Sonntag, 27. Juli 2014

Der Karibik-Drink-Tester

Im Irrglauben ewiger Jugend und unerschütterlicher Gesundheit geriet ich einmal in die Fänge des amtierenden Weltmeisters im Mixen von karibischen Drinks. Der quirrelige, schokobraune Bad-Boy vom Typ Martin Lawrence war die Dreingabe zu einem Yacht-Charter eines Verlagsrepräsentanten. Der wollte schon immer mal zum Game-Fishing und erwartete natürlich als fiskalisches Feigenblatt für die von ihm aufgewendeten Spesen von mir eine Männergeschichte über die Jagd nach dem Blue Marlin.

Um es vorweg zu sagen, das Schippern vor einer der Inseln in der Sonne geriet wegen der falschen Saison zu einer der langweiligsten Bootstouren meines an nautischen Erlebnissen reichen Lebens. Es wäre ein totales Fiasko mit Sonnenstich und Bordkoller geworden, wenn wir den unheimlichen Mixer nicht an Bord gehabt hätten. Er vertrieb uns die Langeweile, indem er ständig neue Kreationen anbot. Der Charterer hatte ihm wohl vor dem Ablegen gesteckt, dass einer der Compagneros des Repräsentanten der deutsche Statthalter einer noblen Champagner-Marke war.

Der Bad-Boy zelebrierte quasi eine Verkostung und wir spielten mit, indem wir nach jedem Schluck kenntnisreiche Mienen aufsetzten und dann kommentierten. Der Weltmeister kam nicht gut weg. Alle Drinks waren durch das crached Ice zwar schön kalt, aber auch derart pappsüß, dass das die frischen Früchte überlagerte und den Alkoholgehalt im wahrsten Sinne des Wortes verschleierte. Während der blaublütige Verkostungsprofi aus dem Champagnerhaus seine Anmerkungen dezent abgab, meinte ich mit bereits gelockerter Zunge, dass kein ernsthafter Trinker aus der alten Welt diese Lady-Liquors auf Dauer konsumieren könne. Das war ein beinahe tödlicher Fehler, denn anstatt beleidigt zu sein, hielt mich der Herr über eine Gallone Melasse-Sirup anscheinend für einen globalen Experten. Die nächsten drei Tage ließ er mir nämlich mit seiner Überzeugungsarbeit keine Ruhe mehr und führte mich zudem in die vermeintliche Brotherhood of Mixers seiner Insel ein. Nicht ohne zu erwähnen, dass The Big Man auch der einzige gewesen sei, der etwas gefangen habe. Tatsächlich hatte ich einen Zackenbarsch von etwa dreißig Kilo am Haken, aber der Skipper musste mich anbrüllen und ein paarmal wütend hin und her manövrieren, weil ich viel zu beschickert war, um das Viech an Bord zu bekommen. Das zu sagen, vermied mein neuer Freund natürlich.

Um eine lange Geschichte auf den Punkt zu bringen. Drei Tage befand ich mich mit festen Boden unter den Füßen aber dennoch erheblich schwankend  in einer Dauerverkostung der gesamten Gilde. Schon am zweiten Tag entstand so im Nirwana die Vorstellung eines neuen Traumberufes. Wann immer ich später gefragt wurde, was ich einst lieber geworden wäre als Journalist, antwortete ich ernsthaft: "Karibik-Drink-Tester!"

Dazu beschrieb ich jedem gerne die Versuchsanordnung an meinem imaginären Arbeitsplatz: In einer Hängematte unter Palmen sanft im Passat schwingend, befächert von rundlichen Bikini-Mädchen, diktierte ich einem livrierten Sekretär meine geschätzten Kommentare zu den immer neu kreierten Drinks. Dieser Sekretär würde sie dann noch am selbigen Tage weltweit per Telex an die wichtigsten Zeitungen schicken, und die Honorare gingen später ganz von selbst ein - wie bei  meinem damaligen journalistischen Vermarktungsvorbild Art Buchwald.

