Donnerstag, 29. Mai 2014

Das Sterben der Kleinen

Klar, die "Zweitbeste" und ich genießen auch ein-, zweimal pro Woche das allumfassende Angebot der Super-Supermärkte hier: keine Parkplatz-Suche, interessante Rabatt- und Payback-Angebote und die systematisierte Logistik.

Aber wir wollen immer auch die Kleinen leben lassen und verteilen deshalb unsere spezialisierte Nachfrage auf eine Reihe von kleinen Läden. Obwohl zum Beispiel deutlich teurer, kaufen wir Gemüse, Käse und Wurstwaren mittwochs und samstags bei Marktständen deren Betreiber mit uns gemeinsam alt geworden sind. Das gilt auch für Brot und frische Pasta. oder spezielle Sorten von Focaccia, für die wir unsere bewährten Quellen haben. Die Treue wird belohnt durch kleine Plaudereien und gegenseitige Anteilnahme am jeweiligen Leben der Anderen...

Allerdings, bei einer Geschäftsaufgabe - egal aus welchen Gründen -  ist es dann so, als erleide man den Tod eines Vertrauten. Über Nacht war auf einmal das Metzger-Paar  unseres Vertrauens in unserem Alter aus ihrem winzigen Geschäft gegenüber vom Dom verschwunden. Dessen Angebot war nie umfangreich, aber besser abgehangenes Angus, unzerhackte Perlhühner und biogefütterte Kaninchen sowie die speziellen Bratwürste haben wir in all den Jahren nirgends gefunden. Wir wussten quasi lückenlos über unsere Leben bescheid, denn es war auch immer Zeit für ausführlichen, persönlichen Plausch über andere Klienten hinweg. Nur, dass sie dann die Mieten in der Fußgängerzone zur Aufgaben zwingen würden, hatten sie uns verschwiegen. Wie waren geschockt, als wir während des letzten Wahlkampfes darin vorübergehend  die lokale Kommando-Zentrale der PCI vorfanden.

Mit den Versorgern für meine ja eher dilettantische Malerei war es genauso: Erst starb am gebrochenen Herzen gepaart mit Knochenkrebs meine Rahmen-Macherin. Sie hat meine Bilder immer derart geschickt gefasst, dass einer unserer kunstsinnigen Besucher auf der Burg spontan seine Begeisterung zum Ausdruck brachte, indem er sagte, was für tolle Rahmen ich hier hängen hätte... Der Kunstprofessor, der ausgefallene Formate von Leinwänden und Farben vorhielt, die man sonst nirgendwo fand, musste einem Musikalien-Laden weichen. Der dritte Kunst-Laden in der  Nähe der Piazza Dante machte Platz für den gefühlt zweihundertsten Store für Mobil-Telefone.

Ich decke meinen ja immer geringer werdenden Bedarf nun in einem Heimwerker-Markt. - Zu deutlich geringeren Preisen zwar, aber eben industriell standardisiert bis zur Verpackung der Ölfarben. Am meisten fehlt jedoch das aufmunternde Profi-Feedback für meine Amateur-Pinselei.

Und dann gestern auf gut Glück dann doch mal wieder ein versöhnliches Erlebnis beim Erhalt unserer Quellen: Nach der Total-Sanierung der Kemenate infolge des Schimmel-Befalls im vergangenen Winter schlug ich der "Zweitbesten" vor, doch mal zu schauen, ob es das Kurzwaren-Lädchen in der alten Einkaufsmeile von Sanremo noch gäbe wo wir die Erstausstattung an Gardinen einst erworben hatten: Edel altmodische Vorhänge aus reinem Leinen mit handgefertigter Lochstickerei.

Völlig bescheuert, so eine Fahrt zu machen, für eine Ausstattung, die es vielleicht auch in unserem riesigen Convenienca-Laden in fünf Kilometer Entfernung weitaus billiger gegeben hätte? Nicht für uns, weil wir nicht nur durch die resistente Existenz dieses Ladens belohnt wurden, sondern dort auch noch diese speziellen "Tende" in den gewünschten Formaten fanden.

In Sanremo gibt es ja seit einigen Jahren parallel zur alten auch eine - wie ich finde - sehr sterile, neue Shopping-Mile, die sich als erweiterte Fußgängerzone von der Piazza Cristoforo Colombo bis hin zum Spiel-Casino durch die  gesamte Altstadt zieht. Wie üblich ein Luxusmarken-Laden und ein Bistro neben dem anderen. Wie konnte sich unsere Kurzwaren-Lady samt ihrer zwei Mitarbeiterinnen da bei den Quadratmeter-Preisen für die Mieten halten?

Und weil wir schon einmal auf diesem Trip mit den kleinen Spezial-Läden waren, sind wir auf dem Rückweg in Oneglia gleich auch noch in den alten Eisenwaren-Laden am Ende der Fußgänger-Zone gegangen. Ist nix für Klaustrophobiker: Ein langer, enger Schlauch mit Schublädchen bis zur Decke auf der einen Seite und Musterbrettern für Beschläge auf der anderen. Die "Zweitbeste" hatte ja ganz spezielle Vorstellungen von ihren neuen Gardinen-Stangen zu den neuen Vorhängen... Aber was soll ich sagen, nach genau zehn Minuten intensivster und genauer Beratung sind wir detailliert mit dem Gewünschten aus dem Laden gegangen - samt genau vollzogenem Zuschnitt der Messing-Stangen. Und weil es so viele Teile waren, gab es auch sogar noch ein Sconto von 10 Prozent!

Beiden Läden ist nur zu wünschen, dass sie uns überleben...

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