Dienstag, 26. August 2014

Komische Wiederholungen

Normaler Weise zappen die "Zweitbeste" und ich sofort weiter, wenn das Werbefernsehen kommt. Seit sich die Sender jedoch offenbar zeitlich mit ihren Unterbrechungen abstimmen, resignieren wir immer häufiger und werden durch die permanenten Wiederholungen der Werbe-Botschaften konditioniert. 

Mit komischen Folgen:
Seit da in einem Spot ein junges Pärchen in einem Auto mit gesprochener e-mail-Wiedergabe fährt, hat sich dieser eine Satz in unsere Gehirne gehakt:
"Deine Eltern sind ja auch irgenwie komisch!" Sagt der junge Mann.

Nicht, dass wir uns diesbezüglich hinterfragen, ob wir als Eltern komisch sind. Nein, keiner von uns beiden kann seither noch das Wörtchen "komisch" aussprechen, ohne dass der andere dieses Wort erheblich in die Länge gezogen wiederholt. Ein dümmlicher Wiederholungseffekt, aber lachen tun wir dennoch jedesmal.

Bei mir führt das selbstkritisch zu der Frage, ob wir komisch finden, wenn sich etwas wiederholt, oder ob Wiederholungen uns einfach nur geistig abstumpfen.

Für erstere Überlegung gibt es ja vor allem das Beispiel "Dinner for One", das sich die meisten von uns jedes Jahr an Silvester wieder reinziehen, um immer wieder an den gleichen Stellen zu lachen. In grauer Vorzeit war ich mal ein gefragter Witze-Erzähler, seither muss ich im langjährigen Freundeskreis immer wieder die gleichen Witze vom Huber-Bauern erzählen, damit die sich wie vor vier Jahrzehnten vor Lachen ausschütten können. Nun bin ich mit neuem Repertoire äußerst vorsichtig... Habe aufgehört, der Pausen-Clown zu sein.

Selbst hier auf der Burg ist das Leben eine schier endlose Wiederholung von Vorgängen, die uns erheitern, die wir komisch finden:

Wenn beispielsweise unser Nachbar Vittorio pünktlich über die Piazza schleicht, um die Happy Hour bei seiner ehemaligen Geliebten und immer noch Angebeteten unten in der Bar Girasole zu verbringen. Dabei schmunzeln wir gewiss nicht  über den von den Folgen eines Aneurismas betroffenen Freund, sondern über seinen Kater Lazaro, der ihm wie ein Hündchen brav an den Fersen bis zur ersten Stufe der Treppe folgt und da mit einem beleidigten und auch vorwurfsvollen Maunzen sitzen bleibt, bis sein Herrchen außer Sichtweise ist. Seine Maunz-Mimik ist echt komisch!

Don Mario, der letzte  aus der Reihe der Hundertjährigen Geschwister, hat auch so ein komisches Ritual. Unter dem Torbogen zum Burgplatz hat er ein Gewölbe, in dem er sein Holz und andere Versorgungsgüter lagert. Das Gewölbe hat kein Schloss. - Nicht etwa weil ich, der von Gott ausgemachte Schlüssel-Dieb, ihn entwendet hätte. Mario hat die Tür schon immer mit einem dicken Faden - als Achten um zwei Nägel gewickelt - sorglos verschlossen. Wenn ich auf der Piazza sitze, dreht er sich verhuscht um, als könne ich die Kombination seines geheimen Safes ausspähen. Wenn er in seiner Remissa alles an seinem Platz gefunden hat, schickt er mir auch heute noch, da sich unser Verhältnis erheblich verbessert hat, einen triumphierenden Blick zu. Gerade dadurch, dass sich das immer auf gleiche Weise wiederholt, finde ich das komisch. Und deshalb schenke ich Mario ein heiteres Lächeln über die Piazza, das er mit einer verschmitzten Burggeist-Grimasse erwidert.

Die "Zweitbeste" und ich können auch davon ausgehen, dass die Zahl von Signora Electras Versuchen, uns nachhaltig für il Signore zu gewinnen, identisch ist mit der zur Zeit nicht endenden Zahl der von ihr überreichten Gurken. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, aber wir würden nicht auf die Idee kommen, uns damit über unsere Nachbarin lustig  zu machen, denn Wiederholungen haben eben auch tragische Schatten-Effekte.

Gestern gerade habe ich - quasi als Initial-Zündung für diesen Text - Heinrich August Winklers zweiten Band zur  "Geschichte des Westens" zum wiederholten Mal nach kurzem Weiterlesen aus der Hand gelegt. Da vergeht einem jeder Sinn für Komik bei Wiederholungen, denn gerade beweist der Westen zum wiederholten Mal, seine Hilflosigkeit gegenüber Diktatoren, Despoten, Tyrannen und Terroristen. Man könnte meinen, die Abstumpfung bei sich wiederholenden Signalen der Geschichte folge einem höheren Plan. Und das - liebe Leser - ist gar nicht komisch.

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