Dienstag, 26. Juli 2016

Die Damen auf den Dächern

Es ist immer wieder faszinierend, wie das oft totenstille mittelalterliche Gemäuer innerhalb weniger Tage von einem heiteren Dorfleben erfasst wird. Das gilt besonders in diesem Jahr, da meine Freundin Petronella nach zehn Jahren  Zusammenleben und zwei Jahren Verlobungszeit (mit zauberhaftem Diamant-Ring) am Samstag ihren Marcellino heiratet. Beide sind jetzt 50. Marcellino stammt ja von hier, aber die in Neapel geborenen sechs  Geschwister Petronellas hat das Leben in viele Teile der Welt verstreut. Alle kommen  aber, um das "Küken" unter die Haube zu bringen.

In der Hochsaison ist ihre Unterbringung auf der Burg Marketender-Arbeit, denn die Nichten und Neffen sind auch dabei. Wir haben in unserem Haus Quartiere angeboten, weil ich mich geehrt fühle,dass Marcellino mich zum Trauzeugen auf dem Standesamt erkoren hat. Aber das wollte Petronella nicht, obwohl ich ja eine Art Ehestifter war. Stattdessen versorgen wir sie jetzt mit Matratzen für ihr geplantes Jugend-Schlaflager. Eine Gaudi wird das allemal, wenn es ans Versorgen der Sippe geht.

Aber die Alten erzählen, dass Geschichten belegen, es sei von jeher nicht anders gewesen. Die letzte Trauung allerdings, die wir auf der Burg als Zaungäste miterleben durften, liegt gut zehn Jahre zurück. Das Brautpaar wurde damals auf der Piazza für die Fotografen in Positur gestellt.

Sollte sich aber das Heiraten in den reiferen Jahren hier oben, als Trend erweisen, dann gäbe es noch einige Paare ohne Trauschein, die für eine Belebung des Heiratsmarktes sorgen könnten...

Einmal habe ich ja schon geschrieben, dass durch die engen Gassen hier ein Schall-Körper ensteht, bei dem die Quelle der jeweiligen Geräusche nicht zu orten ist (glücklicher Weise...). Da hört man das Geklapper von Geschirr und denkt es sei von Nebenan, dabei kommt es von unten aus der Gasse. Da ich die meisten Stimmen der Einheimischen mittlerweile kenne, und auch ihre Schritte zuordnen kann, gerate ich jetzt, da die Einwohner-Zahl des Borgos sich sicher vervielfacht hat, immer mehr in Schwierigkeiten, alle zu zu ordnen.

Die Damen auf den Zinnen und Dachterrassen stehen da drüber. Sie unterhalten sich einfach über den Lärm hinweg von Dach zu Dach. Selbst unsere anfänglich ein wenig schüchterne Gesangs-Professorin hat das mittlerweile für sich entdeckt. Das Persönchen mit dem gewaltigen Stimm-Umfang nützt ihre Hohen Fenster, weil sie von ganz oben nicht sprechen möchte. Sie hätte ja auf dem zentralen Gebäude einen "Wehrgang" mit 360 Grad Rundum-Blick. Aber sie will wohl von oben herab nicht sprechen. Für den Dialog mit meiner Frau öffnet sie das Südfenster, mit Marlies, der vielsprachigen Ex-Reiseleiterin mit dem glockenhellen Lachen, das nach Osten. Sie macht dabei so einen guten Eindruck, dass man eigentlich mal wieder über eine Päpstin nachdenken sollte.

Meine Frau hat auf unserer Dach-Terrasse die Möglichkeit, an diesen Gesprächen teilzunehmen, was sie häufig nutzt, vor allem, wenn die Generalin Ina da ist, deren Haus ein wenig abseits der Piazza liegt, aber eine Terrasse an unserer Ostseite hat. Einfach nur Wäsche aufzuhängen, wäre ja auch langweilig.

Ach für mich hat das unten auf meinem Schatten-Platz fantasievollen Nutzen: Ich stelle mir die Damen in passenden mittelalterlichen Kostümen vor - und begebe mich auf eine Zeitreise...

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