Donnerstag, 1. Juni 2017

Natur-Schutz

Heute mal ein wenig Blasphemie - bevor die USA möglicherweise das Pariser Umwelt-Abkommen einseitig aufkündigen.

Der Natur-Schutz ist ja viel zu spät zu einer Art heiligen Mission geworden. Was wieder einmal zeigt, wie hochmütig und arrogant sich das Menschlein über alles auf der Erde stellt. Wer schützt diese einfallsreiche Spezies eigentlich davor, dass die Natur zurück schlägt? Wenn die TV-Doku von National Geographic nur von halbwegs gesicherten Prognosen bestimmt wurde, dann hat sich ein halbes Jahrhundert nach dem Aussterben der Menschen, die Natur bereits den größten Teil der menschlichen Errungenschaften zurück erobert.

Wenn beispielsweise die Riesen-Caldera unter dem Yellowstone explodiert, was nachgerade täglich passieren könnte, dann hätte das ganze Gejammer über Gen-Mais und Bienen-Sterben gar nichts genutzt. Nur die Tiere der Tiefsee, die zum Beispiel teilweise sogar in vulkanisch erhitztem Wasser gedeihen, hätten eventuell eine Überlebens-Chance. Dann ginge die Evolution wieder von den Tieren im Meer aus. Wann sich die ersten wieder an Land begeben können, hinge einmal mehr von Äonen ab.. Ob sich dann noch mal Menschen entwickeln, die vielleicht vernünftiger sind, als ihre untergegangene, allwissende Spezies, ist ein interessantes Denkmodell.

Ich finde die Frage, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen wollen ebenso interesseant. Vor allem wenn es darum ginge, ob wir uns nicht eigentlich vor der Rache der Natur schützen müssten.

Hier im Tal fahren wir beinahe täglich an einer einst stolzen Winzerei vorbei. Vor Jahren hat angeblich der Erbe von Rocca San Nicolao krumme Dinger gedreht. Der edle Wein, dem wir gerne zugesprochen hatten, verschwand, weil das Weingut unter Kuratel des Staates gestellt wurde. Bis Gläubiger etwas davon bekommen, dauert es. Das haben wir hier schon öfter erlebt.

Allenfalls erbarmt sich jemand, die Stöcke zu beschneiden, aber damit hat sichs auch meistens. Den Rest holt sich jetzt die Natur nach und nach zurück. In den Asphalt-Spalten wurzelt allerlei Hartnäckiges. Die Auffahrt begrünt sich nach und nach wieder selbst, und manche Fester erinnern an Dornröschen



Da ist der Kampf gegen die Macht der Natur auf unserer Piazza noch harmlos. Die Fürsorglichste aller Ehefrauen liebt Buchsbäume, die sie umsichtig zu ebenmäßigen Kugeln beschneidet. In unseren Gärten in München stand gemessen am Markt-Preis ein Vermögen fest verwurzelt. Aber aus Sentimentalität haben wir ein halbes Dutzend nach hier mitgenommen und über die Terrasse und beim Hauseingang postiert. Anderthalb Jahrzehnte hielten sie durch, wuchsen und gediehen, dann schlug erst das Wetter zu. So geschwächt waren sie in der Folge ein gefundenes Fressen für den Hauptfeind aller Buchsbäume - den Buchsbaum-Zünsler.


Dessen Eroberungs-Feldzug ist beispielhaft für Schäden der Globalisierung. Abgesehen davon, dass Buchsbäume in Ligurien eher Friedhofs-Pflanzen sind, gab es hier oben gar keine. Unsere waren wohl die einzigen auf der Burg. Also wie hat der Zünsler, eine Art Motte, von unseren Kugeln erfahren?

Wie viele andere Schädlinge hat er innerhalb eines guten Jahrzehntes sein "Netzwerk" von nach Nordeuropa transportierten Pflanzen aus Ostasien über die Alpen hinweg nach Nord-Italien und dann auch noch weiter südlich ausgebreitet. Die nimmersatten Zünsler-Raupen sind Leckerschmecker. Nur die grünen Teile des Buchses sind ihnen recht. Die Fürsorgliche will wenigstens die beiden Wächter an unserer Haustür durch radikales Zurückschneiden retten. Aber mit der Gartenschere in  den Händen und der Sprühflasche zwischen den Zähnen wirkt sie irgendwie wie das "letzte Kommando".

Während ich sie unten auf der Piazza fluchen höre, lese ich im Internet, dass der "Italienische Wolf" sich rapide über den gesamten Ligurischen Appenin ausbreitet, weil sich die einst fast ausgestorbenen hiesigen Wildschweine mit nordeuropäischen gekreuzt dank der überall eingerichteten Sanktuarien vermehren wie die Karnickel. Rom hat jetzt das gleiche Wildschein-Problem wie Berlin.

Angeblich ist diese Mischrasse schon mit sechs Monaten fortpflanzungsfähig. Luftlinie von der Burg ein Kilometer nach Osten haben wir ja auch so eine Schutz-Zone. Den Pfad, den ich früher gerne beschritt, meide ich, seit mir eine dort oben lebende Nachbarin erzählte, dass sie eine unheimliche Begegnung mit einer Bache und ihren Frischlingen hatte...


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