Abhängigen entwickelt im Einklang mit denen eine innere Uhr. die aber wird von Staats wegen damit brutal verstellt.

Macht doch nichts! Der Alte braucht sich doch gar nicht umzustellen. Der muss sich doch auch nicht an die Zeiten halten.

Ist schon richtig. Wenn andere wegen des Jobs eine Stunde früher aus den Federn müssen, könnte man selbst leicht liegen bleiben. Aber das tägliche Leben bleibt ja auch nicht liegen. Also schluckt man seine Medikamente und spritzt seine Präparate, den lieben langen Tag nach einem neuen Rhythmus.

Und dann schlägt der alte Fahrensmann "Körper" zurück. In schmerzhaften Einzelkämpfen ringt er die Zeit-Renegaten in seinem Inneren nach und nach nieder. Als wisse er, hier auf der Burg  hat Zeit keine Macht. Und siehe da, die innere Uhr stellt sich von selbst um, als gäbe es gar keine Sommerzeit. Daran ändern auch die Kirchturm-Glocken nichts, die eine andere Zeit einläuten.

Wenn es Zeit zur Verabreichung von Medizinen  ist, sendet mein Inneres ohne Blick auf die Uhr die Botschaften. Ich bin nun von selbst wieder im alten Rhythmus der Winterzeit. Ist ja fürs Alter auch passender.

Also zurück zum Ratschlag meiner Tochter:
Zeitvertreib bedeutet laut Duden:

Unterhaltung, 
Ablenkung, 
Abwechslung, 
Zerstreuung, 
Kurzweil, 
erholsame Beschäftigung, 
Vergnügen, 
Amüsement, 
Belustigung, 
Lustbarkeit, 
Spaß, ... 

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