Montag, 24. Juni 2019

Die toten Träger von San Giovanni

Bei der Prozession
um die Basilika
San Giovanni in Oneglia
herrscht natürlich kein
Mangel an Trägern
Heute an San Giovanni kommen immer Erinnerungen hoch. Der Heilige Johannes ist hier in der Provinz eine ganz große Nummer - so wie Kolumbus in unserem Borgo:

Hätte einer gedacht, dass ich die mich ständig wegen meiner Ungläubigkeit tadelnde Signora Elsa mal vermissen würde? Aber an San Giovanni fehlt sie an allen Ecken, Winkeln und Enden der Gassen.
Niemand sammelt mehr die Seelen für die spärlichen Gottesdienste in den meist verwaisten fünf Kirchen unseres Burgdorfes ein. Niemand organisiert den Pfarrer für den alljährlichen Haus-Segen.
Aber schlimmer noch: Niemand trommelt mehr die Träger zusammen, die unsere eigene Skulptur von Giovanni wenigstens zu einer Mini-Prozessions-Runde an die frische Luft bringen...

Signora Elsa wird vom staatlichen Gesundheits-System seit über einem Jahr für eine Schweinesumme gefangen gehalten, obwohl sie sich bei ihrem Vermögen fürs gleiche Geld leicht eine private Pflegekraft im eigenen Haus leisten könnte. Wie zum Beispiel unser unverwüstlicher Museums-Kurator Ugo, der sich hier oben von stets ausgewählt hübschen jungen Frauen mit 94 immer noch zur Arbeit führen lässt.

Und dann noch eine Herausforderung an Elsas standhaften Glauben. Nun teilt sie sich im Altersheim ausgerechnet mit ihrer ungeliebten Schwester aus dem Hauptort ein Zimmer.

Der Sohn der zweiten und fürsorglicher Neffe der ersteren, muss jetzt zwei Häuser regelrecht versorgen. Der Fredo ist unser Frantoio, der Ölmüller. Ein Attraktiver Mittvierziger mit einem melodiösen, weithin zu erkennenden Bariton.  Er hat wohl wegen seiner Fürsorglichkeit Junggeselle bleiben müssen.

Schwund ist! Signora Elsa fände gar keine Träger mehr. Die alten Recken sind alle tot. Und junge finden sich in diesen gottlosen Calvini-Zeiten auch nicht mehr. Hier oben wohnt zur Zeit keine Familie mit Kindern, und es fehlen junge Leute. Vielleicht ein Indiz für den neuerlichen Tod dieses kleinen Gemeinwesens, weil sich ausländische Neu-Käufer trotz attraktiver, leer stehender Häuser derzeit wegen des ungewissen politischen Klimas zurück halten. Wer will sich schon unter General-Verdacht begeben und sich gezielten Gerüchten aussetzen?

Was ich jetzt schreibe, ist nicht ganz ernst gemeint.
Aber fragte mich die Gemeinde um den Rat eines alten PR-Profis. Ich würde aus der Burg im Handumdrehen einen Wallfahrtsort machen. Ist doch egal, ob Kolumbus tatsächlich hier geboren wurde. Die Leute wollen glauben!

Wenn unser Brunnen als Kolumbus-Quelle wieder die heilende Wasser-Qualität hergibt, wegen der die Leute noch vor ein paar Jahren - vor der Wasserbewirtschaftung - mit Kanistern hier hoch gepilgert sind. wenn die - dank Ugos Spenden - so prachtvoll renovierte Santa Anna an der oberen Piazza als Tauf-Kapelle des Weltumseglers zu besichtigen ist und wenn es Kolumbus-Devotionalien aus heimischer - nicht chinesischer - Produktion zu kaufen gibt, dann werden die Kreuzfahrt-Schiffe vor Imperia in Flottenstärke vor Anker gehen. Zu lösen wären dann allerdings Parkplatz-Probleme und Speisung der 500. Vielleicht durch einen Kolumbus-Shuttle und eine Cantina Cristoforo Colombo. die typische ligurische Speisefolgen anböte und dazu Wein von den heimischen Winzern, die nicht mehr pleite gehen müssten...
Natürlich müsste die
Via Cristoforo Colombo
noch ein wenig
authentisch aufgehübscht
werden

Ich selbst würde dann als einen Beitrag meinen dritten Taufnamen Johannes in Giovanni wandeln lassen und auf der Piazza in Zusammenarbeit mit dem Musik-Professoren-Paar das Singspiel "Columbus Nella Vasca Del Bagno" inszenieren... Lese-Beispiel?

Kolumbus im Badezuber
Plitsch, platsch Badefass
Kolumbus macht die Stube nass
Ist ein großer Wasser-Held
Bereist mit ihm die ganze Welt

Meiner ersten Schulfibel entlehnt

Verteilerkästen und Haus-Schilder
sind schon mal ein kultiger Anfang








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