Glücklicher Weise wurde ich doch noch so nüchtern, dass mir zu Bewusstsein kam, dass ich ja gerade erst Jung-Vater geworden war und daheim ein verantwortungsvolles Leben ohne Palmen zu führen hätte. Aber es darf ja wohl mal geträumt werden...

Weil ich Mix-Drinks aber immer noch mag, habe ich erst viel später als Diabetiker probiert, den Sirup aus solchen Drinks durch die naürliche Süße der tropischen Früchte zu ersetzen. Gescheitert bin ich eigentlich nur beim Caipirinha  Der geht wirklich nur mit dem braunen Melasse-Zucker.

Meine leichten Drinks für heiße Tage

Hier eine Auswahl geeigneter Früchte:
Limonen, sehr reife Ananas, sehr reife Erdbeeren, frische Litschis, frische Passionsfrüchte, sehr reife Melonen, schwarze Johannisbeeren, Stachelbeeren, überreife Tomaten 

Hier eine Auswahl frischer Aromen:
ungezuckerte Vanille-Schoten, Minze, grüner Koriander, roher Ingwer Stern-Anis - und nur wenn es vor lauter  Fernweh gar nicht anders geht - bitter Angostura und Kokosnuss-Raspel

Hier eine Auswahl der Spirituosen:
Gin, Wodka, Havanna Club, Cachaca sowie trockener Sekt oder Prosecco

Menge jeweils für vier Cocktail-Gläser à 0,25 Liter Fassungsvermögen - mindestens.

Heute die ersten drei Dry-Drinks einer lockeren Folge:

Blutarme Mary 

In einem Liter Wasser fünfhundert Gramm überreifer Tomaten mit einer großen, weißen Zwiebel (ca. 100 Gramm), vier kleinen Thai-Chillies oder Jalapenos und einer guten Prise Salz so lange aufkochen, bis sie Matsch sind. Den Sud dann nach dem Abkühlen erst einmal durch ein feines Sieb passieren und dann noch einmal so oft durch ein Küchentuch bis ihm alle Farbe entwichen ist. Dann gleichmäßig in die vier Gläser füllen und für eine halbe Stunde ins Tiefkühlfach. Es darf sich da ruhig schon ein wenig Eis gebildet haben. Dann 4 cl oder nach Gusto Gin oder Wodka darauf gießen und die Hälfte des oberen Teils einer Sellerie-Staude (mit den Blättern) als Deko und zum Umrühren hineinstecken - fertig!

Honkong Highball

Frische und feste Litschis schälen und entkernen (ca. 500 Gramm) mit vier gehäuften Teelöffeln fein geriebenem Ingwer in einen  Mixer mit der gleichen Menge Eiswürfel geben. Pürieren und schnell in die Gläser geben. Mit Gin, Wodka oder - so verfüg- und zahlbar - am besten mit Mao Tai oder einem weniger teuren Bambus-Schnaps aufgießen. Einen Hauch gezupften, grünen Koriander drauf - fertig!

Teaparty

Ist nichts für konservative Amerikaner - es sei denn, die nehmen Burbon Whisky anstelle von dem Rum Havanna Club: Die Fruchtkerne von vier Passionsfrüchten in ein verschließbares Glas geben und  reichlich mit einem von beiden aufgießen. Dann mindesten 24 Stunden in den Kühlschrank damit. Zum Zubereiten stark gezogenen, frisch gebrühten schwarzen Tee (Sorte nach Gusto) mit crashed Ice herunter kühlen. Wer knabbern will, löffelt ein Viertel der gezogenen Passionsfrucht-Kerne direkt in den Tee. Wer nur das Aroma möchte, kann die Melange auch durch ein Teesieb gießen. Ein frisches Sparemint-Blatt darauf - fertig!

Salute!

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