Dienstag, 8. Juli 2014

Zurück ins Mittelalter

Bei dem meist sonnigen Gemüt der "Zweitbesten" kommt es selten vor, dass sie von mir derart beschimpft wird. Gestern war es mal wieder soweit. Den ganzen Tag war sie unruhig, genervt und hat obendrein noch ein paar wichtige Dinge, die sie erledigen wollte, vergessen.

Dabei hat sie sich nur instinktiv so verhalten, weil sie uns warnen wollte. Sie ist ja keine. Sie verhält sich doch nur wie eine Gewitterziege, weil sie damit im besten Sinne der bäuerlichen Wetter-Vorhersage ein bevorstehendes Unwetter ankündigt. Allerdings muss ich mich dagegen verwahren, dass auch der bäuerliche Regel-Reim auf sie zu träfe ("Stinkt die Ziege gegen den Wind, kommt das Gewitter ganz geschwind").

Ich war ja auch nicht in bester Stimmung gestern! Es war so drückend und schwül, aber als der leichte Wind vom Meer, die berühmt berüchtigte brezza libeccata als untrügliches Zeichen einsetzte, hatte diese mich auf der Terrasse schon sanft entschlafen lassen. Am späten Nachmittag und am frühen Abend gab es keine weiteren Warnhinweise - außer eben der äußerst schlechten Laune - der Zickigkeit  meiner Frau.

Wäre ich ihr besser nicht aus dem Wege gegangen. Dann hätte ich auch das nahende Unheil gespürt. So hatte ich die Kopfhörer auf und bemerkte es erst, als mit dem ersten Monster-Blitz nicht nur mein Computer verstarb, sondern mit ihm unserer gesamte Stromversorgung auf der Burg. Wir zählten zehn, zwölf Blitze innerhalb einer Minute und mussten noch dankbar für diese Licht-Quellen sein, denn ansonsten herrschte tiefste Finsternis - wie im Rektum des Leibhaftigen (eine durchaus mittelalterliche Vorstellung!?).

Gleichzeitig ging ein Regenguss hernieder, der uns wieder einmal fluchen ließ, dass wir aus reiner Nostalgie die Fenster im obersten Stock, der von unserem Wohnzimmer eingenommen wird, nicht auch mit neuen Fenstern ausgestattet haben. Bis wir Feuerzeuge (wir rauchen ja beide nicht mehr) oder Streichhölzer zum entzünden diverser Kerzen-Leuchter gefunden hatten, wurde die Flut schon derart durch die knorrigen Holzrahmen gepresst, dass sämtliche Vorhänge und Teppiche pitschnass waren. Die Schlagläden noch zu schließen, war bei dem Sturm unmöglich. Wie auf einem sinkenden Schiff versuchten wir die Lecks mit großen Badetüchern zu stopfen, aber dann resignierten wir vor den Himmelsmächten und genossen irgendwie aber diesen Rücksturz ins Mittelalter: Ohne Licht in diesem ohrenbetäubenden Lärm zwischen dem flammenden, alten Gemäuer. So schnell kann es also gehen, wenn der Klima-Wandel uns beutelt.

Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei, und an der Funzel auf der Piazza erkannten wir dann auch, dass die Stromversorgung wieder hergestellt war. Also runter wie Quasimodo - auf glitschigen Stufen mit dem Kerzen-Leuchter in der Hand den Kipphebel im Sicherungssicherheitskasten umgelegt. Und siehe, die Jetztzeit hatte uns wieder.

Die Computer-Anlage hat es auch überlebt, und so konnte ich heute Herkunft und Wandel des Begriffes Gewitterziege nachlesen:

Der germanischen Mythologie zufolge, wurden Gewitter ausgelöst, weil sich Donner-Gott Thor in einem Wagen von zwei Ziegenböcken über das Firmament ziehen ließ. Dieser Glaube wurde vermutlich durch die generell sensible Wahrnehmung der Ziegen angeregt, die sich bei vielen Naturvölkern in Ritualen nieder schlägt. Wer bei den Beduinen im Ziegen-Kuskus beispielsweise die Augen der Ziege zugeschoben bekommt, sollte sich durch deren Verzehr nicht nur geehrt fühlen, sondern erhält in der Überzeugung seiner Gastgeber dadurch auch eine besondere Weitsicht.

Ich habe sie unter Vorgabe anderer Glaubensmotive am Ein El Agdar einst verschmäht. Deshalb habe ich eben auch nicht erkannt, weshalb meine Frau so "rumgezickt" hat...

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