Freitag, 1. August 2014

Trivial gegen den Horror

Die Grenz-Debilität meiner Frau und meiner Wenigkeit offenbart sich immer häufiger dadurch, dass wir uns im von Wiederholungen geprägten Fernsehprogramm dieses Sommers vornehmlich Film-Schmonzetten heraus picken, die ein Happy-End haben. Wenn ein netter Hund vorkommt oder wie gestern Abend  ein süßes Baby, dann verdrücken wir Enkel-Losen schon mal ein Tränchen. Auch im Borgo hat die Zahl knuddeliger Hunde und spielender kleiner Kinder - Ferien bedingt - zugenommen, was seinen Heile-Welt-Charakter noch verstärkt.

Aber dann kommen ja nach den Schmonzetten immer Tagesschau oder Heute  und holen uns ganz schnell in die Realität zurück. Fast tausend Tote im Gaza-Streifen, unzählige von beider Propaganda Vernebelte in der Ukraine,  unkontrollierbare Opfer-Zahlen im Irak und Syrien aber auch aus Libyen hört der Nachrichten-Mensch nichts Genaues...

"Da sitzen wir und schauen uns diesen seichten Scheiß an, während die Welt aus dem Leim geht", stellte da die "Zweitbeste" in ihrer mitunter drastischen Sprache fest. Unser Nachbarin Paula hatte vor ein paar Tagen etwas Ähnliches gesagt, als wir bei einem Grill-Abend friedlich auf der Piazza saßen und es uns gut gehen ließen:
"Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, dass wir es so schön hier haben, während anderswo solche schrecklichen Dinge geschehen."

Der Blogger muss gestehen, dass ihm seit Wochen ähnliche Gedanken beim Schreiben seiner leichten, literarisch angehauchten Kost bremsen. Aber wenn ich nun gar nicht verstehen kann, wie junge Deutsche mit russischen Wurzeln vom Web angestachelt, ihr Leben in einem Konflikt riskieren, den sie aus Mangel an historischem Wissen gar nicht begreifen können? Aber wenn ich zum wiederholten Mal drastisches Unvermögen der "Weltgemeinschaft" beim Verhindern und Beilegen dieser wahnwitzigen Konflikte erlebe? Wenn ich dünne Nachrichten-Lagen journalistisch aufgebauscht erlebe, weil die "Wahre" ja zum Wohle der Einschaltquote an den Konsumenten muss? Was soll ich da denn dagegen halten, als ein paar Texte aus einem Dörfchen, das ja auch nicht immer in Frieden lebt?

Ich schlafe sehr schlecht in diesen Tagen, in denen der erste große Weltenbrand nur hundert Jahe her ist. Ich sehe dank meiner privaten historischen Studien und Erinnerungen wie sich die Geschichte nicht nur beispielsweise in der Türkei, diesem  so herrlichen Land, wiederholt: Ein Bild vom  Berliner Olympia-Stadion, der Keimzelle des Nazi-Wahns,bleibt mir im Kopf. Nur, dass es aktuell nicht mit Haken-Kreuzen beflaggt, sondern mit dem roten Halbmond-Banner zu Ehren der als sicher geltenden Präsidenten-Wahl Erdogans als "Wahl-Lokal" geschmückt ist. Erdogan, der noch als ein neuer "Führer" von sich Reden machen wird. Da bin ich mir sicher. Wieso waren eigentlich mehr pro palästinensische Demonstranten auf deutschen Straßen unterwegs als solche, die für die Juden eintreten, die unser Volk durch Mord und Vertreibung erst zu Israelis gemacht hat?

Bei mir hat sich ein Symptom zu einem Leitgedanken gefestigt, der leider immer wieder für das Scheitern von Demokratien sorgen wird - so humanistisch der Einzelne gestimmt sein mag:

Die Ohnmacht des Individuums manifestiert sich immer aufs Neue dadurch, dass es sich lieber vor eigenem Denken und Handeln nach einer Schein-Bequemlichkeit durch starke Führung sehnt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen