Samstag, 12. Juli 2014

Ein sonniges Gemüt

Eines muss man der "Zweitbesten" lassen. Was sie sich in den Kopf gesetzt hat, das zieht sie erbarmungslos durch. Weil die ersten unserer Nachbarn schon bald wieder in Richtung Heimat unterwegs sind und andere - gerade frisch angekommen - noch zu erschöpft waren, um sich nachhaltig zu wehren, hatte sie strikt das erste Cena In Piazza für den vergangenen, ungewohnten Donnerstag angesetzt, zu dem natürlich unsere noch arbeitenden italienischen Nachbarn nicht so zahlreich erscheinen konnten, wie beim letzten "Abendessen auf der Piazza" im vergangenen Herbst. Trotz ständiger Unwetter mit Temperatur-Stürzen hat die "Zweitbeste" natürlich wieder eine "notte magica" erwischt. Wir waren immerhin schon vierzehn bei Tisch, und das Gelage aus mitgebrachten Speisen und Weinen dauerte wieder einmal von sechs bis Mitternacht. Nach so langer Zeit gab es viel Neues zu erzählen - auch wenn das bei mangelndem Wortschatz mit Händen und Füßen dargebracht wurde. Julia aus dem von uns abgeschnittenen Nachbarort war erstmals dabei und half mit ihrem italienischen Mann Ernesto manche Sprachbarriere zu überqueren

Unsere Nachbarin, Signora Ina, bekam sogar als Dank für ihren aus eigenen Pflaumen gebackenen Gitter-Kuchen einen erfolgreichen Schnellkurs in unserem deutschen Behelfs-Italienisch. Anhand von einfachen Beispielen erläuterten wir ihr das für die Fälle, in denen uns gerade mal eine italienische Vokabel nicht einfällt. - Am Ende des Abends bat sie - schon leicht beschickert - perfekt um Messero, Gebelo samt Tellero. Alter schützt eben doch vor Torheit nicht.

Als neuen Gast an der Tafel durften wir auch den deutschen Burggeist Martin begrüßen, den wir als Dauer-Residenten schon als alten Kumpanen ansehen. Da waren wir dann aber doch überrascht, dass andere, die schon mehr als 30 Jahre auf die Burg kommen,  ihn noch gar nicht kannten,. Und das, obwohl ihm seit über zwanzig Jahren eine Wohnung auf der Rückseite von der Burg gehört.

Der mittlerweile 77jährige aus dem Schwabenland ist aber auch schwer zu erwischen, denn er ist hyperaktiv wie ein Vorschüler. Nicht nur, dass er immer noch mit einem PSstarken Motorroller aus der Nähe von Stuttgart bei Wind und Wetter über Landstraßen und Alpenpässe zum Borgo düst - auch hier absolviert er dann das volle Programm eines jungen Aktivisten. Nach dem Aufstehen spielt er täglich mit einem Trainer in Porto Maurizio Tennis, dann geht er schwimmen, dann macht er ein Schläfchen, bevor er sich wieder auf den Roller schwingt, um irgendwo in den Bergen zu essen. Seine Aufenthalte auf der Burg dauern aber selten länger als 14 Tage. Dann wird er unruhig und besucht auf der Heimfahrt noch geschwind andere über Europa verteilte Freunde. Wenn er nicht so ein leidenschaftlicher Formel-!-Gucker wäre, bekämen wir ihn vermutlich auch nur selten zu Gesicht. Den "Großen Preis von Österreich" und Silverstone hat er in diesem Jahr sachkundig bei mir geguckt.

Um ehrlich zu sein, macht er mich mit seiner Agilität ganz schön neidisch, aber ich kenne mittlerweile das Geheimnis hinter seinem sonnigen Gemüt: Der Martin lebt ausschließlich im Sommer. Er ist mit einer Brasilianerin verheiratet und lebt mit ihr halbjährlich in beiden Welten. Wenn sich in unseren Breiten das Laub färbt. sitzt er bereits wieder mit ihr im Flieger und düst dem brasilianischen Frühjahr entgegen - bis er im kommenden Sommer wieder mal für eine Stippvisite bei uns eintrudelt; ein Zugvogel der besonderen Art...

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