Donnerstag, 7. Juli 2016

Vom Glück der Tiere

Es sind die letzten stillen Tage auf der Burg. Erste Ferienhäuser sind weiter unten schon bezogen. Auf der Piazza herrscht ein lautloser Frieden, in dem man nur das Rauschen des Blutes im Ohr vernimmt.
Gestern war noch reger Flug-Betrieb  und Mords-Gezeter, weil das Schwalben-Pärchen, das erstmals seit Jahren wieder ein Nest im Torbogen an die Decke geklebt hat, mich für einen großen Kater hielt. Während der ersten Flugstunden ihrer vier Kleinen, wurde ich hektisch attackiert. Mitunter kamen sie bis auf zehn Zentimeter an meinen Kopf heran. Dann merkten sie wohl, dass ich ihnen nichts Böses wollte. Heute ist die Familie verschwunden. Soviel zum Sprichwort eine Schwalbe macht noch keinen Sommer...

Lazaro, der Piazza-Kater, schleicht müde um die Ecke und schaut mich an. Zeit für eines unserer stummen Gespräche:
"So viele Vögel in diesem Jahr, und du beachtest sie kaum mehr."
"Was willst du? Ich bin alt, Vittorio stopft mich mit allerlei Leckerbissen voll. Ich habe endlich mein Winterfell abgerubbelt und möchte eigentlich den ganzen Tag schlafen."
"Warum tust du es dann nicht?"
"Weil ich ja eigentlich Wache halten muss, so lange Vittorio nicht hier ist."
"Aber ich bin doch da."
"Ja. Deshalb bin ich ja hier. Wenn du im Schatten auf der Piazza sitzt, kann ich mich mal so richtig durchstrecken, Putzen und dann auf der Bank unter der Hortensie ein Schläfchen machen."
"Bist du ein glücklicher Kater. Hast du ein Glück, so ein Herrchen zu haben."
"Was ist Glück? Meinst du meinen vollen Bauch, das Herumstromern, das Schlafen in deiner Nähe, und dass ich nachts im Haus von Vittorio vor den jungen Flegeln geschützt bin? Das ist mein Leben. Da brauche ich kein Glück, oder was immer ihr Menschen darunter versteht."

Spricht's, hüpft auf die Bank, streckt sich ausgiebig und schläft Sekunden später den Schlaf der gerechten Kater.
In mir steigen jede Menge Fragen hoch:
Was, wenn Tiere gar kein Glück empfinden können?
Wenn deren Reaktionen wie Schnurren, mit dem Schwanz wedeln, Hände und Gesicht abschlecken nur Projektionen unseres Verlangens nach Glück sind? Unsere Handlungen und Bestrebungen, sie zu schützen und artgerecht zu halten, vor allem der Beruhigung unseres schlechten Gewissens dienen, weil wir sie domestiziert haben oder ihres Gesanges wegen in Käfigen halten?

Als wir vor mehr als anderthalb Jahrzehnten auf die Burg kamen, gab es hier kaum Vögel, weil sie wegen der Aussicht auf einen mageren und kurzen Grill-Happen von den Alten aus dem Himmel geballert wurden. Die diesjährigen Vogel-Generationen haben davon keine Ahnung mehr. Sie flattern und segeln lustvoll durch die Lüfte und müssen nur noch das neue Falken-Pärchen fürchten. Sie wissen gar nicht, was für ein Glück sie haben!
Je glücklicher das Rind, desto leckerer das Steak.
Was für eine Glück - für uns Menschen!

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