Freitag, 23. Juli 2021

Das Eieruhren-Theorem


Am Ei scheiden sich trotz seiner eindeutigen Form weltweit die Geister. Und das hängt nicht nur mit der Frage zusammen, was zuerst da war: Das Huhn oder das Ei?
Ich gehöre zur Fraktion, die überzeugt ist, dass das Huhn zuerst da war und im Laufe der Evolution festgestellt hat, dass das lebend Gebären von fedrigem Nachwuchs mit Schnabel und Füßen nicht nur schmerzhaft, sondern auch auf Dauer zu unbequem war. Also kam es zu diesem Kalk-Container mit der geschmeidigen Form.

Seit es das Ei gibt, empfindet der Mensch diesen verpackten Embryo in gekochter oder gebratener Form als äußerst lecker  - es sei denn er ist Veganer der jetzigen Generation.


 Seit Eier unterschiedlich
groß gezüchtet werden,
ist die gute, alte
Eieruhr mit Quarzsand
 längst auch kein
Garant mehr 

In meiner Kindheit waren Frühstücks-Eier ein Luxus, den es nur sonntags gab, und bei der Lektüre von "Emil und die Detektive" lief mir jedes Mal das Wasser im Munde zusammen, wenn sich der Schurke auf der Restaurant-Terrasse "Eier im Glas" als etwas besonders servieren ließ. Ich weiß nicht mehr, wann das Ei bei mir seinen Sonderstatus verlor, aber es hing damit zusammen, dass Menschen meiner Umgebung mitunter an den Rand des Nerven-Zusammenbruchs gerieten, wenn das bestellte oder vom Partner fürsorglichst bereitete Ei von seiner Konsistenz her nicht den Erwartungen entsprach. Bei einem meiner Schwäger musste man sogar bereit sein, in Deckung zu gehen, denn der pfefferte es schon mal mit Schmackes durch die Gegend, wenn es ihm zu glibberig war...

Ob hart oder weich - diese Frage stellt sich bei uns schon lange nicht mehr: In München löffeln wir die Eier überwiegend weich, und hier schneiden wir sie hart aufs Brot. Was nur dann besonders Geschick verlangt, wenn es zu lange gekocht wurde und ein völlig bröckeliges Eigelb hat.

Ja, und da sind wir gleich mitten im Thema "Überraschungs-Ei": Denn die fürsorglichste aller Ehefrauen an meiner Seite will auch - wenn die Eier hart werden sollen - auf ihre lieb gewordene Eieruhr nicht verzichten. Die begleitet uns schon mehr als zwei Jahrzehnte aus der Auflösung unseres großen Haushalts in München.

Auch einer Leifheit-Eieruhr
schlägt mal das 
letzte Stündlein

Das zeitigt bei jedem Frühstück die bange Aussage: "Ich weiß nicht wie die Eier geworden sind. Die Uhr hat mal wieder nicht geklingelt..." Allenfalls brächte mich das in die Bredouille ob ich das Ei mit einem scharfen Schlag mittig halbiere oder pelle und in Scheiben auf mein "Kult-Brot" (Majonäse, feine Tomaten-Scheiben, Zwiebelringe, dann das Ei halbiert oder in Scheiben und schließlich Sardellen on top) lege. Aber so einfach komme ich nicht davon. Technische Dinge sind in unserer Ehe schließlich mein Ressort.

Seit meiner Kindheit bin ich ein leidenschaftlicher Manipulator von Dingen mit Federmotoren. Die Aufzieh-Loks meiner ersten Eisenbahnen tunte ich zum Beispiel derart als Kurzstrecken-Raser, dass sie bereits in der ersten Kurve von den Schienen flogen und ihre Dynamik schnell aushauchten wie ein auf dem Rücken liegender Maikäfer. Da wäre es doch gelacht, wenn ich diese - wie eine Muschel geschlossene Konstruktion (siehe rechts) nicht zum verlässlichen Funktionieren brächte...

Wiederholt zog ich unsere Eieruhr bis zum Anschlag bei  60 Minuten auf und stellte sie auf Eier-Kochzeit ein, und sie klingelte brav, wenn diese abgelaufen war. Die Fürsorglichste hat's halt nicht so mit der Technik.

Aber dann war bei mir die Pasta plötzlich Matsch, weil das Ding nicht geklingelt hat. Wo ich doch normalerweise sowieso die "Al-dente-Probe" mit meiner inneren Uhr und dem Holzlöffel mache. Wie ich also traurig in das morbide Nudel-Ergebnis guckte, sprang es mich förmlich an:

Das Eieruhren-Theorem:
Diese Eieruhr tickt doch eigentlich irgendwie im Rhythmus meiner letzten Jahre. Wäre mein Leben ab 60 jedesmal beschleunigt worden, indem ich es auf Anfang erneut aufgezogen hätte, kämen mir die 72+ unerreichbar vor. Mit dem Eieruhr-Theorem kann es mir aber fünf Minuten vor dem Ablaufen egal sein, wann und ob es überhaupt klingelt. - Ich hörte es ja sowieso nicht mehr...

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