Donnerstag, 17. Juli 2014

Don Marino

Heute ist es wirklich sehr heiß. Die Gedanken strömen nicht, sondern tropfen zähflüssig in die Hände und von dort in meine Tastatur. Wenn die Temperaturen es zuließen, ärgerte ich mich zu allererst darüber (Schönen Gruß an die Gesellschaft zur Rettung des Konjunktivs!!!), dass es in München noch heißer sein wird  als hier zwischen den alten Mauern. 34 Grad sollen es in Bayern werden, und natürlich mache ich mir schon wieder Gedanken, ob meine beiden Kids bei ihrem Open-Air-Auftritt mit der Band am Samstag bei den angekündigten schweren Gewittern auch sicher sind...

Hier ziehen sich schon wieder die vom Tramontana getriebenen Wolken zusammen, aber ein Gewitter wird es wohl nicht geben. Woher wir das wissen? Weil unser böser Burggeist gestern ein zappelndes Huhn über die Piazza getragen und es an der Fontana gründlich abgeduscht hat. Die "Zweitbeste" ist sich sicher: Hätte sie nicht zufällig auf ihrem Stuhl im Schatten gesessen, Don Marino hätte das Federvieh schon an Ort und Stelle geschlachtet. Don Marino, der Sparsame, setzte aber nie und nimmer eine Suppe  oder einen besonderen Braten an, wenn das Wetter nicht stabil bliebe (Zwei weitere Konjunktiv-Sammelpunkte!)...

Don Marino ist der, der von den einst vier "hundertjährigen Geschwistern" noch übrig geblieben ist. Ich müsste sie eigentlich längst umbenannt haben, weil ja weder die Zwillinge noch die zeternde Eugenia (alle weit über 90) die Hundert geschafft haben. Aber Don Marino ist möglicher Weise böse genug, um uns noch alle zu überleben. - Was ihn natürlich besonders geeignet erscheinen lässt, weiterhin eine tragende Rolle auf meinem Blog zu spielen.

Mitunter kommt mir der Verdacht, es könne sich bei ihm sogar um einem illegitimen Spross, des Grafen-Geschlechtes handeln, das hier einst den Borgo  beherrschte. So sehr ist er darauf versessen, die vielen fremden Eindringlinge zu piesacken. Wer sein Auto oberhalb des Dorfes zu lange nach dem Ausladen stehen lässt, oder auf seinen dort markierten Grundstücksanteilen steht, kann  damit rechnen, dass sein Türschloss verklebt ist, oder eine teure Alu-Felge eine Beule abbekommen hat. Nachzuweisen war ihm natürlich nie etwas.

Jedenfalls sind wir schon erstaunt, dass er auf einmal wieder lebende Hühner hat. Denn seine Hühner hielt er hinder der Pforte uns gegenüber, die heute streng von einer meiner aufmerksamen Yukka-Palmen bewacht wird. Als seine drei Schwestern  begannen, hinfällig  zu werden, waren die Hühner verschwunden. Stattdessen wurde diese Cantina zu einer Art Kleiderkammer, die für die immer abgerissen herum laufenden und herunter gekommen wirkenden Geschwister jede Menge tadelloser, da eingeschweißter, und nicht allzu alter Kleider parat hielt. Als Eugenia als Letzte ins Heim kam, suchte der fürsorgliche Brunder für sie jedenfalls geeignete Kleidung aus just diesem Fundus.

Nachdem die Drei aber dann den kurzen Weg von hier zu Il Signore angetreten hatten, war auch bei Don Marino plötzlich eine modische Wandlung eingetreten. Auf einmal marschierte er in tadellos gebügelten Gabardine-Hosen samt Blazer und weißem Hemd über die Piazza. Und sein verknotetes Taschentuch hatte er gegen eine farblich abgestimmte Golf-Mütze eingetauscht. Die "Zweitbeste" war sich sicher, dass der 94jährige im Ortsteil La Villa eine Freundin hat. Fragen konnten wir ihn natürlich nicht, weil wir - trotz des wieder gefundenen Schlüssels zu seiner "Remissa" - in seinen Augen immer noch diebische Teufelsbrut sind. Aber immerhin grüßt er uns wieder  - unter allerdings sichtbarer, körperlicher Qual.

Er, der ja - vom Hörensagen - nach dem Ableben seiner Geschwister alleiniger Herr über erheblichen Landbesitz ist, scheint nun auch in all seinen Häusern gleichzeitig zu wohnen. Vom Haus seiner Schwestern trägt er brav den Müll raus, obwohl er eigentlich an der oberen Piazza eines der schönsten Häuser des Borgos bewohnt. Dass die Kleidung wieder nachlässig wie einst ist, schreiben wir dem Umstand zu, dass er in seinem roboterhaft programmierten Dasein wieder den "Vor-Ernte-Modus" hoch gefahren hat. Obwohl nur noch aus Haut und Knochen bestehend sehen wir ihn täglich in seinem Geländewagen zu seinen weit verstreuten fascie düsen, um darin zu arbeiten...

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