Sonntag, 19. Juli 2020

Der siebte Tag

Wir Alten haben leicht Reden! So wir Corona bislang überlebt haben, konnte uns ja weder die Isolation noch die immer gleichen Tages-Abläufe in punkto Psyche etwas anhaben. Den mit den Jahren immer größer werdenden "Dachschaden" kompensieren wir sowieso mit immer beherrschender werdenden Ritualen.

Wehe wenn die fürsorglichste Ehefrau von allen nicht den 'Tag ungestört mit einer Kanne Labber-Kaffee und extra schweren Sudokus beginnen kann. Und wenn ich nicht schlecht gelaunt in den Tag starten soll, habe ich mich bis zehn Uhr in Ruhe aber auch wachsender Unruhe über den Zustand der Welt informiert und mindestens eine Stunde damit verbracht, Gedanken schriftlich festzuhalten, die mich in den wirren, halb wachen, frühen Morgenstunden durchzuckt haben...

Um zehn - so will es das Protokoll - serviere ich meiner Frau und mir einen vernünftigen, also starken Kaffee in der Küche. Dann informiere ich sie auch noch über die Nachrichtenlage und meine Befindlichkeit, die ja nicht immer einfach ist.

Wenn die Tür zur Piazza offen steht, ist das ein Zeichen für unsere Freunde und Nachbarn, dass wir - - oder zumindest meine Frau - ansprechbar sind. An manchen Morgenden geht es dann zu wie im Taubenschlag. Das ist unsere Art Sozialisation.

Wir nennen es Spätstück, wenn wir uns um die Mittagszeit an den über hundertjährigen Eichentisch im Esszimmer setzen. Das kann samt Geplauder gut mal bis zwei Uhr dauern. Danach haben wir "frei".

Immer häufiger passiert es in diesem Gleichklang, dass wir vergessen, was für einen Wochentag wir haben. Dann wird in unseren auf Zeitlupe laufenden Oberstübchen anhand von Erinnerungsfetzen eine Rekonstruktion der letzten Tage angestellt. Aber im Prinzip ist es ja egal. Wann Wochenende ist, hören wir ja anhand der ratternden Rollkoffer unter uns in der Gasse.


Und jetzt bin ich endlich beim eigentlichen Thema. Seit die Betschwestern hier oben immer weniger werden, merken wir nur am hektischen Geläute aus dem Tal, dass Sonntag ist. Ansonsten hat das Heimatland des Katholizismus den siebten Tag der Schöpfung quasi abgeschafft. Wer am Abend zuvor sein Häuschen bezogen hat, geht erst einmal ans Meer und danach in aller Ruhe in die angenehm gekühlten Supermärkte, die Vorräte für die kommende Woche einkaufen.


Italien hat die Öffnungszeiten nämlich schon lange abgeschafft, während in Deutschland vor der zweiten, bald anlaufenden Corona-Welle immer noch ohne Ergebnis über verkaufsoffene Sonntage diskutiert wird. Kein Zweifel: Ein siebter Tag zum Einkaufen entspannt die Lage und könnte dem Handel zumindest ein wenig tragende Luft unter die durch Corona erschlafften Flügel blasen...
Allerdings nützt die schönste Maske nichts,
wenn der Abstand nicht stimmt


Wer hier Sonntags am frühen Nachmittag zum Einkaufen geht, trägt zwar Maske, aber muss sich an der Kasse dann nicht sorgen. Dass  zum Beispiel der Einkaufswagen-Abstand ignoriert wird. Was unter der Woche bei der Ungeduld der Einheimischen jetzt doch schon wieder zunehmend ein Problem wird, obwohl ja Italien so extrem betroffen war...

Hoffen wir, dass es so bleibt und alles gut geht.

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