Freitag, 19. Juli 2019

Viel Schweiß zum kleinen Preis

Auch mit gewisser Systematik bleibt das Kärrnern
durch den Borgo ein schlecht bezahlter Knochen-Job
Lektionen zur Verhältnismäßigkeit  einzusetzender Mittel bekommen wir Teilzeit-Dörfler aus der Fremde von unserem  Borgo immer dann erteilt, wenn Not am Mann ist:
beispielsweise wenn Sanitäter einen Mitbürger aus seinem verwinkelten Haus in einer engen Gasse holen müssen. Oder die Feuerwehr muss in Einzelkämpfer-Manier einen Brandherd bekämpfen.

Weil solches aber nur selten passiert, denken wir auch nicht weiter darüber nach, was an Einsatz erforderlich ist, wenn die historischen Mauern nicht nur in unseren Häusern bröckeln.

Links und rechts vom tragenden Felskamm haben die Unwetter der vergangenen Jahre und die vergleichsweise harten und langen Winter mächtig Schaden an den Mauern angerichtet, die das Erdreich unter uns in Form von historischen Faschen stützen. Was haben wir die Nachbarn beneidet, die einen Garten vor oder hinter dem Haus haben, und wie sehr haben wir die minuziös geschichteten Trockenmauern bewundert. Aber nachgedacht darüber, wie sie errichtet und wie das Gestein heran geschafft wurde, haben wir nicht.!

Abgesehen davon, dass es in der Gemeinde nur noch wenige gibt, die sie errichten könnten, fehlt es auch an Menschen die bereit wären, diese extrem körperliche Arbeit zu verrichten. Die Leute mit den Mauer-Schäden sind meist reich an Latifundien, aber arm an Bargeld. Im Alter erhalten sie die meist magere Rente der Landwirtschaft-Genossenschaft. Schon da müssen meist die Verwandten, die einen besser bezahlten "Kragen-Job" haben, einspringen.

Wenn also die vermeintlich reichen Ausländer Grund haben, der von so einer Gemeinschaftsmauer gestützt wird, kommt es schnell zum Versuch, denen Kosten und Arbeit anzulasten. Es ist also angebracht, sich bei der rechtlichen Lage schlau zu machen, ehe man über die Mauer gezogen wird.

Freunde von uns mit einem der schönsten Häuser im Dorf und einem herrlichen Terrassen-Garten sind gerade in so einer Situation. Seit Tagen queren wechselnde Tagelöhner unsere Piazza mit Schubkarren voller Sand und Zement, die sie vom oberen Parkplatz holen. Das ist der einzig mögliche Transportweg. Der erste Teil in der Haupt-Gasse geht 150 Meter steil bergab, aber dann kommen die Stufen zu uns hoch und es folgt ja noch das 150 Meter lange Zickzack bis in den tief liegenden Garten. Bei der Hitze ein mörderischer Sklaven-Job, für den selbst ein so gewitzter Baustellen-Beherrscher wie unser Freund einen Vermittler einschalten musste.
Der Erste "Handlanger" war sichtbar langsam und rein körperlich eher nicht für diesen Knochen-Job geeignet. Der Zweite ein junger, durchtrainierter Einheimischer schaffte die dreifache Frequenz, kam aber am nächsten Tag nicht wieder. Nun hält sich den dritten Tag ein Mann aus Tunesien, der offenbar jede erforderliche Bewegung verinnerlicht und den Kraft-Einsatz systematisiert hat. Seine Frequenz lässt sich daher leicht errechnen. Er schafft stoisch im 10-Minuten-Rhythmus 48 Fuhren pro Tag, was einem eine Vorstellung von den Ausmaßen der zu reparierenden und teilweise neu zu errichtenden Mauer verschafft.

Obwohl ich mich im Sport über lange Zeit bis zur Erschöpfung verausgaben konnte, habe ich körperliche Arbeit derart verabscheut, dass ich ihr meist geschickt aus dem Weg ging. Nur im Zivilen Ersatzdienst war mir das nicht gelungen. Als Küchenhilfe eingesetzt musste ich im Krankenhaus täglich acht Zentner Kartoffeln aus dem Keller hochfahren, in den Schäler geben,  die geschälten zu den Nach-Schälerinnen schleppen und dann das Fertig-Gut portioniert und entsprechend sortiert zu den Köchinnen transportieren. Im Vergleich zu dem Kärrner hier, war das aber  lächerlich. Und  wenig später musste ich noch ein komplettes Schwesternheim des Roten Kreuzes mit Möbeln bestücken. Aber diese Schufterei lohnte sich wenigstens in anderer Hinsicht...

Deshalb war meine Diskussion über Mindestlöhne hier mit der ehemaligen Personal-Chefin aus der Schweiz auch für die Katz. Ich war als Arbeitgeber in den Augen meiner, die Finanzen ordnenden Frau, sowieso immer viel zu großzügig. Deshalb hätte ich auch als Mauer-Beauftragender hier aus Mitleid viel zu viel ausgegeben.

Merke! Nicht nur in den ligurischen Bergen gilt der für körperliche Arbeit schlichte Grundsatz:
Viel Schweiß zum kleinen Preis.
Das konterkariert den Spruch, mit dem man mich als Kind immer angespornt hat:
Ohne Fleiß kein Preis!

Hallo Herr Salvini! Wer - glauben Sie - kommt hier hoch, um diese Arbeiten zu verrichten, wo die Landbevölkerung sich ständig ausdünnt und die jungen Leute fehlen? Wo werden im anstehenden Herbst mit wem die Ernten eingebracht? Von versklavten Migranten nämlich! 
Da werden ja die ausgebeuteten Erntehelfer in Deutschland noch geradezu fürstlich entlohnt.

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