Dienstag, 19. Mai 2015

Verlorene Eier

Da der Hummer zum Text-Beginn fehlt, werden dauerhafte und dadurch kluge Lesende dieses Blogs erahnen, dass es weder um ein Rezept für pochierte Eier noch um die zunehmende Alters-Angst des Autors geht. Vielmehr bedarf es diesmal der Hilfe eines Biologen respektive Zoologen, um Hintergründe eines mysteriösen Dramas  aufzudecken. Auf unserer Piazza hat sich ein wahrhaftes Tier-Rätsel ergeben, das allein mit Internet und Wikipedia nicht zu lösen war:

Alles ist in diesem Frühjahr so verspätet wie die wieder mal bestreikte Bundesbahn. Temperaturen, die von einem Tag zum anderen in unseren Gemäuern zwischen zwölf und 27 Grad schwanken, verwirren auch Lebewesen die normaler Weise vom Instinkt und ihrem Gefühl geleitet mit alljährlichen Ritualen beginnen.

Die Geckos der Burg sind sonst überwiegend nachtaktiv. Der "Europäische Halbfinger" hat Ende Mai normaler Weise schon geschlüpften Nachwuchs. An den Mauern unserer Terrasse haben sie dann eine geschützte Kinderstube, wo sie das erste Schnappen von Mini-Insekten trainieren können. Die sind wirklich niedlich; etwa um die zwei Zentimeter, aber alles en Miniature schon ausgebildet. Bislang haben wir noch keinen gesehen. Nur die Dicksten der Dicken sind gut über den Winter gekommen und keckern.

Der "Europäische Halbfinger" verfällt unter 15 Grad der Kältestarre. Deshalb ist er jetzt ausnahmsweise tagaktiv. Nicht  nur um zu jagen, sondern die Weibchen, die das Sperma ihres Begatters  ein Jahr bis zur jeweiligen Befruchtung vorrätig halten können. auch zur Eiablage. Sie tun das vorzugsweise in von der Sonne beschienen Mauern mit vielen Spalten. Da sie jeweils zwei  in bis zu sechs verschiedenen Verstecken ablegen, ist das Lücken-Angebot an der Nordseite der Piazza wohl bald nicht mehr ausreichend.

Denn die Mauersegler nisten dort ja auch traditionell. Da diese Spezies eine hohe Lebenserwartung hat und ihre Partner-Treue vor allem vom einmal gewählten Brutplatz abhängt, muss es also zu Konflikten beim Bezug kommen, wenn  die ebenfalls sehr an ihr Revier gebundenen Gecko-Damen sich ausnahmsweise ein wärmeres Plätzchen für ihre Nachkommenschaft auswählen. Es  herrscht also ein echter Verdrängungswettbewerb.

Körperlich ist ein Gecko-Weibchen den Mauerseglern durchaus ebenbürtig, aber es betreibt eben keine entsprechende Brutpflege.

Jetzt kommt es zu der ungeklärten Frage:

Ein Mauersegler-Partner(in) des Pärchens, das wir schon seit einigen Jahren beobachten, hing dieser Tage stundenlang wie der Gekreuzigte mit weit ausgesteckten Flügeln regungslos schräg unter der Einflugs-Lücke zu deren Stammplatz. Zunächst dachten wir, das Tier hätte sich wieder einmal im Landeanflug geirrt und sich das Köpfchen an gehauen. Aber dann war es plötzlich verschwunden.

Die Zweitbeste fand am nächsten Morgen zwei zerschmetterte Eier auf dem Sims unterhalb der Mauer. Von Größe und Farbe sind Gecko-Eier und die von Mauerseglern ja kaum zu unterscheiden, und da sich bereits Parasiten und Ameisen über diese hergemacht haben, wollte sie nicht so genau hinschauen.

Hat das Gecko-Weibchen die Mauersegler-Brut rausgeschmissen oder hat der Mauersegler so lange gewartet, bis die Gecko-Eier unbewacht waren, um den angestammten Brutplatz frei zu machen?

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