Sonntag, 31. Mai 2015

Campanologie

Was einem alles so durch den Kopf geht, wenn der Nebel einen umhüllt und man so in den Sonntag-Morgen hinein döst... Seit Tagen überwiegen´hier oben die Wolken und es ist für die Jahreszeit immer noch zu kalt. Wir könnten ans Meer hinunter fahren, aber Sonntag ist nun einmal unser Ruhetag, an dem wir uns vom Rentner-Stress der Woche entspannen. Auslöser waren die Telecom und die Elektrizitätswerke der ENEL.

Nach einem Monat haben wir endlich wieder Telefon. Zum Schnäppchen-Preis habe ich eine neue Schnurlos-Anlage gekauft, damit wir auf jedem Stockwerk eine Station haben. Aber wir haben jetzt wieder die alte Nummer aus Analog-Zeiten, an der einst unser Fax hing. Die Folge: Alle, die die bisherige Nummer wählen, kommen nicht mehr durch. Da unser Wohnzimmer zudem ganz oben ist, empfängt die obere Station mitunter wohl den Funkverkehr der auf einem Nachbarberg gelegenen Nato-Funkstation wenn jemand vom Handy anruft.  Oder ich habe falsche Schlagwörter in meinen Blogs benutzt und werde bereits von der NSA abgehört.

Vor über einem Monat waren wir zu dritt im Punto-ENEL, um den Strom zurück zu bekommen, den der Stromversorger eindeutig durch eine Reihe von eigenen Fehlern zu Unrecht abgestellt hatte. Dank Alicia als Übersetzerin sagte die nette Dame am Schalter dass nun alles automatisch seinen Weg gehe. - Also auch das Inkrafttreten des neuen Vertrages, der uns aufgezwungen wurde. Pustekuchen! Einerseits gab es eine erneute Mahnung und andererseits wurde uns ein zigseitiger Vertrag zugeschickt, den wir auch nicht kapierten, wenn er komplett in richtigem Deutsch verfasst wäre...
Wie die Italiener sich da immer noch Witze über Deutsche Bürokratie erzählen?

Aber - wie eingangs erwähnt - jetzt ist Entspannung angesagt. Das geht gut im gedämpften Morgengrauen, aber von Lautlosigkeit kann nicht die Rede sein. Denn die Mauersegler sind ohne Nebel-Leuchten bereits auf der Jagd und stoßen ihre spitzen Schreie aus. Dann klappert die "Seelensammlerin" auf den festen Absätzen ihrer Sonntagsschuhe zur Vorbereitung der diversen Gottesdienste hinunter zur Kirche.

Wenig später geht das Gebimmel der Kirchenglocken rund ums Tal los und führt zu physikalischen Überlegungen zum Thema Schall. Alles vergessen, was ich mal im Unterricht gelernt hatte! Gut, dass mein Tablet neben dem Bett liegt:

Also der Schall ist im Nebel weder schneller (wegen der Feuchtigkeitsdichte) noch langsamer (wegen der Mikro-Wassertropfen). Er wird lediglich gedämpft. Tiefe Töne dringen deutlicher vor als hohe Frequenzen. Dass wir auf dem Berg sind, vier der acht Kirchen, die wir vernehmen könnten, aber im Tal liegen, spielt auch keine Rolle. Der Schall wird allerdings in warmer Luft um bis zu zehn Kilometer schneller. Und gestern hatten wir auf den 500 Metern Höhenunterschied eine Temperatur-Spanne von über zehn Grad.

Die Distanz und der Temperatur-Unterschied zwischen den Kirchen und unseren Ohren führt also dazu, dass uns das automatisch eingestellte Geläut zeitversetzt trifft. Wenn dann noch eine der kleineren Kapellen mit ihren Glöckchen manuell dazwischen bimmelt, kommt es zu Dissonanzen...

Da fällt mir dann im Dahindösen ein köstlicher Krimi ein, bei dessen Lektüre ich erstmals über den Begriff Campanologie stolperte. War natürlich ein britischer. Die vermeintlichen Euro-Separatisten von der Insel machen ja aus nahezu allem einen regelrechten Wettbewerb. Die Campanologie bezeichnet ja nicht nur die Glockenkunde, sondern auch die Kunstfertigkeit beim manuellen Läuten von aufeinander abgestimmten, auseinander liegenden Gotteshäusern. In dem besagten Krimi geht es um die britische Meisterschaft, und es kommt zu Disharmonien, weil in jedem Sprengel auf einmal die Amateur-Glöckner unnatürlich dahin scheiden...

Bei den automatischen Geläuten hilft solche Hinterhältigkeit natürlich nicht. Deshalb üben wir uns in Geduld. Ist ja nicht alle Tage Sonntag, Und irgendwann scheint die Sonne auch wieder heiß aus einem azurblauen Himmel.

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