Sonntag, 3. August 2014

Gelindes, grünes Gift

Um es gleich vorweg zu sagen: Mit Kult-Köchen verhält es sich wie mit Bundestrainern. Auf einen kommen Tausende, die es besser wissen und sofort besser könnten. Also ließe mir Tim Raue, der geniale Küchenmeister aus Berlin - wenn er es denn läse  - höchsten ein ignorantes Pobacken-Runzeln zukommen. Aber das sollte die Fans meiner mit einem Hummer geschmückten Burgbriefe nicht daran hindern, mir einmal mehr zu vertrauen.

Tim Raue also hat im SZ-Magazin dieser Woche seinen Gewürz-Sud für Schweine-Rippchen offenbart. Was mich in sofern erschreckt hat, weil er nahezu eine Gewürz-Kombination beschreibt, die wichtiger Bestandteil für eine Grill-Sauce ist, die im Familienkreis Papa's-Own genannt wird und zum Grillen geladene Freunde seit mehr als zwanzig Jahren an den Rande der Ekstase treibt. Verraten habe ich sie bislang nie, aber ehe die fatalen Fehler von Herrn Raue die Runde machen, bin ich geradezu genötigt, solchen Unterlassungen Einhalt zu gebieten. Ich darf das, weil ich weiß, dass Raue seine Anregungen in erster Linie seinen Reisen nach Japan und China verdankt, aber ansonsten an meine um Jahrzehnte längere und weltweite Topfguckerei nicht heran reicht.

Zunächst: Raue benutzt seine perfekt abgestimmte Sauce, um die Rippchen darin zu köcheln. Aus dem angefetteten Sud macht er dann ein Vorweg-Süppchen. Dann grillt er die durchgekochten Rippchen noch einmal. Ja weiß denn der Küchenmeister nicht, dass Rippchen und Bauchfleisch vom Schwein am ehesten an perfekt gegrilltes Menschenfleisch heranreichen, wenn sie ohne Vorbehandlung auf den Grill kommen? Dieser Witz (bevor sich ein Leser vor Ekel übergibt) ist natürlich nur zu verstehen, wenn ich auch die Anekdote zu meinem Spruch "Super! Schmeckt fast wie Menschenfleisch!" zum Besten gebe:

Vor mehr als dreißig Jahren war ich vom Häuptling eines Aita-Stammes, schwarzer vom Tourismus vertriebener Ureinwohner, auf einer kleinen Insel des Philippinischen Archipels zum Dinner auf dem Boden seiner Hütte geladen. Ich verstand ihn nicht, und er verstand mich nicht, aber einer seiner Söhne sprach das geläufige Pidgin-English.

Auf Bananenblättern wurden Scheiben und Knöchelchen eines zoologisch kaum zu identifizierenden aber unendlich delikaten Fleisches gereicht. Es war im Bucanneer-Style auf Treibholz  und grünem Bananenlaub zur Hitzedämmung quasi gleichzeitig gegrillt, gedämpft und geräuchert worden - so ähnlich wie das die Hawaiianer in ihren Schmorgruben beim Luao oder Kailua-Pig machen. Es war saftig und rosé wie ein Steak, absolut frei von Fett und bezog aber seinen intensiven Geschmack aus einer Flüssigkeit, in die die Teile vor dem Knabbern getunkt wurden.
"What a glorious meat! Where is it from?"
"It's from our neigbours. We killed the pigs yesterday!", gab der Häuptlingssohn brav zur Antwort und verstand nicht, wieso ich schallend auflachte. 

Betretenes Schweigen. Mein Reisebegleiter musste die Doppeldeutigkeit erst erklären. Tatsächlich aber hatte ich nie zuvor Bauchfleisch und Rippchen dieser halbwilden und natürlich aufgezogenen Hängebauchschweine gegessen. Deshalb also  seither mein Spruch, der nichts mit Kannibalismus zu tun hat.

Costatine di maiale alla griglia con salsa "Papa's Own"

Zutaten:

20 Costatine. Die italienischen Metzger trennen die Rippenbögen einzeln, was das Grillen auf den Punkt erleichtert

Je 1 Süßwein-Glas normale und süße Sojasauce

4 Esslöffel Sesam-Öl aus geröstetem Sesam

Saft einer halben Limone

4 mittelgroße Peperoncini mit Kernen

1 Esslöffel braunen Melasse-Zuckers

1 Esslöffel Tomatenmark

Je 1 Teelöffel Cucuma  und Currypulver (wahlweise auch 2 Teelöffel Tandoori-Gewürz anstatt)

2 große und frische Knoblauchzehen

20 g grob gehackten Ingwer

1 Esslöffel fein gehackte, grüne Koriander-Blätter *


Zubereitung:  

Die Costatine so wie sie sind ,zum "Löffelchenliegen" auf den Grill und fürsorglich permanent wenden

Alle anderen Zutaten mit Ausnahme des Korianders nach dem Grad ihrer Trockenheit beziehungsweise Feuchtigkeit hintereinander unter vorsichtiger Zugabe von grobem Meersalz (auch Fleur de Sel) in einem Mörser zerreiben (mit einem hölzernen Kochlöffel in einer Tasse ist immer noch besser als im Mixer) bis eine dickflüssige Sauce entsteht. Erst dann nach Gusto den grünen Koriander* hinzu geben, der der Beize erst den Pfiff gibt.

Wenn die Costatine fettfrei und knusperig sind, einfach nur in Papa's Own tauchen oder darüber träufeln und das Fleisch sofort auf Rucola servieren.

* Grüner Koriander ist nicht jedermanns Sache. Das Gewürz muss man sich zunächst mit einem Hauch erarbeiten. Ich kannte - als ich als Kind nach Bayern kam - nur den harten Koriander auf bestimmten Bauernbroten, die ich zunächst deshalb nicht mochte. Da waren mein Schlüssel-Erlebnis beim Skifahren in Südtirol die Vinschgauer Bladln, in denen auch noch Kümmel verbacken wurde, den ich davor auch noch nicht mochte. In der Kombination mit Almbutter sind die echten "Bladln" mittlerweile mein Brotzeit-Highlight. 

Als ich  in der Nähe von Delhi von einem Hinduistischen Antiquitäten-Händler in sein Privathaus zu einem vegetarischen Dinner eingeladen wurde, kannte ich die "Petersilie des Orients" noch nicht und lud mir auf die Pappadums, die höllisch scharfen indischen Knusper-Pfannkuchen, genauso viel vom grünen Gift wie mein Gastgeber. Dieser seifige, ein wenig penetrante Geschmack war der absolute Horror, aber ich konnte ja nicht ausspucken. Also kaute ich mit extra langen Zähnen und schluckte brav. Das hatte den Effekt, dass meine Mundhöhle auf der Heimfahrt immer noch vom grünen Koriander erfüllt war, aber jetzt entfaltete er gedämpft sein Suchtpotenzial, dass leider daheim in Deutschland lange Jahre nicht zu befriedigen war. Auch hier in Italien züchtet unser Kräuter-Händler auf der Burg in seinem horto nur den Koriander für   die harten Samenkapseln. Bei jedem arabischen oder nordafrikanischen Gemüse-Laden in München gibt es den grünen jedoch das ganze Jahr hindurch. Die Chinesen verkaufen ihn sogar mit Wurzel, die sie gerne in der Suppe mitkochen lassen.

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