Sonntag, 24. Mai 2015

Tele-Gen

Vorsicht Satire!

Nach all den Jahren geben mir die Menschen in meiner zweiten Wahlheimat Ligurien immer noch Rätsel auf. Das macht sie in meinen Augen einfach liebenswert. Nach Meinung ihrer übrigen Landsleute sind sie allerdings maulfaul, unfreundlich und auch geizig.

Das kann ich so nicht unterschreiben. Ganz im Gegenteil. Nichts von dem, was meine Freunde im nördlicheren Italien mir einst an Warnungen zuraunten, ist bislang eingetreten. Selbst hier oben in den Bergen nicht.

Gestern war ich  - wie üblich - auf dem Markt. Die Smartphone-Dichte ist dort so, dass die Arie "La Donna È Mobile" nicht nur auf das mobile Telefonieren umgedichtet, sondern ganz bestimmt auf die männliche Bevölkerung ausgedehnt werden müsste.  Und die vergangenen Starkwind-Tage haben die Damen auch nicht "wie Federn" davon geweht.

Da wird im Menschen-Pulk am Telefonino geplappert und geschnattert, was die Netze hergeben. Alles ist dennoch im Fluss - es sei denn, einer entdeckt einen Gesprächspartner im Gedränge, mit dem man auch direkt reden kann. Dann gerät der Verkehr ins Stocken.

Da werden die Typen, die im Straßenverkehr stets so ungeduldig sind, dass sie an unübersichtlichen Stellen bei stärkstem Gegenverkehr fächerförmig überholen, die Ruhe selbst. Unsere Busfahrer, die auf den engen kurvigen Straßen hier oben einen durchs Tal schallenden Lärm machen, un anzuzeigen, dass sie in puncto Rangieren ganz bestimmt keine Rücksicht  auf normale Autofahrer nehmen, entwickeln eine Engelsgeduld wenn sie auf Linie am Depot einen rückkehrenden Kollegen treffen. Mit dem wird dann von Fahrer-Fenster zu Fahrer-Fenster ein Pläuschchen über das letzte Spiel von Sampdoria Genua gehalten - egal wie viele Autos sich hinter ihnen stauen.

Eine ähnliche Situation ergab sich gestern zwischen den Ständen an einem neuralgischen Knotenpunkt vor dem Ost-Eingang der Markthalle. Ein gut fünfzig Jahre alter Mastroianni-Typ sprach intensiv auf eine anderthalb Köpfe kleinere, in Ehren gereifte Blondine ein, und man konnte sehen, dass es ganz bestimmt nicht um aktuelle Marktpreise ging. Dazu waren die Blicke allzu verheißungsvoll. Pech nur, dass sie sich glühenden Blutes derart diagonal in den Durchgang gestellt hatten, dass es kein Vorbeikommen gab.

Wer jetzt gedacht hätte, es gäbe ein lautes Gemecker der Aufgehaltenen, weiß nicht, dass Amore in Italien überall precedenza hat. Also wurde auf beiden Seiten mindestens eine Minute Geduld geübt, bis eine ältere Donna den Kopf vor Ungemach wiegend ein leises permesso raunte.

Sofort wichen die beiden wie ertappt auf meine Seite am Käse-Stand. Mit mir in der Mitte die Rücken einander zugewandt zückten beide ihre Smartphones. Ich konnte also wirklich nicht anders, als zu zu hören:

"Ciao Caro! Mir kommt was dazwischen. Fahr doch schon allein zu Mama!"
"Ciao Bella Joya! Ich muss noch jemandem etwas besorgen, warte nicht mit dem Essen auf mich!"

So jedenfalls habe ich das mit meinem Speisekarten-Italienisch verstanden, bevor sie Händchen haltend in der Menge verschwanden..., 

Auf der anderen Seite der  Markthalle ist eine kleine Cafetaria, in der der Capuccio noch 1,20 Euro und das Aprikosen-Brioche nur 90 Cent kostet. Da warte ich häufig, wenn die "Zweitbeste" sich wieder einmal nicht entscheiden kann. Da das sehr häufig vorkommt, habe ich dort mittlerweile einige Gesprächspartner.

Einer von ihnen war oder ist Dekan am hiesigen Uni-Ableger von Genua. Ich weiß nicht, ob er spinnt, aber er experimentiert angeblich auf seinem Fach-Gebiet "Genetische Telekinese". Und das verstehe ich schon richtig, denn er spricht sehr gut Deutsch, weil er am Max-Plank-Institut in München gearbeitet hat.

Ich erzähle ihm natürlich von der Begegnung der beiden heimlich Liebenden. Er antwortet mir mit einem Vortrag, nachdem seine Forschung einst dazu führen wird, dass Menschen mit organischer Kommunikation auf die Welt kommen, um dann richtig heimlich tun zu können. 

Da kann ich mir nicht verkneifen, auf der Serviette einen Kopf zu zeichnen, der im einen Ohrläppchen ein Mikro und im anderen den Receiver aus organischem Material hat.


"Ecco, genauso wird es sein."

Ja, wieso eigentlich nicht?   Landsmann Guglielmo Marconi, der Radio-Pionier, wurde ja auch anfangs belächelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen