Montag, 4. Juli 2016

Die Kraft der zwei Herzen

Über Fußball wollte ich eigentlich nie mehr schreiben. Ende der 1970er habe ich damit aufgehört. Als Experte war ich bei den Kollegen dennoch gefragt, weil ich damals unter anderen Fußball-Büchern Co-Autor der "Fußball-Weltgeschichte" war. Im Stadion war ich allerdings nur während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974.

Wieso ich jetzt das Bedürfnis habe, noch einmal über Fußball zu schreiben, hängt mit der Rasen-Schlacht vom vergangenen Samstag zusammen, die ja an Emotionalität nicht zu überbieten war.
Italien gegen Deutschland, und erstmals, seit ich hier auf der Burg lebe, gingen die Deutschen als Sieger vom Platz.

Am Vormittag des Spiels war es Hauptthema auf dem Markt, in unsrem Lieblings-Restaurant am Meer, wo eine große Gruppe Deutscher  unseren Stammplatz belegt und quasi ein Wettbüro ums Essen eröffnet hatte. Aber das Dauer-Gequatsche diverser Lokal-Sender über das vorweg genommene Endspiel ließ alles hinter sich. Fußball ist viel wichtiger als die aktuelle Weltlage?

Ich weiß nicht, wie oft ich zum etwaigen Ausgang des Spiels gefragt worden bin, aber ich hatte eine tolle Antwort parat. Come sempre! Italien wird jemanden haben, der im entscheidenden Moment die Fehler der Abwehr in der Deutschen Elf nutzt.

Ob ich denn gar nicht für die Deutschen sei? Das war dann schon zu viel für mein mangelhaftes Italienisch. Wie sollte ich erklären, dass es in der Zeit, als ich Jung-Reporter war, eine unausgesprochene Regel gab, dass auf der Presse-Tribüne weder Partei ergriffen noch applaudiert wurde. Heute, da selbst TV-Reporter ihren Emotionen parteiisch freien Lauf lassen, ist das nur noch schwer zu verstehen.

Ich kapierte ja selbst nicht, wieso dann während des Spiels mein Puls nicht raste, und auch beim Elfmeter-Drama keine Enge in meiner Brust entstand.

Zwei Tage danach weiß ich es. Ich wäre auch mit einem Italienischen Sieg einverstanden gewesen, denn aus meiner Sicht habe ich eine bessere Squadra Azzurra gesehen, als bei den gewonnenen Weltmeister-Titeln. Dass Gigi Buffon den letzten Elfer durch rutschen ließ, ändert nichts an seiner legendären Laufbahn. Es ändert auch nichts, dass der DFB-Elf trotz ihrer Überlegenheit, wieder einmal gegen Italien die mentale Leichtigkeit gefehlt hat, die sie beim WM-Spiel gegen Brasilien mit dem 7:1 demonstriert hatte. Die sogenannten älteren Herren der Squadra waren so fit wie die jüngeren Deutschen. Mitunter schienen jene dann allerdings vor deren geballter Erfahrung wie paralysiert.

Bis zum Endspiel stünde so noch ein harter Weg bevor, weil Frankreich diese Kreativität nun offenbar hervor gezaubert hat. Fraglich ist allerdings, ob ich dieses Halbfinal-Spiel genauso cool sehen kann. Denn da fehlt mir dann ja die Kraft der zwei Herzen, die nun mal für Deutschland und Italien gleichermaßen schlagen...

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