Montag, 6. Mai 2019

Der stille Reise-Begleiter

Ein Kleidersack, der aussieht wie eine
Reisetasche, aber durch Aufhängen hilft,
den Inhalt wie frisch gebügelt erscheinen zu lassen
Vor langer Zeit in einer fernen Galaxie war die Frau, die meine Leser "als Zweitbeste", als "Fürsorglichste" und letztlich auch als "Sparsamste" kennen gelernt haben, durch ihre beinahe verschwenderische Großzügigkeit bekannt.
Weil ihr Mann so viel weltweit mit dem Flieger unterwegs war und sich immer darüber aufregte, wie viel Zeit beim Aufgeben des Gepäcks und dem Warten am Ausgabe-Band verging, machte sie sich damals noch ohne Internet und einschlägigen Versandhandel auf die Suche nach einem passenden Geschenk.

Ich bekam es zu meinem 35. Geburtstag, und seither ist der Kleidersack mit meinen Initialen drauf mein liebster Reisebegleiter. Sein 35jähriges Dienstjubiläum habe ich zu meiner Schande tatsächlich verschwitzt, weil ich ihn heute nur noch zweimal im Jahr zum deutsch-italienischen Wohnorts-Transfer mit einer Hotel-Übernachtung in Anspruch nehme. Fliegen muss ich und will ich vor allem nicht mehr, weil ich statistisch nach drei Havarien und zwei Beinahe-Crashs das Schicksal nicht weiter herausfordern möchte.

Dass ich 1972 nur bei den Sommerspielen in München und nicht bei den Olympischen Winterspielen von Sapporo dabei war, ersparte meiner jungen Vielflieger-Karriere gleich die Flugzeug-Entführung von Aden. Unter den Passagieren des Fluges Tokio-Frankfurt, die die Bundesregierung samt Crew damals für 5 Millionen US-Dollar freikaufte, waren nämlich auch die meisten der deutschen Wintersport-Berichterstatter. Von da an wurden die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen weltweit in dem Maße beinahe täglich schärfer, wie die Lösegeld-Forderungen bei Flugzeug-Entführungen inflationär zunahmen, aber letztlich taktisch auch verweigert wurden.
Zwei Clips machen den Bag zum
Handgepäck. Der Kleiderhaken
ist durch eine Schlaufe arretiert.
Die Fotos habe ich bei unserer
Abreise am 4. Mai gemacht.
Das ist der aktuelle Look nach 35 Jahren.
Qualität zahlt sich aus

Ach hätte ich ihn da schon gehabt - meinen unverwüstlichen Reisebegleiter. Aber da brauchte es noch Hartschalen-Koffer oder klobig resistente Metall-Dinger. Das Film-Material - ob belichtet oder nicht -
musste in Schutz-Tüten gegen die "x-rays", und dazu kamen die Körper-Checks.
Alles ging viel leichter, wenn der Reisende - selbst auf Langstrecke - nur Handgepäck dabei hatte. Vielleicht ist der Kleidersack von Pierre Cardin (daher auch die Initialen CD) wirklich der Grund dafür gewesen, wieso ich bei weit über einer Million Flug-Kilometern nicht einmal ein Gepäckstück verloren habe oder auf ein fehlgeleitetes warten musste.
Todesnähe seines "Herrchens" blieb ihm erspart, aber der Kleidersack könnte manches erzählen, das ich bis auf zwei Ereignisse nicht kolportiere, weil es eben an Angeberei grenzen könnte:


So hat das Teil gleich im zweiten Jahr den Rekordflug der AirFrance-Concorde von JFK nach Orly mitgemacht. Kein Passagier-Flugzeug hat den Atlantik bislang schneller überquert. Das Kabinenpersonal war jedoch eher entzückt von meinem französischen Reisegepäck, das es einfach in ihr Compartement hängte.

Aber es ging auch anders herum: Bei einer Neuengland-Reportage hatten die Hotel-Bosse darauf bestanden, dass ich in den angesagten Etablissements von Boston absteigen sollte:
Im Boston Ritz Carlton rümpften sie die Nase wie sie meinen Kleidersack als mein komplettes Reisegepäck in Empfang nehmen sollten. Und dann trug der "Kraut" aus Gewohnheit auch noch das Stück selbst aufs Zimmer - ohne Trinkgeld abzudrücken! Die Strafe folgte beim Frühstück am nächsten Morgen. Früh mit dem Morgenlicht im gegenüberliegenden Park, dem "Common", in meinem Fotografier-Outfit unterwegs freute ich mich auf das Frühstück, wurde aber nicht vorgelassen, weil meine  Berufskleidung nicht als der geforderte Business-Look akzeptiert wurde. Man bestand trotz meiner beruflichen Reporter-Einwände auf Jackett und Schlips. Vermutlich weil man  mich in Verlegenheit bringen wollte. Es konnte sich wohl keiner vorstellen, dass ich einen "börsengrauen"  Anzug dabei hatte. Machten die Augen, als ich zehn Minuten später wie ein Banker den Frühstücksraum betrat!

Leider habe ich vergessen, wie das Hotel hieß von dessem Penthouse ich das Titelbild von der nächtlichen Skyline über Backbay hinweg schoss. War wohl selbst zu beeindruckt vom Maisonetten-Appartement mit eigenem Fahrstuhl und Butler. Der Butler hingegen war beeindruckt, wie ich aus meiner Reisetasche noch ein Dinner-Jacket samt Weste und Smoking-Hemd zum Aufbügeln hervor zog; Gimmick eines routinierten Packers.Beim Governors-Abschluss-Dinner am Abend fiel mein Trick, das Outfit mit einer schwarzen Jeans zu kombinieren gar nicht auf.

Mein "omnia mea mecum porto" ("all das Meine trage ich bei mir" von Cicero dem griechischen Philosophen Bias von Priene zugeschrieben) habe ich zwar der Praxis eines alten Reise-Journalisten-Kollegen entlehnt, aber ohne das Geschenk meiner Frau, wäre die Veredelung dieser Traveler-Philosophie niemals möglich gewesen...

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