Donnerstag, 4. Mai 2017

Das stille Dorf

Ist es Lärmempfindlichen tatsächlich gelungen der Campana unserer Hauptkirche einen Dämpfer zu verpassen? Von 12 Uhr bis sechs in der Früh ist das ansonsten mächtige Geläut, das einem im Unterbewusstsein so schön die Stunde schlägt, kaum noch zu hören. Das hat auch nichts mit Alters-Schwerhörigkeit zu tun, denn den stets liebeskranken Esel unseres Holzhändlers hören wir vom Tal herauf Iiiaaaen.

Nach der Oster-Hype und Temperaturen, die vor allem Nachts gar nicht zum Frühling passen, herrscht gespenstische Ruhe hier oben in Castello. Laut den abgereisten Nachbarn haben unsere Mauersegler nach kurzer Rast erstmal Afrika-Tickets gelöst, und außer einer neuen, noch nicht bestimmten Art von Kleinst-Piepmätzen deutet nichts auf Vogel-Hochzeiten hin.

Bei der Bürgermeisters-Witwe unterm Gassen-Übergang, den wir Seufzer-Brücke nennen, nistet eine einsame Schwalbe. Sie setzt uns davon in Kenntnis, dass das Sprichwort, eine Schwalbe mache noch keinen Sommer, auch abgewandelt auf den Frühling in Italien üblich ist:

Una Rondine  non fa primavera!

Dass die Alten (zu denen wir ja auch gehören ) bei Regen und Scirocco nicht gerne aus dem Haus gehen, ist klar. Der Glutwind aus der Sahara braust über das immer noch kalte Meer heran und treibt die Feuchtigkeit in die Täler Hoch. Ein Phänomen der letzen Jahre, in denen der März hier wärmer war als Mai und Juni-Anfang.

Trotz des rauen Wetters sind bisher keine Todesfälle zu beklagen. Selbst der 93jährige Don Marino, der bei unserer Abreise vergangen Herbst nur noch Haut und Knochen war, marschiert mit deutlich mehr Gewicht und Lebenskraft wieder an der Seite des Pfleger-Neffen zwischen seinen Häusern hin und her.

Der einzige, der dem Sensenmann wirklich gerade noch von der Schippe gehüpft ist, war unser Nachbar Vittorio. Nach jahrelangem Rumtuckern mit der Ape, war er Handgas und Lenker leid und hat sich ein funkelnagelneues Auto angeschafft. Beim Herunterfahren auf der tückischen Konsortiums-Straße verwechselt er kurz vor der Haarnadel-Kurve  Gas mit Bremse und kracht den Steilhang herunter, der Wagen Total-Schrott. Als Nachbarn ihn unverletzt aus dem Wrack ziehen, war er schon wieder ganz der Alte. Er brauche jetzt  erstmal eine Zigarette meinte der Bruchpilot lapidar. Aber irgendeinen Einfluss hat das Ereignis doch auf ihn gehabt. Seine weiße, nun immer gepflegte Mähne trägt er jetzt schulterlang. Das gibt ihm etwas Künstlerisches, Existenzialistisches...

Die anscheinend alterslose Seelen-Sammlerin wird übrigens demnächst 80. Da sie so gut wie drei Generationen streng durch die Sonntagsschule gebracht hat, wird hoffentlich ein großes Fass aufgemacht, damit wieder Leben ins Dorf kommt.

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