Dienstag, 15. Juli 2014

Body&Soul

Es kann der stillste Nachbar nicht in  Frieden denken, wenn es der "Seelenfängerin" nicht gefällt. Gerade saß ich in meiner Ecke auf der Stufe des noch in Rom weilenden Nachbarn und dachte nach. Da kam Signora Electra die halbe Treppe von der Gasse hoch, so dass ich nur ihren Kopf mit der Prinz-Eisenherz-Frisur auf Ebene der Piazza sah. Das gab unserem Dialog etwas Geisterbahnhaftes:

"Cosa stai facendo?" Was machst Du?
" Einfach nur nachdenken!" Basta semplicemente pensare.
"Denk nicht soviel! Glaube lieber!" Non pensare tanto! Fede piuttosto!

Für einen Moment überlegte ich, ob ich versuchen sollte, ihr mit meinem Speisekarten-Italienisch meine komplizierten Überlegungen zu beschreiben. Dann sagte ich nur:
"Non è possibile salvare mia anima Signora!" Meine Seele ist nicht mehr zu retten...

Ich hatte gerade mein E-Book mit einer Original-Version von Henry David Thoreaus "Walden" zur Seite gelegt. In einem selbst überhöhenden Anfall von beruflicher Eifersucht stellte sich mir, der sich gleiche Gedanken nicht zu Papier bringen traut, die Frage: Wie konnte dieser Urvater aller "Alternativen" vor genau 160 Jahren derart richtige Erkenntnisse nachhaltig für die Ewigkeit zu Papier bringen? In einer einleuchtenden Sprache, die offenbar aktuell auf keiner Petersberger Klima-Konferenz in ihrer Klarheit verstanden werden konnte...

Wie sollte ich dann diese Fülle an Geistesblitzen der eher eindimensional denkenden "Seelenfängerin" darreichen? - Noch dazu in ihrer Sprache? Und wie bin ich überhaupt zu der Kettenreaktion an Überlegungen gekommen?

Dazu muss ich  vorweg (wieso überhaupt?)  betonen, dass ich nicht wie Thomas Mann im Alter von meinen unterdrückten homoerotische Anwandlungen überwältigt werde. Es war eben nur gerade eine simple Erkenntnis der Ästhetik:

Nach all den Sixpack "getuneten" und von Hairstylisten "geshapeten" Fußballstars bei der soeben zu Ende gegangenen Fußball-Weltmeisterschaft, fiel heute meine Blick auf die Jungs, die mich seit einem Monat mit ihrer Zementmischmaschine, ihren lauten Unterhaltungen und ihren Gesängen ab den frühen Morgenstunden nerven. Unsere Body&Soul-Doctores aus der freud'schen Heimatstadt lassen sich nämlich eine offenbar Fußballfeld große Terrasse zum Tal hin anlegen...

Da ich die Arbeiter bislang nur mehr oder weniger akustisch wahrgenommen hatte, fiel mir bei ihrem Anblick - diagonal über die Piazza in der Gesamtperspektive der nachhaltigen Vergänglichkeit unserer Burg - ein Zitat von Thoreaus Eingangskapitel aus "Walden" ein:

"Jede Generation lacht sich tot über die modischen Verfehlungen ihrer Eltern, um im gleichen Moment nichts unversucht zu lassen, nach den modischen Errungenschaften zu streben, über die sich dann wieder ihre Kinder amüsieren können... "(Wirklich sehr frei übersetzt!!!).

Drei junge Männer schleppen hier seit Tagen riesige Schiefer-Platten über die steilen Treppen nach unten. Dazu kommen noch schwerere Eimer mit Zement aus der Mischmaschine. Sie singen mit guten Stimmen, und wenn sie zur Fontana kommen, um das Wasser per übergestülpten Schlauch für den Zement abzuzapfen, grüßen sie gut gelaunt und höflich.

Nach all den mit "personal Trainern" gezüchteten Bodies der Ronaldos, Kutchers, Beckhams und Timberlakes ruht mein Blick voller Wohlgefallen auf diesen Burschen, die sich durch ihrer Körper Arbeit ein im Rousseau'schen Sinne perfektes Ebenmaß erarbeitet haben.

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