Freitag, 3. Juli 2020

Fatale Freiheit gebremster Generationen

Immer wieder begeistert mich, wie schnell sich die Italiener auf Gegebenheiten einstellen. Sie haben es nun wirklich nicht leicht gehabt in den vergangenen fünf Monaten:
Gerade hat mich der junge Vodafone-Techniker hier wieder mit der Außenwelt verbunden. Ohne Masken zwar, aber mit quasi automatisch eingehaltenem Abstand.

Bei meinem Lieblings-Bäcker L'Angolo del Pane bedienen und kassieren die drei Ladys hinter einer Totalverglasung, was sie jedoch nicht davon abhielt, laut zu jubeln als sie mich nach neun Monaten Abwesenheit trotz Maskierung sofort erkannten. Eine Karriere als Bankräuber kann ich mir wohl abschminken - bei diesem fatalen Wiedererkennungs-Effekt... Der beliebte Wochenmarkt wurde - mit großzügigem Abstand zwischen den Ständen - einfach an den Großparkplatz bei der Mole vom Alten Hafen verlegt, und die Restaurants, die die Krise überlebt haben servieren eben im Freien.

Natürlich begrüßen alle die neue Bewegungsfreiheit, aber sie erliegen nicht der Euphorie; zu drastisch aber auch häufig geschürt waren die Ängste noch vor kurzem.

Aber was ist mit den jüngeren Generationen, wenn die Normalität wieder in den Alltag eingezogen ist?

Mit Abstand am Stern der Ruhe
Vorgestern Abend passierte auf unserer Piazza Denkwürdiges: Im Dunklen hob plötzlich lautes Gelächter und Jauchzen sowie munteres Geschnatter an. Seit zwei Jahrzehnten hat die Burg nicht mehr so viele junge Leute auf einmal in ihren Gemäuern erlebt. Gut zwei Dutzend Mädchen und Jungen im fortgeschrittenen Teeny-Alter lagerten vor der Fontana auf dem weißen Stern und amüsierten sich. Ein Abwechslung in der Toten-Stille hier oben. Viele Häuser sind ja immer noch verrammelt.Als es elf war, setzten sie sich rücksichtsvoll wieder ihre Motorino-Helme auf und verschwanden behutsam zu ihren Maschinen. Ein Spuk? Denn in der nun wieder alles verschluckenden Stille kamen mir infolge der ersten Gespräche hier mit Freunden unheilvolle Gedanken.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat in Italien ja besonders die nachrückenden Generationen getroffen. Fertig studierte und diplomierte Akademiker finden keine adäquate Anstellung und müssen sich als Tagelöhner verdingen. Das ohnehin schon extrem niedrige Lohn-Niveau in Ligurien wird von den ins Trudeln geratenen Unternehmen nun bis zur Schmerzgrenze weiter gesenkt. Wer einen Job mit rund tausend Euro monatlich und ohne Krankenkasse hat, kann sich schon glücklich schätzen. Julia aus dem Nachbardorf, die sich in unserer Abwesenheit um unser Haus gekümmert hat, muss damit zurecht kommen, dass ihr Sohn vor dem Abitur durch Corona ausgebremst wurde, und dass ihre in der Hotspot-Lombardei studierenden Tochter erst im Januar ins fort zu zahlende Studentenheim und zum Studium zurück kehren kann. Da bieten auch die schönsten Strand-Tage nur vorübergehend Entspannung.

Als hätte er den richtigen Riecher gehabt, macht der Sohn meiner besten Freundin nun krisenfeste Karriere bei den Carabinieri.

Auch in Deutschland versucht ja die Bundeswehr gerade aus der Krise mit Werbespots in allen Medien eine qualitativ verbesserte Personaldecke abzuschöpfen. Ob damit dann aber das Drama mit den Sicherheits-Spezial-Kräften behoben wird, bleibt abzuwarten....
Alle hoffen, dass sich die grauen Wolken bald verziehen
Fotos: Paolo Bensa (oben) und Claus Deutelmoser

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