Montag, 8. Juli 2019

Die heiße "Bullenbeiße"

Nur Nordlichter glauben, heiße Suppen seien etwas für kalte Tage. Sieht der Gourmet einmal von der labberigen, gelierten Kaltschale "Gazpacho Andaluz" ab, gibt es heiße und vor allem scharfe Suppen, die die Hitze-Tage durchaus lindern können. Reisende in Thailand oder auf Sri Lanka können sich da mit dem Lunch oft den Tag retten.

Es war gewiss nicht von Schaden, schon von klein auf große Klassiker der Gourmet-Küche schnabulieren zu dürfen. So konnte ich den Verfall der "Bouillabaisse-Kultur" an den hiesigen Gestaden ein Leben lang  in immer kürzeren Intervallen mit erleben. "Avec les Tantes", wie unsere alljährlichen Cote D'Azur-Besuche in der Kindheit hießen - erlebten wir diese Spezialität von der Canebière in Marseille noch  in Reinkultur und kochten mit, wenn sich die Freundinnen meines Vaters an die vielen Schritte ihrer Zubereitung machten:

Genau die vielen Schritte machten aber dieser "Suppe" den Garaus: Vorgeputzte Meeresfrüchte aus der Tiefkühltruhe, Bisque D'Homard als Suppenwürfel, und nur zur höheren Preisgestaltung ein paar Frischfische hinein, eine Aioli aus der Flasche und Croutons mit Käse betreut -fertig!!!????
In Zusammenarbeit mit der
Frischfisch-Abteilung des Supermercado
lässt sich aus so einem 
Tiefkühl-Meeresfrüchte-Buffet
für wenig Geld eine
"Bullenbeiße" der Extraklasse zaubern,
die dem was die Restaurants heute
als Fake anbieten in nichts nachsteht...


Da könnt ihr gleich für wenig Geld meine

Heiße Bullenbeiße

...wie immer für vier Personen selber kochen.
Wie kommt es zu meiner Verballhornung des Koch-Klassikers? Einige unabdingbare Zutaten für das Original sind wegen der echten roten Farbe eben der Knurrhahn und die Languste (aushilfsweise Langoustine oder Hummer). Beide sind mittlerweile  für die Restaurant-Küche quasi unbezahlbar und für den privat kochenden Gourmet kaum frisch zu bekommen. Trotzdem verlangen viele Restaurants pro Person 50 Euro für ihre Fake-Suppe. Im Original kostet es privat auch soviel. Wer will das schon bei so einem Haufen Arbeit?
Hässlich wie die Nacht finster. Aber im wahrsten
Sinne selten wohlschmeckend:
Der Knurrhahn. Vergangenes Jahr konnte ich der
Versuchung nicht widerstehen und bestellte
ein 2-Personen-Exemplar hier am Kai.
Der Wirt berappte 80 Euro dafür und war sauer,
weil ich ausdrücklich auch den
gegrillten Kopf des Tiers haben wollte.
Hatte wohl gedacht, der Leckerbissen bliebe ihm...

Auf diese Ersatzlösung des Kultmahls bin ich angesichts der Tiefkühl-Buffets gekommen, die die Supermärkte und Spezial-Geschäfte hier variantenreich anbieten. Auch in Deutschland kann man aus der Tiefkühle mit Geschick die Zutaten für meine "Suppe" (ich nenne sie hier bewusst so, weil das Original ja eigentlich ein Fisch-Eintopf wäre) preiswert zusammen stellen. Ich mache sie mit Peperoncino aus eigenem Anbau so schön scharf, dass sie zunächst zubeißt und dann durch ihr Aroma sanft verwöhnt. Und für das "Bullen"-Accessoir sorgen gut gefüllte Mark-Knochen...

