Freitag, 24. Mai 2019

Wenn der Bergstelz dreimal klopft

Möchte nicht in jedem von uns ein "Doc Doolittle" stecken, damit wir mit Tieren reden könnten? Müssen ja nicht gleich 498 sein! Mir zum Beispiel reichten die Sprachen von den Tieren die mir gegenüber - aus welchen Gründen auch immer - deutlich Empathie zeigen.

Die Vorstellung, dass einen Tiere einfach so sympathisch finden, ist natürlich allzu menschlich. Unser Hund, der die Kinder meine Frau und mich dreizehn Jahre lang begleitete, hatte zu jedem Familien-Mitglied ein eigenes - auf seine Bedürfnisse abgestimmtes - Verhältnis. Meinen Sohn, den der Welpe zur Bestimmung der Rangfolge im Rudel von Anfang an malträtierte, war später als Herangewachsener sein Unsinn-Gefährte. Meine Tochter brachte ihm verblüffende Kunststücke bei, und meine Frau war seine Standard-Gassi-Begleiterin, der er aber auf keinen Fall gehorchte. Seine Beziehung zu mir war zwiespältig. Zwar machte ich die großen Abenteuer-Ausflüge am Rad mit ihm und verabreichte das begehrte Öhrchen-Knuddeln, aber der Basis-Respekt vor dem "Alpha-Wesen" beherrschte ihn, selbst wenn ich ihn in den Arm nahm. Dann machte er sich steif und streckte sich widerborstig durch. Aber er nahm auch Kekse aus meinem Mund, ohne dabei mit seinen Lippen an meine zu kommen, oder gar zähne spüren zu lassen.
Einmal war ich wochenlang auf einer Reportage gewesen, aber als ich zurück kam, begrüßte er mich nicht. Er war nachtragend wie eine Diva und versteckte seinen Kopf an der Wand. Als mein Sohn mir dann gleich etwas zeigen wollte und ich nach oben aus seinem Blickfeld verschwand, dachte er, ich sei schon wieder weg und haute in einem unbeobachteten Moment ebenfalls ab. Eine Nacht lang suchten wir nach ihm. Am nächsten Morgen rief meine Sekretärin an, und meinte, vor dem Büro läge in Wartestellung ein Hund, der aussähe wie unserer. Er war als eigentlicher Verkehrs-Trottel unbeschadet  die zwei Kilometer  auf kürzestem Weg über Eisenbahnschienen und zwei stark befahrene Straßen gerannt, um nach mir zu suchen, obwohl er zuvor nur einmal einen Tag im Büro bleiben durfte.
Er verstarb, als wir gerade mal ohne ihn kurz in Italien waren. Für mich ein tragischer, menschlicher Verlust - wie für die gesamte Familie.

Nichts desto trotz, gibt immer es wieder Anzeichen dafür, dass Tiere der  unterschiedlichster Spezies Verbindungen zu mir aufbauen. In erster Linie Hunde, aber zunehmend auch gefiederte Burg-Bewohner.
Vor Jahren rettete ich einem jungen Mauersegler das Leben (Blog-Leser können dies nachlesen). Während der Standzeit des Schwarms vor dem Weiterzug stieß immer einer der Luftakrobaten aus dem Gewirbel zu mir so nah herab, wenn ich an der Stelle auf der Terrasse stand, wo ich ihn Wochen zuvor in die Luft entlassen habe. War aber vermutlich ein anderer, der nur neugierig war.

Und nun etwas, was wieder mal kaum zu glauben ist:
Bei der Eiseskälte der vergangenen Woche hatten wir ja die Schlafzimmer-Fenster meist geschlossen. Während eines Morgengrauens allerdings nicht. Und so sah ich von meinem Kopfkissen den Piepmatz drei vier Meter entfernt auf dem Nachbardach geschäftig herum hüpfen.
"Was bist denn du für ein Schöner", säuselte ich ihn an. "Jetzt gib doch mal Ruh, und lass dich anschauen!"
Er hatte keine Zeit - es gab ja zu tun.
Später hatte ich dann zu tun. Ich saß mit Kopfhörern am Computer. Da drang ein helles Ticken durch. das ich zunächst ignorierte.
Dann noch einmal - nachdrücklicher:"Tick, tick, tick!"
Da sah ich auf, wie er ans Büro-Fenster klopfte. Ich war froh, dass die Fliegengitter noch nicht runter gezogen waren, denn darin hätte er sich womöglich tödlich verheddert. So konnte er seinen Schnabel energisch ans Glas hauen.
Ligurischer Gebirgs- oder Bergstelz
Paint-Illu: Claus Deutelmoser
Ich stand auf, und er blieb ruhig sitzen, so dass ich seine Schönheit für einen Moment bestaunen konnte...
Natürlich wird mein Blitz-Porträt ihm nicht annähernd gerecht. Er ist in Wirklichkeit viel schlanker und eleganter.

Wir sind aber richtig gute Nachbarn geworden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen