Mittwoch, 3. Juli 2019

"Sozial-Plan"

Das Bild, das sich Menschen von einem machen, setzt sich aus verschiedensten Facetten zusammen. Seit jeher - also von der Schulzeit an, galt ich  in meinem Umfeld nicht nur als Pausen-Clown und Stimmungsmacher, jeder drängte mich auch wegen der angeborenen Rhetorik dazu, Verantwortungen zu übernehmen. Tatsächlich aber bin ich ein eher schüchterner Mensch, der von sich selbst glaubt,  vielen zu wenig Empathie entgegen zu bringen. Alles Gegenteilige ist eigentlich ein Überspielen von Schwächen und Sensibilität.
In München habe ich die Kurskorrektur nach meinem beruflichen Aus längst vollzogen. Gesellschaftliche Anlässe habe ich so oft abgesagt, dass ich zu "Social Events" nur noch in Ausnahme-Fällen eingeladen werde und als Muffel gelte. Ein Image, das mir gefällt, weil ich so nicht auf Leute eingehen muss, mit denen ich mir nichts mehr zu sagen habe...

Hier auf der Burg ist das ganz anders. Die Rolle, präsent zu sein, wird uns quasi von der Lage unseres Hauses angeordnet. Die Piazza, an der es liegt, schließt die wie Zinken einer Gabel durch den Borgo spießenden Gassen in der Mitte und gen Osten hin ab. Jeder, der von dort herauf kommt, muss diese Piazza queren. Und die, die von oben kommend, in diese hinein wollen, gehen auch an uns vorbei. - Wenn wir - wie in diesen Hitze-Tagen mehr unten sitzen, als auf der Terrasse oben köcheln wollen.

Aus vielen Einzelgesprächen, ergibt sich
ein Gesamtbild vom aktuellen Leben im Borgo. Die
Bank vor unserem Haus ist gewissermaßen
  "Rete Castello".  Das Burg-Radio
Egal ob also einheimisch oder aus dem Ausland her gezogen, mit jedem bandeln sich Gespräche an, aus denen dann in zwei Jahrzehnten Dauer freundschaftliche oder gar intensivere Beziehungen geworden sind. Und komisch, hier habe ich keinerlei Probleme mit den sozialen Kontakten. Zum Einen liegt das daran, dass wir meist die ersten beiden Monate eine totale Stille erleben, in der die hiesigen Kontakte uns quasi daran hindern, zu verkümmern oder Eigenbrötler zu werden.
Einziges Problem sind die Abgänge wegen Todes, mit denen ich leider immer noch nicht gut umgehen kann, obwohl ich ja selbst längst im Wartezimmer des Schnitters Platz genommen habe.

Jetzt ist die erste Halbzeit des Jahres wieder einmal recht rasch vergangen. Es gibt keine Nachspielzeit und auch keine Halbzeitpause, denn ab Juli wird der Borgo nun von der alljährlich wiederkommenden Teilzeit-Belegschaft übernommen, die man sonst eben nur durch Telefonate in der Heimat auf dem Laufenden gehalten hat. Wie in den Vorjahren prägen die fabelhaften, heutigen Reha-Maßnahmen nach heftigen Erkrankungen oder nicht mehr aufzuschiebenden Eingriffen die ersten Tage des Wiedersehens. 
Aber wir sind ja der "Zauberberg" und da überwiegt ja bald die Feier-Laune derart, dass keiner mehr zurück denkt, sondern im Hier und Jetzt ankommt. Der Event-Kalender wird so dicht gefüllt, dass es eines gewissen "Sozial-Plans" bedarf, allen und allem gerecht zu werden. 
Höhepunkt wird an Ferragosto auf unserer Piazza ein von einem Burg-Geist arrangiertes Konzert ligurischer Volksmusik werden.
Möglichkeiten zur Erweiterung des "Sozial-Plans":
der wenig begehrte und nicht bezahlte Job
des Guardano Notturno oder...
...heilsbringend die dankbarere
Aufgabe als "Gura del Borgo", die Marcella
leicht allabendlich von den Zinnen
ausüben kann, wenn...
 ...unten ihre Jünger.lauschen
Fotos: Doris Kreh und Mirella







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