Freitag, 2. August 2019

Benno

Dass der alternde Mensch im Tagesablauf zunehmend von einem Zeit-Korsett gestützt wird, hätte ich in Ruhe an meinen Eltern studieren können, wäre ich nicht so voller jugendlicher Ignoranz gewesen...
Heute erwische ich mich gelegentlich dabei, wie ich darüber den Kopf  schüttle, wie sehr die Gewohnheit von der Tageszeit bestimmt wird.

Dann fragt meine Frau genervt: "Was schüttelst du denn wieder so stumm dein weises Haupt?"
"Weil ich dir gerade erzählen wollte, dass der Benno heute zehn Minuten zu spät dran war."
"Der heißt nicht Benno, sondern Fabrizio! Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?"

Schon schüttle ich erneut meinen Kopf, weil mir klar wird, wie verblödet meine Gedanken-Gänge sich entwickeln. Fabrizio kümmert sich von Berufswegen um den Borgo. Dreimal pro Woche, nämlich montags, mittwochs und freitags fädelt er blitzschnell seine Ape rückwärts in unsere Gasse, um die Mülltonnen unterhalb der Piazza zu leeren. Meist kann man die Uhr nach ihm stellen: punkt acht rollt er rücksichtsvoll im Leerlauf heran. Wenn er sich also mal verspätet, hat ihn vermutlich eine Sola oder eine Vedova oberhalb ins Morgen-Gebet genommen. Ja, der Benno ist nämlich auch ein attraktiver Mann mit einer äußerst wohlklingenden Stimme...

Benno ist auch mehr als ein Müllmann. Er schlüpft gelegentlich in einen weißen Schutzanzug samt Visier und Helm - wie in einem Hollywood-Film über eine Seuche, um Unkraut auszusensen oder die Ameisenplage zu bekämpfen. Auch wenn der Abfluss von der Fontana mal verstopft ist, sorgt er für Lösung. Vor allem aber ist er Klagemauer für alles, was sich die Bürger unten auf der Gemeinde nicht persönlich anzuprangern trauen.

In dieser Multifunktion habe ich mir daher versagt, von Fabrizio einfach nur als vom "Müllmann" zu sprechen. Es gibt einen deutschen Fußball-Trainer und Ex-Bundesligaspieler. Der heißt Benno Möhlmann. Von dem habe ich Fabrizios Pseudonym Benno der Einfachheit halber abgeleitet. Schräg - nicht?

Was haben wir in den zwei Jahrzehnten hier oben für einen Wandel in der Müll-Entsorgung erlebt! Stinkende, nur einmal pro Woche geleerte Einheits-Sack-Tonnen, die noch dazu in entlegenen Winkeln regelrecht erwandert werden mussten. Heute wird der Müll auf der Burg nicht nur mit entsprechenden Tonnen vorbildlich getrennt, Fabrizio hilft auch immer (also nicht nur einmal im Monat wie früher) gern bei sperrigen Teilen, die weg müssen.

Die Tonnen für unsere unmittelbare Nachbarschaft stehen sogar stylisch in einer Felshöhle unter der Piazza. Deshalb kann ich an den Geräuschen der Entleerung auch hören, wie die Zahl der scheppernden Flaschen als Folge des Alters-Alkoholismus immer höher und Plastik und andere "unverdauliche" Umverpackung in Folge des wachsenden Bio-Bewusstseins an Quantität immer geringer wird .

Und es ist natürlich so, dass der Fabrizio auch hier unten von den Ladys abgepasst und angesprochen wird. Es ist dann, als unterhielten die sich an meinem Bett. Das ist eine stets aktuelle Ergänzung zu den Nachrichten des Dorf-Funks und hülfe mir, auf dem Laufenden zu bleiben - wenn ich denn immer alles richtig verstünde...
Heute 7:58 Uhr: Operation Burg-Müll ist soeben angelaufen.
Fabrizio im Kampf-Anzug ist etwas früher dran,
weil die Burggeister am Vorabend auf der Piazza gefeiert haben.
Rete Castello (Sanna auf dem Bild palavernd hinter der Ecke) meldete erhöhtes Aufkommen leerer Flaschen.
Beim Repetieren der Kirchturm-Uhr ist der Einsatz bereits wieder vorbei

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