Donnerstag, 7. Mai 2015

Update

Es ist nicht so, dass einer auf der Burg der Realität gänzlich entfliehen könnte. Mitunter muss der Zauberberg für profane Anlässe oder wegen eines Restaurant-Besuches verlassen werden. Womit der Blogger schon mitten drin im Thema wäre:

Vier unserer häufig frequentierten Restaurants am Hafen haben im letzten, wohl auch hier recht harten Winter, dicht gemacht. Darunter das Älteste sowie das Ruhmreichste. Irgenwie ahnten wir bei beider nachlassender Qualität zu den stagnierend hohen Preisen und lustlosem Service, dass das mit den leeren Tischen nicht lange gut gehen könne.

Abbiamo una crisi sagen die uns bekannten Wirte der überlebenden Trattorien. Unsere Freundin Carolina zum Beispiel hat ihre "altitalienische" Mittagsabstinenz für das Backen von Holzofen-Pizza aufgegeben, serviert eine überdurchschnittliche Qualität, die wiederum als Marketing für alle anderen ihrer Speisen dient. Der Laden ist stets gerammelt voll, und es bedient seit längerem ein gleichbleibend freundliches Personal.

Aber so einfach ist es natürlich nicht. Auf dem Weg zu meinem Boot in San Lorenzo sehe ich an immer mehr wirklich interessanten Objekten Vendesi-Schilder. Das hat es bei Meer-Lagen in all den 15 Jahen noch nie gegeben. Und ich ahne auch, dass unser im vergangenen Jahr noch gerammelt volles Häfchen  nicht allein deshalb so viele leere Liegeplätze aufweist, weil die meiste Eigner ihre Boote in die sauteuren Winterlager transportiert hätten. Man wird sehen, ob sich daran in den nächsten Wochen etwas ändert...

Zurück auf dem Burgberg sind wir dann immer dankbar, wenn eines der Hauptthemen des Dorftratsches die neue Farbe an unserem Haus ist. Aber auch hier hat es wohl spektakuläre Verkäufe gegeben. Vor allem wollen wohl die Schweizer der Euro-Parität ihres Franken und den absurden Preisen in ihrer Heimat entrinnen.

Irgendwie erinnert mich der Borgo in dieser Übergangszeit an einen Uralt-Computer der elend lang hochfährt. Allerdings, ohne dass die alten Gemäuer an irgend ein Netz oder eine Energie-Quelle angeschlossen wären. Alle Programme folgen den Befehlen der Natur. Das Update erfolgt durch die permanent hier Wohnenden.

Wenn die Mauersegler und Schwalben ihre Kreise ziehen, und über ihnen die Rauhfuß- und  Mäuse-Bussarde rütteln oder mit ihren schrillen Schreien lauernd durch die Thermik gleiten, wächst die Hoffnung auf laue Abende. Sobald die Einwohner vor die Tür gehen, beginnt der Draht- und Antennen lose Dorf-Funk mit seinem Programm. Deshalb kann ich diesen Sender auch nicht Rete Castello nennen, wie ich das ursprünglich in der Überschrift tun wollte.

Spargere la voce geschieht hier nicht aus Klatschsucht, sondern in Form "wichtiger", ungefragter Updates, wie wir das mittlerweile von unseren Computern ja auch gewohnt sind. Vier Damen und zwei Herren laden die Neuigkeiten, Gerüchte und Gemeinheiten unter dem Siegel der Verschwiegenheit hoch, um gleich in der nächsten Gasse, das wieder zu geben, was sie soeben von den Neuankömmlingen erfahren haben.

Petronella - wegen ihrer Freundschaft zu mir - selbst jahrelang Ziel gemeiner Unterstellungen, rächt sich heute mit einem Trick, den sie meinen Burgbriefen entlehnt hat. Sie gibt den Köchen der Gerüchteküche deutsche Nachnamen.

So gibt sie Brandbeschleuniger in einen schwelenden Nachbarschaft-Streit, indem sie erzählt, dass Falco Schmidt, der betagte Ehemann von Giovanna Schmidt, einer missliebigen Single-Frau nächtens in die antike Brunnenschale gepinkelt hätte. Der letzte der verbliebenen Ruinen-Baumeister, Giuseppe Müller, der immer so tut, als könne er den gesamten Burgberg kaufen, bekäme in Wirklichkeit von seiner Frau gerade mal eine Minimum an Taschengeld zugewiesen...

Diese kleinen Nicklichkeiten können leider nicht darüber hinweg täuschen, dass es auch ernst zu nehmende Reibereien gibt. An der oberen Piazza wollte eine Einheimische einfach aus zwei kleinen Balkonen einen großen machen, vergaß aber, bis sie fertig war, dass sie jahrelang die Leute im gegenüber liegenden Haus mit Anzeigen bei der Gemeinde gepiesackt hatte. Umgehend musste sie alles wieder wegreißen und eine saftige Strafe wegen Verstoßes gegen die geltenden Bauvorschriften zahlen.

So etwas widerfuhr aber auch zwei deutschen Großhaus-Besitzern, die sich nicht grün waren. Der eine hatte sich einen Vorbau in Eigenarbeit geleistet, der dem anderen Streithahn nicht passte...

Man möchte eigentlich gar nicht alles wissen, und auch jedes Update braucht man doch wirklich nicht.

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