Dienstag, 21. Juli 2020

Il Borgo bedeutet nicht immer nur Geborgenheit

Je mehr Häuser jetzt bewohnt werden, desto wahrscheinlicher ist es, das die Harmonie der Stille durch harsche Töne gestört wird. Wir kennen das und sind es als Nicht-Residenten gewohnt, uns noch weiter zurück zu ziehen, als wir das sowieso schon tun. Wir wollen keinen Streit mit Nachbarn und schon gar nicht mit Freunden. Aber immer gelingt uns das nicht.

In der Standard-Belegung ist der Borgo ein Hort der Geborgenheit. Das ändert sich aber nicht nur weil der Tourismus einkehrt, sondern auch weil Leute, denen ein Haus hier gehört auf einmal die Herren-Karte ausspielen und sich dann gerne im Ton vergreifen. Vor allem wenn der Haussegen in Schieflage gerät. Auch wir reagieren dann mitunter unangemessen, und sobald die Worte rausgerutscht sind, bedauern wir sie schon wieder, weil es Leute trifft, denen wir sonst sehr zugetan sind.

Beispiel 1:
Unser Musikprofessor von den Zinnen gegenüber engagiert sich wirklich mit  "La Proferessa" beispielhaft für die Piazza. Die Piazza hat unter ihrem ganzjährigen Wirken wirklich an Zauber gewonnen. Immer mehr Wanderer halten ein und staunen. Selbst der junge Internet-Techniker, der mich wieder mit der Welt verbunden hatte, blieb eine Weile sitzen, um die Schönheit zu genießen.

Professore Piero, der mit Blumenkübeln viele Sitzplätze belegt hat, kam deshalb auf die Idee, die wegen Corona fort genommenen Bänke von der Aussichtsplattform am Parkplatz unter uns auf die Piazza schaffen zu lassen. Aber gewohnt an klangliche Harmonie ist ihm dabei die optische ein wenig entglitten. Die beiden Sitzgelegenheiten waren einfach überdimensioniert und ließen die kleine Piazza ungewohnt schrumpfen. Unverholen wie wir normaler Weise unter Freunden sind, kommentierten wir die Versuche, die Monster zu stellen, in unserem Speisekarten-Italienisch vielleicht ein wenig zu schroff. Was folgte waren Irritation und eine Mail von Piero, in der er sich furchtbar entschuldigte: Er habe es doch nur gut gemeint. Natürlich schrieb ich noch in der gleichen Nacht zurück, unter Freunden und Nachbarn brauche man sich doch nicht zu entschuldigen. Aber ich schlug auch vor, die Gemeinde anzuhauen, uns eine kleine, dekorative Bank zur Verfügung zu stellen, die die Harmonie nicht störe. Und dann wurde ich so richtig beschämt. Einen Tag später waren die Monster-Bänke nicht nur verschwunden. Wie herbei gezaubert stand eine wetterfeste, kleine schwarze Bank aus Leichtmetall unter der Yucca-Palme und fiel überhaupt erst beim zweiten Hinsehen auf. Piero hat sie aus eigener Tasche spendiert, und ich wäre ihm trotz Corona vor Reue fast um den Hals gefallen...
In lauschiger Nacht einfach hinsetzen, den Stimmen des Sommers lauschen
und einfach nur träumen - dann klappt's auch mit den Nachbarn

Beispiel 2:
Wie haben aus einer zu früh erhofften, nur anscheinend bewältigten Vergangenheit einen italienischen "Nachbarn" aus der Stadt, dessen Frau hier oben über Häuser und reichlich Grund verfügt, mit denen er fürchterlich angibt. Weil er sich sporadisch um deren Ausbau kümmert, spielt er zur Ferienzeit gerne den großen Zampano und versucht, die notdürftig hergerichteten Immobilen an Touristen zu verkaufen.. Es ist nicht das erst Mal, dass Giuseppe die internationale Nachbarschaft gerade in der Ferienzeit mit abstrusen Vorhaben brüskiert. Aber meist geschah das außer Sichtweise unter der östlichen "Burgmauer". Nun kam er gestern mit dem Anspruch, er wolle die Fontana mit einer Rohrleitung anzapfen, um eine Immobilie mit dem Gratis-Wasser zu versorgen. Notfalls, indem er die Piazza aufreißt.
Rohre über die Piazza? Da war doch schon
einmal etwas ohne Erfolg vor Jahresfrist


In dem Palaver, das dann folgte, gab es ein Maschinengewehr-Salven ähnliches Wortgefecht mit schlimmsten Bedrohungen und Flüchen. Als Giuseppe mit Anwalt und Schließung der Straße drohte, die ihm gar nicht gehört. ließ ihn unser wackerer Professor derart auflaufen, dass er ganz kleinlaut versönlichere Töne anschlug.

Gerade treffen sich die Streithähne beim Sindaco. der gestern Nachmittag schon klammheimlich und vermeintlich unbemerkt mit einem Gemeinde-Assi zur Ortsbesichtigung über die Piazza schlich.

Einerseits ist der Blogger traurig, weil sein Italienisch immer noch so schlecht ist, dass er dem tapferen Professor nicht Flanken-Deckung geben kann. Andererseits verspricht das Drama auf Dauer spannenden Lesestoff, wenn man weiß, wie sich solche Dinge hier hinziehen, und wer alles hineingezogen werden könnte...

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