Samstag, 13. Mai 2017

Eine Frage der Perspektive

Isabel Allende hätte hier viel zu schreiben. Mittlerweile wird "unsere" Piazza von nicht weniger als sechs Geisterhäusern eingerahmt. An unserer Anwesenheit liegt es nicht, denn fünf von denen standen schon leer, als wir in den Borgo zogen, und das sechste wird nicht fertig, weil die Eigentümer des ehemaligen Speichers (nun Ferienwohnung in spe) für die Treppe, die uns gehört,  nur ein "diretto di passagio" ( Begehungdrecht) haben, das sie uns durch hässliche Bretter-Verschläge  madig machen möchten. So ist das hier, wenn der Nachbar dem Frömmsten nicht das friedliche Leben gönnt.
Da hat der Schiller schon mal wieder recht gehabt.

Der 84jährige, der aus dem Fenster Stieg
und immer nonstop
vom Deutschen Norden
hierher düste, will nun doch verkaufen
Von einigen  der Geisterhäuser weiß ich Geschichten (im ganzen Borgo dürften es mehr als zwei Dutzend sein). Doch Vorsicht! Manche werden - wie hier üblich - in dramatischen Variationen geschildert und müssen doch nicht stimmen. Als Schreiberling suche ich mir natürlich die Knüller aus, selbst wenn es Fake-News sind. Die Eigentümer können oft nicht befragt werden, weil sie dem Anschein nach ein anderes Leben führen und die Hype um den Verkauf der Häuser um die Jahrtausend-Wende hier verpasst haben. Nach der Banken-Krise haben sich die Preise für "mittelalterliche Bruchbuden" deutlich relativiert. Und jetzt vor dem Platzen der kaum noch einzudämmenden Italienischen Immobilen-Blase stürzen die Erwartungen der Erb-Spekulanten ins Bodenlose... Welchen Häusern, die zum Teil in ihren Fundamenten aus dem 15. Jahrhundert stammen, wann die Stunde schlagen wird, bleibt also ungewiss...

Ein paar wenige wie Gianni, der immer noch so tut, als gehöre der riesige Besitz seiner Frau ihm, werkeln "Frei-Schichten" an diversen Objekten auf der schattigen Ost-Flanke des Borgos. Das wiederum aktivierte den mittlerweile auch nicht  mehr jungen, aber einst viel jüngerem Liebhaber der ehemaligen Gymnasial-Lehrerin. Für  eine lange Zeit vergessene Fasche unter dem Grundstück einer neuen Besitzerin fiel ihm ein, für deren bröckelige Stützmauer Regress zu verlangen. Doch die vermeintlich reiche Schweizerin in die Pflicht zu nehmen, dürfte nicht einfach werden. Da alle aus der alten Mauer "gefallenen", dekorativen Quader (siehe mein Manuskript "Luftschloss" auf "Der Burgschreiber") längst woanders verbaut worden sind. Pech für Daniello, dass die baumlange Schweizer Spitzen-Managerin auch noch fließend Italienisch spricht und von Berufs wegen weiß, dass derlei untergeordnete Rechtshändel beim bekannt rasanten Tempo der Italienischen Justiz, sogar die Jugendlichkeit dieser eidgenössischen Amazone bis zu deren Greisen-Alter überdauern wird.


Es ist eben alles immer eine Frage der Perspektive:
Der Kletter-Jasmin, der mich
jedes Frühjahr in meinem Büro
besuchte, ist tot, verstarb
an Wasser-Not
Wenn unser Musikprofessoren-Ehepaar zwecks Gartenpflege im Turiner Haus weilt, sind wir hier allein;  Deshalb "unsere" Piazza.
Bestlage mit Panorama-Blick auf den
Burgplatz und die Feste der Burggeister
an der Fontana
Und wenn sie da sind, freuen wir uns über die Live Stereo-mit beachtlicher Klasse: ihre jazzige Stimme von Alt bis Mezzo-Sopran und seine Fähigkeiten am Klavier. Da würden Musik-Liebhaber für ein Piazza-Konzert dieser Qualität hier auch freiwillig zahlen
Da Beweglichkeit und Kraft, die mich mein ganzes Leben angetrieben haben, sich leider die Tür zum Abschied in die Hand gegeben haben, genieße ich derzeit (hoffentlich!!!) die kurzen Wege zwischen meinen diversen Perspektiven. Das ist von jedem Sitzplatz ein neuer Augenschmaus.Wer sehen kann, bezieht die Kraft auch daraus.






Gekauft, ohne zu wissen, dass ein Brand
die Sandstein-Quader innen
unanstreichbar gemacht hat?
Kräftig ohne Bau-Genehmigung
gegen das Begehungs-Recht
gebaut. Seit Jahren aus
Sturheit Stillstand


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