Freitag, 16. August 2019

Konvolut von (fast) Vergessenem

Was machen wir, wenn eine lebenslange Freundin als Logier-Gast auf die Burg kommt? Wir räumen auf, bestellen die Putzfrau und rücken seit langem schiefe Dinge wider gerade.  - Nur damit die Dame nicht mitbekommt, wie wir eigentlich sacht aber stetig verschlampt sind. Gut, wir waren nie die Ordentlichsten, aber wir hatten auch mit der Dauer-Hitze noch nie so eine gute Ausrede, die Dinge schleifen zu lassen...

Nach gefühlten Äonen habe ich mir also den Regal-Schrank in meinem Büro vorgenommen. Der sah schon länger aus wir implodiert, aber ich sitze ja sowieso mit dem Rücken zu ihm. Hätte ich die Vigili del Fuoco zu einem Einsatz bestellen sollen? Weiß der Himmel, was ich mit dem Staub von Jahren da alles eingeatmet habe.

Das Aufzählen von Ersatzteilen für die Computer erspare ich den Leserinnen und Lesern, weil sie bestimmt gleiche Erfahrungen gemacht haben. Aber die schwere externe Festplatte, die ich Jahre als Backup für die Fotografiererei zwischen beiden Zentren meines Lebens transportiert habe, muss ich als typisches Beispiel doch noch erwähnen. Dank der Smartphones hat sich ja nicht nur das Foto als solches erübrigt, und die Clouds ersparen ja auch den Transport. Für alle Fälle hätte ich da aber noch einen winzig kleinen USB-Stick in meiner Akten-Tasche, der die doppelte Speicher-Kapazität der  Kilo schweren Externen hätte.

Aber das Konvolut der Überflüssigkeit, dieses Museum von Dingen, die man aus seinem Leben angeblich als Erinnerung aufheben muss, hat mich viel mehr aus der Bahn geworfen. Ich dachte, ich bräuchte solche Dinge eigentlich nicht, und dann stolperst du über das eine oder andere Artefakt. Obwohl mein Detail besessenes Gedächtnis mich nun  ja doch eins ums andere Mal im Stich lässt, war ich doch überrascht wie prägnant doch Erinnerungen durch Gegenstände ausgelöst wurden.

Ich habe nur eine kleine Auswahl der Dinge für ein Foto zusammen gerückt, deren wieder entdeckte Erinnerungswerte mich in Spielfilmlänge regelrecht überwältigt haben und aus dem kurzen Aufräumen ein Geschäft von Stunden machten.
Seht selbst:

Links vorne eine historische Schale für den zeremoniellen, gebutterten Tee in buddhistischen Klöstern.
Ein Geschenk des Lamas, der mich in der Entourage von Heinrich Harrer bei der Inthronisation
des zweit höchsten Lamas nach dem Dalai im Kloster Phiang (Ladakh) betreut hat.
Allerdings mit der Auflage, niemals mehr von Yak-Butter für den Tee zu sprechen,
denn das Weibchen (!) des Grunz-Ochsen heiße nämlich Tri....Das war 1979.
Ganz oben mein "Chinesischer Fremden-Führerschein" mit der Registrier-Nummer 2, auf den
ich heute noch stolz bin, weil das 1986 in einer Zeit war, in der sich die Volksrepublik China menschlich geöffnet hatte,
um dann wenig später diesem tragisch autoritären Turbo-Sozio-Kapitalismus zu verfallen...
Eine kurze Zeit lang siegelte ich aus Hochachtung vor der alte Kultur meine Privat-Post noch mit den chinesischen
Siegel-Farben aus den Porzellan-Schälchen. Die habe ich dann auch zu gehauchten Tusche-Bildern verwendet.
Und dann noch zwei Teile, die mich wegen ihrer schnell erlangten historischen Nutzlosigkeit geschockt
haben: Ein silbernes Lese-Zeichen mit einer Eule und meinen gravierten Initialen:
Ein Geschenk für den Viel-Leser, der die Seiten auf denen er im Lesen unterbrochen wurde, immer
mit "Eselsohren" versah!... Vielleicht  als Ermahnung gedacht? Doch dann kamen ja die E-Books.
Als "Edelfeder" habe ich mich selbst nie gesehen und ich bin auch nie so aufgetreten. Da hat mich mit dem venezianischen Geschenk wohl jemand auf den Arm nehmen wollen. Ja, und habe ich einen silbernen Brieföffner wirklich noch gebraucht,
da ich doch ein  engagierter Vorbote des "e-mail-Zeitalters" war?...

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