Hier also meine Zutaten:

Vier große Mark-Knochen
Vier Zehen vom roten Knoblauch
Vier frische Peperoncino-Schoten rot (ersatzweise 8 Thai-Chillis)
Vier Stücke Ingwer je von der Größe eines Spiel-Würfels
Je ein Stängel Oregano, Thymian, Lavendel
Je ein gestrichener Esslöffel Estragon, Salbei, Basilikum und grüner Koriander frisch und fein gehackt
1 Rote Beete
1/2 Fenchel-Knolle frisch
1 Stange Lauch
1 Bund junge Zwiebel
2 Esslöffel "roter Peffer" aus der Lauge (gut abspülen)
200g grob geschnittenen Stauden-Sellerie - am besten nur die Blätter.
1 Pfund Meeresfrüchte-Mix (wird bei uns kochfertig auch für Risotti angeboten)
400g in Schale vorgekochte, tiefgefrorene Mazzancolle oder Camarones oder Langostinos
1000 g Fischköpfe, vom Filetieren übrige Gräten frisch vom Fisch-Händler des Vertrauens (wer die vom Lachs bekommt, hat schon die halbe Miete)
600g diverse fest kochende in großzügige Stücke geschnittenen Fisch-Filets. Schick wären natürlich auch ganze Rotbarben (Rouget oder Triglie gibt es gelegentlich in den guten Supermärkten kochfertig tiefgekühlt) wegen der Farbe.
2 Eier
1/2 Liter Rot- oder Weißwein nach Geschmack und Optik
1 Würfel Bisque D'Homard
2 Gläschen roter Wermut oder Madeira oder einen weniger vorschmeckenden Süßwein. Es ginge aber auch für eine exotischere Note Pernod, Anisschnaps oder Sambuca

Zubereitung:

Die Knochen in gutem Oliven-Öl anschwitzen, bis das Mark glasig ist und sich leicht auslösen lässt.
Das ausgelöste Mark kalt stellen. 
In dem Öl das Gemüse anrösten und die Fisch-"Abfälle" hinzu geben. Wenn sie glasig werden mit der gleichen Menge Wasser und Wein aufgießen und leicht köcheln lassen, bis die Fisch-Fasern sich lösen. Große Fischköpfe haben im Nacken und an den Bäckchen viel Verwendbares und Aromatisches.
Den Fisch-Fond durch ein feines Sieb abgießen, und die Fischreste appetitlich ausfiseln, in eine Schüssel geben und kalt stellen.
In einem Mörser mit Stößel oder in einer Steingut-Schale mit Holzlöffel den Ingwer, den Knoblauch, den roten "Pfeffer" den Chilli oder den Peperoncino mit Salz und einem gehäuften Teelöffel braunen Melasse-Zucker zu einer Paste zerreiben, die gegebenen Falles noch mit einer Brise Curcuma coloriert wird.
Das zerkochte Gemüse aus dem Sieb (möglichst ohne Gräten!) pürieren und mit dem Bisque d'Homard in den Fond einrühren, den Meeresfrüchte-Mix und die Filetstücke vorsichtig hinzugeben und alles unter Kontrolle, ohne den Siedepunkt zu erreichen, mit einem Teil der Paste aus dem Mörser ziehen lassen.
Währenddessen den abgefieselten Fisch, einen Teil der Kräuter, einen Teil der Paste mit etwas Mehl und dem getrennten Eiweiß vermengen. Das ganze muss eine fest formbare Masse geben, aus der dann mit einem Esslöffel pro Person zwei Nocken gestochen werden. Die Nocken auch noch zum Sud geben aber nur noch ziehen lassen, während wir meine
Aioli-Mio aus dem Mark, dem Rest der Paste, aus den Eigelben und vielleicht einem Teelöffel Dijon-Senf, den restlichen gehackten Kräutern geschmeidig anrühren.

Anrichten:

Mit einer Lochkelle in vorgeheizte, tiefe Teller oder besser noch Suppen-Schalen den Inhalt gerecht verteilt aus dem Sud fischen, dann den Sud vorsichtig angießen und Aioli-Mio einträufeln. Zum Schluss auch zur Deko die fein geschnittenen, jungen Zwiebel drüber streuen und die gezupften und geteilten Gewürz-Stängel dazu arrangieren.

Bon Appetito!

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