Dienstag, 6. Juli 2021

Federlesens

Seit dem 16. Jahrhundert ist eine Redensart bekannt, die heute kaum noch gebräuchlich ist. Ich hole sie aber gerne aus der Versenkung:

Kein Federlesens machen!

Die ursprünglich Bedeutung war wohl, dass zwei aufeinander zugehen, ohne ihr Gewand vorher von Staub und Federn zu Befreien. Im positivem Sinne also: Man war sich ohne großes Ritual gewogen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Sprichwort in Ungeduld umgedeutet.

Ich möchte Federlesens heute zum Anlass nehmen, um unsere gefiederten Freunde mal wieder in den Focus zu nehmen. Denn aus der einst nahezu "vogelfreien" Burg ist in den zwei Jahrzehnten, die wir hier leben, ein ornithologisches Paradies geworden. Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen, die Arten bestimmen zu wollen. Mittlerweile ist mir das mit Hilfe verschiedenster, großartigster Apps zu einem Zeitvertreib geworden. Da gibt es akustisch die Vogel-Stimmen aus ganz Europa, und Wikipedia ist auch nahezu "update". Dass es solche gratis Bereitgestellten mittlerweile auch von italienischen Organisationen ins Netz gestellt werden, lässt mich glauben, dass sich die Einstellung zu den Gefiederten auch hier gründlich geändert hat. Allerdings hat unsere deutsch-italienische Bekannte aus dem Nachbardorf eine eher ernüchternde Analyse abgegeben:
"Es gibt bei euch hier nur mehr Vögel, weil alle weg gestoben sind, die noch auf sie geschossen haben..."

Wie groß das Interesse an unserer hiesigen Vogelwelt ist,
zeigte beim Vortrag im vergangen Jahr,
dass auch die Einheimischen nahezu vollzählig
ins Auditorium unserer Bibliothek kamen

Ich hatte mich schon oft gewundert, wieso drüben bei ihr auf der anderen Talseite die Ballerei meist immer noch mit Doppel-Knall zu hören ist. Je kleiner das Ziel desto mehr Schüsse braucht es eben.Dort werden sie offenbar verbotener Weise immer noch auf "spiedini" gesteckt.

Also kein Wunder, dass die alle zu uns herüber gewandert sind.

Momentan herrscht Brut-Hochbetrieb: Die Schwalbe unter Signora Idas Überbau sitzt vermutlich schon zum zweiten Mal auf ihrer Brut, während die zuvor schon Geschlüpften im noch fürchterlichen Zappel-Flug verzweifelt versuchen, es den geschmeidigen Mauerseglern gleich zu tun... Echt jetzt? Tandaradei? Bin ich Walter von der Vogelweide? Dass ich mich beinahe ins heischende Deutsch des Minne-Gesangs versteige?

Nö! ich bin ja gerademal soweit, diese Sprach-Malerei nach zu erleben, die mir vor langer Zeit eingepaukt wurde:

Tiriliert sie wirklich?
Egal, fü mich ist
ihr Gesang wunderschön.
Es sei denn, ich sitze auf der Bank
unter ihr und hindere sie daran,
ihrer Brut das Fliegen beizubringen.
Quelle: wikipedia
Tandaradei ist der Gesang des Nachtigall. Walter von der Vogelweide wusste eben noch nicht, dass bei dieser Spezies allein das Männchen singt. Bei der Blaumerle lag er richtig; die tiriliert. Tauben gurren, Finken schlagen, Elstern meckern oder schimpfen. Allerdings ohne Grund, denn mit den aktuell zahlreich bevölkerten Nestern ist für ihre Leibspeise bestens gesorgt. Nächtens hört man die Sperlings-Käuze pfeifen. Den dumpfen Ruf der Uhus habe ich heuer allerdings noch nicht gehört, obwohl mir ein Prachtexemplar beim lautlosen Start von unserer Dachterrasse schon einmal einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte. 

Aber schwirrten vor allem so viele Vögelchen um unser Haus herum, gäbe es die fürsorglichste aller Vogel-Mütter nicht? Jeden Tag füllt die Frau an meiner Seite den Vogel-Swimming-Pool auf der Terrasse zweimal mit frischem Wasser. So frequentiert ist der während der Hitze. Ganze Familien kommen da, damit auch die Kleinen lernen, sich ordentlich zu waschen. Ein Erwachsenes sitzt immer auf dem Sims, um Wache zu halten. Eine Dauerkarte scheint die Familie Bergstelz für die Saison gelöst zu haben.

Ich habe bei all der Planscherei versucht, ein  scharfes Foto von ihm beim Baden zu machen, aber ich bekam es nicht gesendet. Deshalb hier meine schon bekannte Tusch-Zeichnung als Platzhalter, bis ich den "Schnappschuss" gepostet habe:

Eine Aufnahme hat's dann innerhalb von 36 stunden doch noch geschafft:

Danke google.com!

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