Dienstag, 7. Mai 2019

Sola o Vedova

Witwen trauern oft für den Rest ihres Lebens,
überwinden aber den Katzenjammer..
Claus Deutelmoser: Hangover, Aquarell auf Bütten

Als ich am vergangenen Wochenende auf die Burg zurück kam, begegnete ich beim Hochschleppen nacheinander vier Frauen, die mir Gelegenheit gaben, beim Plauschen nach Luft zu schnappen: Starke Frauen!
Die erste, die ich noch auf dem Parkplatz unten traf, ist und bleibt eine echte "Sola". Sie war zwar mal verheiratet und ist Mutter und Großmutter. Aber dann mehrfach liiert, ohne sich auf Dauer auf einen Partner einzulassen. Meine Leser kennen sie als die einstige Sammlerin buntester Jogging-Anzüge und die heutige Sonnenblumen-Wirtin unseres Sozial-Cafes im Hauptort. Sie ist keine besonders attraktive Frau, aber sie strahlt immer noch Verlangen aus, was offenbar die Zeit spurlos an ihr vorüber ziehen lässt. Seit bald zwei Jahrzehnten sind wir Nachbarn, aber wirklich verändert hat sie sich in den Jahren nicht. Es sein denn ihr seriöser Wirtinnen-Look hat die Jogging-Anzug-Phase hinter sich gelassen. Ich denke immer noch gerne daran, wie sie früher auf unserer Bank vor dem Haus meiner Frau beim Schwatzen geduldig Italienisch beibrachte.

Es kommt stets darauf an, was sie bereit sind, aus dem
möglichen zweiten Frühling zu machen:
Claus Duetelmoser:  Secunda Primavera, Öl auf Leinwand
An der Treppe traf ich Giovanna, die seit zwei Jahren verwitwet ist. Sie war immer eine bärenstarke Erscheinung die ihren Mann Francesco noch fragiler erscheinen ließ. Aber das täuschte. Der temperamentvolle Kerl hatte enorme Kräfte, was ich erlebte, als er mich beim Schleppen der Granit-Platten für unsere Küche, die er mit seiner Ape hoch gefahren hatte, ausschloss. Er schob mich einfach zur Seite, um mit dem auch verstorbenen Ruinen-Baumeister die schwere Last ins Haus zu wuchten. Als diabetischer Leidensgenosse nahm er meine Ratschläge nicht an.  Er wollte kein Insulin spritzen und sich nicht selber zur Kontrolle  der Werte in die Finger stechen. Eines Tages kam er mit einem ausgesetzten Hündchen aus dem Wald, mit dem er dann mehrmals am Tag spazieren ging. Das war an Therapie alles, was er zuließ. Dann kam nur noch Giovanna mit dem Hündchen vorbei. Francesco hing nur noch zuhause herum. Nichts trieb ihn mehr an. Den nächsten Winter überlebte er nicht. Sein Hündchen blieb neben umfangreichen Latifundien und Häusern die gesund erhaltende Hinterlassenschaft. Braun gebrannt scheint sie nun im langen Gassigehen noch mehr Kraft getankt zu haben. Sie bezeichnet sich selbst als Sola und nicht als Vedova.

Dann auf den letzten Metern traf ich  "Gutemine", die ich vor annähernd zwei Jahrzehnten so getauft habe, weil sie der Comic-Figur als Ehefrau von "Majestix" aus "Asterix und Obelix" so ähnlich sah. Noch immer türmt sich die nun nachgefärbte, geflochtene Haarpracht um ihren Kopf. Sie ist wie immer in Eile, weil sie ja noch immer viel Familie hier oben hat, die sie selbstverständlich vollständig versorgt.

Auf unserer Piazza dann noch so ein Phänomen weiblicher Reife: Unsere direkte Nachbarin, die Bürgermeisters-Witwe. Sie könnte sich unten in Imperia in einem ihrer Häuser bei ihren Kindern und Kindeskindern einen schönen Herbst machen. Zumal sie mit beinahe 80 noch eine neue Hüfte bekommen hat, ist ihr die unabhängige Mühsal des Schleppens über Treppen hier oben offenbar immer noch wichtiger. Denn Hilfe lehnt sie energisch ab.

In der Ruhe liegt ihre Kraft,
sich in Gelassenheit den
kleinen Dingen des Lebens hinzugeben...
Claus Deutelmoser: Maturata, Ölkreide auf
Mal-Karton
Die Bürgermeister-Witwe ist es auch, die mir zwinkernd eine lustvolle Schwäche für "donne maturate" unterstellt.. Ich denke aber, dass es eher meine Begeisterung für starke Frauen ist. Als Sohn einer starken Mutter habe ich dann selbst eine starke Frau geheiratet und mit ihr eine starke Tochter gezeugt. Beide bevormunden zwar heute mein Leben als in die Jahre gekommener,abgehalfterter Womenizer, aber das finde ich total in Ordnung...

Übrigens haben italienische Männer und Frauen im Vorderfeld eine um einige Jahre höhere Lebenserwartung als Deutsche, die weltweit nur im abgeschlagenen Mittelfeld "überleben". Auf dem gesamten Globus sind es immer die Frauen, die ausnahmslos länger leben als Männer. Die Wissenschaft vermutet, das läge an dem grundsätzlich gesünderen und weniger risikobereiten Leben, und auch daran, dass die zwei  XChromosomen den Ausschlag gäben, während uns Männern das immer wirkungsloser werdende Testosteron im Endeffekt Lebenskraft raube...

Wieso geben wird nicht einfach zu, dass das sogenannte schwache Geschlecht in Wahrheit das stärkere ist?

P.S. Honkong liegt in der Langlebigkeit an der Weltspitze, aber die Burg-Gemeinschaft hier dürfte sie noch toppen.

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